Kolumne "Familie und andere Turbulenzen":Nein, meine Stulle ess' ich nicht

Familien-Kolumne

So sieht eine satte und zufriedene Familie aus. Leider essen Kinder auch außer Haus - nicht immer das, was sie sollen.

(Foto: Stephanie Wunderlich)

Das Zubereiten des richtigen Pausenbrots ist eine hohe Kunst, vor allem, wenn es gegessen werden soll. Denn die anderen Kinder haben bestimmt etwas dabei, das viel besser schmeckt. Zum Beispiel Schokolade.

Von Katja Schnitzler

Nicht einmal abgebissen! Obwohl ... da, von der Paprika fehlt ein Stück. Wie von Mäusezähnen angeknabbert. Dabei sollte die Brotzeitdose doch leer sein. War sie aber nicht, und das nie.

"Die Brotzeit ist zum Essen da", knurrte die Mutter aus der Küche. "Ich mag das trockene Zeug aber nicht", knurrte der Sohn zurück.

Trockenes Zeug! Die Mutter hatte schon so viele Pausenbrot-Varianten ausprobiert, damit der Sohn auch noch am späteren Schulvormittag ausreichend gestärkt dem Unterricht folgen konnte. Gesund, vitamin- und ballaststoffreich, so sollte es sein, das perfekte Pausenbrot.

Sie hatte Käsebrote geschmiert und mit hauchdünnen Gurkenscheiben belegt, damit sie saftiger wurden ("Der Käse schmeckte mir nicht." "Den isst du doch immer." "Aber die Gurke hat ihn so matschig gemacht."). Sie hatte auf die Gurken verzichtet und Trauben mit in die Dose gepackt ("Die waren dann ganz eklig mit Butter verschmiert, da wollte ich gar nichts mehr."). Sie hatte kein Brot und nur Obst und Gemüse mitgegeben, in handliche Knabberstückchen geschnitten ("Ich wollte aber Brot.").

Sie hatte keine Chance. Letztlich lief es immer auf eines hinaus: Die anderen in der Klasse packten Köstlichkeiten aus, ihr Sohn nur gesundes, vitamin- und ballaststoffreich.

"Der Jonas bekommt Schokoriegel mit, die dicken mit Karamell. Drei Stück!" Die Mutter verlor die Nerven: "Dann ist Jonas' Mutter seine Gesundheit wohl völlig egal!" "Mir ist meine Gesundheit auch egal."

Maulsperre und Pfefferminzblättchen

Einen letzten Versuch wollte die Mutter noch unternehmen.

Der Burger war riesig, 23 Zentimeter hoch, sie hatte nachgemessen. Darin hatte sie untergebracht: alle Lieblingswürste, gerade noch erträgliche Käsescheiben, Salat, Ketchup, Tomatenscheiben, Fleischpflanzerl (zwei Stück). Obenauf lag nur noch ein hauchdünnes Pfefferminzblättchen.

Um 10.30 Uhr rief die Sekretärin der Schule an: Die Mutter müsse ihren Sohn abholen ... bekomme den Mund nicht mehr zu ... Maulsperre, oder wie man das beim Menschen nenne ... Wie sie nur auf die Idee gekommen sei, so ein riesiges Sandwich ...

Beim Arzt trafen sie die Mutter eines Klassenkameraden. Was sie ihrem Kind für die Pause mitgebe? Die andere Mutter wurde nervös: "Na, was er eben gerne isst, so zwischendurch." Was denn genau? "Ach, mal dies, mal das ... aber jetzt muss ich wirklich los, gute Besserung noch, tut sicher weh, der verklemmte Kiefer."

Nach dem Arztbesuch ("Wie ist das denn passiert?" "Das Sandwich war zu groß." "Pausenbrot?" "Ja." "Verstehe.") ging die Mutter in den Supermarkt und kaufte eine Schokoriegel-Auswahl, die für den nächsten Monat reichen sollte. Dann stellte sie eine neue Regel auf.

Der Sohn bekam zwei Riegel am Tag mit, die konnte er essen, eintauschen, ganz egal - unter einer Bedingung: Er musste in der Pause das Gemüse und Obst aufessen.

Es schien zu funktionieren, die Dose mit der Vitaminkost war jeden Mittag leer. "Du wirfst das doch nicht weg?", fragte die Mutter misstrauisch nach. Nie käme er auf diese verwerfliche Idee, beteuerte der Sohn glaubhaft.

Dann holte die Mutter ihn einmal vor der Schule ab, sie war gerade in der Nähe. Von der einen Seite steuerte ihr Sohn auf sie zu, von der anderen näherte sich der Hausmeister. Der Sohn ging schneller, dann rannte er. Der Hausmeister war trotzdem vor ihm bei der Mutter.

"Ist das nicht Ihr Sohn? So ein nettes Kind. Stellen Sie sich vor, in jeder Pause gibt er mir von seinem Obst und Gemüse ab. Damit ich gesund und stark bleibe und in der Schule weiterhin alles reparieren könne, sagt er. Unglaublich, diese Fürsorge, nicht wahr?"

Unglaublich, dachte die Mutter.

Haben Sie Tipps für ein Pausenbrot, das immer gegessen wird? Schreiben Sie uns Ihre Tricks und Erfahrungen in den Kommentaren unter der Kolumne.

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