US-Drohnenkrieg:Hilft Deutschland bei Kriegsverbrechen?

To match Special Report USA-PAKISTAN/DRONES

Auf diesem Archivbild aus dem Jahr 2001 machen US-Soldaten eine Drohne des Typs "Predator" startklar.

(Foto: Reuters)

Die USA begehen Kriegsverbrechen, die Deutschen sind dabei: Amnesty International erhebt in einem Bericht schwere Vorwürfe gegen die Bundesrepublik. Juristen, die den Amnesty-Bericht gelesen haben, finden allerdings mehr Fragen als Antworten.

Von Ronen Steinke

Die Deutschen und die Drohnen? Da herrscht Distanz, da herrscht Zurückhaltung, das merkt man gerade jetzt wieder, da der deutsche Befehlshaber in Nordafghanistan Kampfdrohnen für die Bundeswehr fordert. Der Aufschrei folgt sofort. Deutschland lässt von Kampfdrohnen bislang die Finger.

Hintenrum allerdings, so kritisiert nun die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht, würden die deutschen Sicherheitsbehörden dem umstrittenen Drohnenprogramm der Amerikaner zuarbeiten. Sie lieferten Informationen über Zielpersonen, was einem Todesurteil gleichkomme: So habe es schon Fälle gegeben, in denen der deutsche Inlands- oder Auslandsgeheimdienst die Handy-Nummer eines Menschen weitergereicht habe. Kurz darauf habe eine Drohne das Feuer auf ihn eröffnet.

"Es wäre nicht akzeptabel, wenn deutsche Behörden zur Tötung von Menschen, zudem ohne Gerichtsverfahren, beitrügen", empört sich der außenpolitische Experte der Linkspartei im Bundestag, Stefan Liebich, deshalb an diesem Mittwoch im Kölner Stadt-Anzeiger. Auch sein grüner Abgeordnetenkollege Hans-Christian Ströbele fordert: Solange keine Gewissheit herrsche, was die Amerikaner mit den gelieferten Daten täten, dürfe man ihnen gar keine mehr geben.

Es ist ein schwerer Vorwurf. Ist er juristisch haltbar? Leistet die Bundesrepublik tatsächlich insgeheim Vorschub zu Kriegsverbrechen? Liefern die deutschen Behörden sehenden Auges Zivilisten dem Raketenfeuer aus?

Die Quellen im Amnesty-Bericht sind dünn

Deutsche Völkerrechtler, auch solche, die nicht dafür bekannt sind, der Regierung übermäßig nahezustehen, haben auf diese Fragen allerdings differenziertere Antworten. Sie fragen nach den Quellen für die Amnesty-Vorwürfe. Und danach, ob deutsche Regierungsstellen wirklich eine Verantwortung trifft, wenn die USA nach ihren eigenen Regeln kämpfen.

Was die Beweislage betreffe, sei Zurückhaltung geboten, schickt etwa der in Glasgow lehrende deutsche Völkerrechtler Robin Geiß voraus: Die Quellen für die Vorwürfe gegen Deutschland, die Amnesty in Fußnote 169 des Berichts angebe, seien "dürftig". Dort ist von pensionierten pakistanischen Geheimdienstlern die Rede, die sagen, Deutschland habe in der Vergangenheit mit dem US-Drohnenprogramm "zusammengearbeitet".

Klar ist, betont Völkerrechtler Geiß: Nicht jeder Drohnenschlag verstößt gegen das Völkerrecht, auch stellt nicht jede gezielte Tötung eines mutmaßlichen Terrorkämpfers ein Verbrechen dar. Sondern es komme darauf an, ob die Zielperson ein Kämpfer ist oder ein Zivilist. "Drohnen an sich sind eine legitime Waffengattung", fügt sein in Hamburg lehrender Kollege Jasper Finke hinzu. "Die Frage ist, wie sie eingesetzt werden."

Der Amnesty-Bericht dokumentiert zwar einzelne Fälle, in denen die USA offenbar ein zentrales Tabu des humanitären Völkerrechts gebrochen und auf Zivilisten gefeuert haben, mindestens aus Nachlässigkeit, wenn nicht gar aus Absicht: Im Fall der 68 Jahre alten pakistanischen Bäuerin etwa, die bei der Feldarbeit von einer amerikanischen Hellfire-Rakete getötet wurde, vor den Augen ihrer Enkelkinder.

Aber inwiefern war Deutschland gerade an diesen Einzelfällen beteiligt? Das bleibt in dem Amnesty-Bericht offen, sagen die Völkerrechtler Geiß und Finke.

Sind die Deutschen gutgläubig oder bloß scheinheilig?

Darauf komme es jedoch entscheidend an, betont der Göttinger Völkerstrafrechtler Kai Ambos, der zugleich Richter am Landgericht ist: Nur wenn es gelinge, eine direkte Linie von einem rechtswidrigen Drohnenschlag der USA nach Deutschland zu ziehen, sei die erste Voraussetzung für eine deutsche Mitverantwortung nachgewiesen.

Und die zweite Voraussetzung? Wenn Deutschland Beihilfe zu den von Amnesty referierten rechtswidrigen Drohnenschlägen geleistet haben sollte, dann stellt sich als Nächstes die Frage: wissentlich oder unwissentlich? Das Völkerrecht gehe davon aus, sagt Geiß, "dass man sich im zwischenstaatlichen Verkehr grundsätzlich darauf verlassen darf, dass wie auch immer geartete Hilfe nicht für völkerrechtswidrige Akte missbraucht wird". Deutsche Regierungsstellen könnten sich leicht auf die Verteidigungslinie zurückziehen, man sei davon ausgegangen, dass die USA schon alles sorgfältig prüfen würden.

Zusammengefasst heißt das für die Juristen: Nur wenn die Deutschen wussten, dass im Einzelfall ein Kriegsverbrechen bevorstand, trifft sie eine Mitschuld. Das führt dann zu der politisch eigentlich heiklen Frage - zu der Frage, die nun auch Hans-Christian Ströbele lautstark thematisiert: Können die deutschen Geheimdienste sich überhaupt noch auf ihre Gutgläubigkeit berufen? Weiß man inzwischen nicht längst zu viel? Ist es da nicht Scheinheiligkeit, wenn der BND Handy-Daten stets nur mit dem Zusatz weitergebe, sie dürften "nicht als Grundlage oder Begründung für unangemessene Maßnahmen" oder "zum Zwecke des Einsatzes körperlicher Gewalt" verwendet werden - und dann so tue, als wisse man nichts von illegalen Drohnenschlägen? Müssen die Deutschen inzwischen nicht geradezu damit rechnen, dass die Amerikaner sich nur an ihre eigenen Regeln halten?

"Ich sehe nicht, wie das legal sein soll"

Ja, in manchen Fällen sei das so, sagt Geiß. Nämlich "wenn es um tödliche Drohneneinsätze außerhalb von Konfliktgebieten geht". In Gebieten wie Jemen etwa, wo kein Bürgerkrieg herrscht, sondern nur eine Jagd auf einzelne Terroristen: Da sei der Einsatz der Kriegswaffe Kampfdrohne von vornherein illegal. Wenn die Bundesrepublik den Amerikanern hier zuarbeite, verletze sie das Völkerrecht.

So sieht es auch Jasper Finke. Im pakistanischen Nordwaziristan zum Beispiel herrsche ein bewaffneter Konflikt, dort könne es legale Drohneneinsätze geben, da komme es juristisch also auf jeden Einzelfall an. "Ich sehe aber nicht, wie das in Jemen legal sein soll." Das Wort Jemen freilich kommt in dem am Dienstag veröffentlichten Amnesty-Bericht nicht vor.

Letztlich eint die Völkerrechtler deshalb die Forderung, die auch die Menschenrechtsorganisation am Dienstag mit ihrem Bericht verbunden hat: Amerikaner wie auch Deutsche sollten ihre Zusammenarbeit transparenter machen, sie sollten die genaue Arbeitsweise offenlegen. Damit man sich endlich ein fundiertes Bild machen könne.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: