Umgang mit Stress:Kopf in den Sand macht krank

Folgen von Stress (Symbolbild)

Nervlich am Ende: Opfer häuslicher Gewalt fühlen sich oft machtlos. Eine vertrauliche Untersuchung kann helfen.

(Foto: Peter Steffen/dpa)

Warum brillieren einige unter Druck - und andere brechen zusammen? Wie kann man Belastungen vorbeugen? Und was hilft, wenn der Kopf schwirrt? Was Sie über Stress wissen sollten und wie Sie am besten damit umgehen.

Von Johanna Bruckner

Pünktlich um acht Uhr sitzt er am Schreibtisch. Davor hat er schon sein tägliches Sportprogramm absolviert und die Kinder in die Kita gebracht. Aufgaben vom Chef erledigt er in Rekordzeit, kurzfristige Deadlines spornen ihn zusätzlich an. Nebenbei hilft er noch dem Kollegen aus, der mit seinem Projekt komplett überfordert ist. Nach Feierabend widmet er sich Familie und Haushalt und geht dann noch mal eben auf ein Bier mit Freunden. Stress? Kennt er - und liebt er.

Als "Losleger" werden in der Stress-Studie der Techniker Krankenkasse (TK) jene Menschen bezeichnet, die unter Belastungen nicht zusammenbrechen, sondern zu Hochform auflaufen. Etwa jeder fünfte Befragte (17 Prozent) gab an, dass ihn Stress ansporne. Ob jemand Stress genießt oder darunter leidet, ist nicht nur eine Frage der Persönlichkeit, sondern auch des Alters und des Geschlechts. Jüngere sind häufiger Losleger als Ältere. Und: "Männer genießen und brauchen den Druck (...) stärker als Frauen. Während jeder vierte Mann ein Losleger ist, sagt dies nur jede zehnte Frau von sich", so die Autoren.

Frauen gaben dagegen häufiger an, bei Stress den Kopf in den Sand zu stecken. Jede fünfte Frau ist demnach eine sogenannte "Vermeiderin", zieht sich bei Stress zurück und hofft, dass sich die Lage von selbst beruhigt. Auf diesen passiven Typ wirken Belastungen besonders negativ. Vermeider "sind stärker Burn-out gefährdet und haben besonders oft psychische Beschwerden wie Depressionen oder Angstzustände. Überdurchschnittlich viele (...) leiden zudem unter Kopfschmerzen, Tinnitus, Magenbeschwerden und häufigen Erkältungskrankheiten."

Gefühlte Machtlosigkeit erhöht den Leidensdruck

Aus der Arbeitspsychologie ist bekannt, dass Selbstvertrauen und Stressempfinden eng miteinander zusammenhängen. So haben Studien mit Arbeitnehmern aber auch Studierenden gezeigt, dass gefühlte Machtlosigkeit den Leidensdruck erhöht. Einfach abzuwarten ist also die schlechteste Bewältigungsstrategie. Je aktiver Belastungen angegangen werden, desto weniger schlimm werden sie wahrgenommen.

Besonders im Beruf spielt auch die Einstellung eine entscheidende Rolle. Wer gerne ins Büro geht, empfindet seine Arbeit weniger als Belastung. Und er nimmt Stressfaktoren wie Überstunden, Termindruck oder fehlendes Feedback vom Chef gelassener hin. (Was im Job sonst noch stresst, lesen Sie hier.) Nicht überraschend sind in der Gruppe der Job-Enthusiasten häufiger die sogenannten Losleger zu finden. "Jeder vierte Berufstätige, der Spaß an der Arbeit hat, läuft unter Druck zu Höchstform auf - gegenüber nur jedem neunten, der die Arbeit allein als Broterwerb sieht."

Die meisten Menschen liegen allerdings irgendwo zwischen den beiden Extremen. Sie sind weder Losleger noch Vermeider, in der Studie werden sie als "Durchhalter" charakterisiert (60 Prozent). Dem Durchhalter geht Stress zwar auf die Nerven, aber er kann damit umgehen - so lange die Belastung nicht zum Dauerzustand wird.

Doch wie kann man dem vorbeugen - und was hilft bei akutem Stress?

Tipps gegen Stress

  • Gestalten Sie Ihr Arbeitsleben.

Gestalten statt verwalten. Mit diesem Slogan ging Peer Steinbrück in den Bundestagswahlkampf gegen Angela Merkel. Dem SPD-Politiker brachte er kein Glück - viele Expertentipps zur Stressprävention lassen sich aber unter diesem Leitsatz zusammenfassen. Wer seinen Beruf und seine Arbeitsstelle bewusst wählt, für den stellen sich viele Probleme gar nicht. Dabei geht es nicht nur darum, einen Job zu finden, der einem möglichst langfristig Spaß macht. Arbeitnehmer sollten auch reflektieren, welche Ansprüche sie an ihren Job haben - und welche ihnen im Zweifelsfall am wichtigsten sind, denn selten gehen alle Wünsche zusammen.

Doch selbst wer die für ihn idealen Arbeitsumstände hat, ist nicht gegen Stress gefeit. Das heutige Arbeitsleben ist geprägt von Anforderungen und Faktoren, die viele Menschen als Belastung empfinden: Multitasking, Termin- und Leistungsdruck, häufige Unterbrechungen bei der Arbeit. Wichtig ist bei Arbeitsstress: sich nicht kampflos der Überforderung und Überlastung ergeben, sondern das Gespräch mit Vorgesetzten suchen. Allein das Gefühl, aktiv etwas gegen den Stress zu tun, hilft bei der Bewältigung.

  • Schalten Sie nach Feierabend ab.

"Leichter gesagt, als getan", wird sich jetzt mancher denken. In der TK-Studie heißt es: "Mehr als jedem dritten Berufstätigen gelingt es nach Feierabend und am Wochenende nicht, die Arbeit hinter sich zu lassen und richtig abzuschalten - und jedem Vierten fällt dies sogar im Urlaub schwer." Doch noch wichtiger als pünktlich Feierabend zu machen, ist, seinen Feierabend auch wirklich als solchen zu begreifen. Denn wenn der Stresspegel auch in der Freizeit oben bleibt, können sich Körper und Seele nicht regenerieren, langfristig steigt die Gefahr für einen Burn-out.

Daran haben auch Arbeitgeber kein Interesse und immer mehr Unternehmen entwickeln deshalb Richtlinien für die Erreichbarkeit außerhalb der eigentlichen Arbeitszeit. Nur müssen Arbeitnehmer diese auch annehmen - so verführerisch es sein mag, zum Zeitvertreib auf dem Nachhauseweg oder auf der Strandliege mal schnell die Arbeitsmails zu checken.

  • Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte.

Auch wenn die Arbeit der Stressfaktor Nummer eins ist. "Weit stärker belasten private Probleme Körper und Seele. So finden sich besonders oft schlechtere Gesundheitsbilanzen bei denen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen, Konflikte mit Familie und Freunden haben oder die sich mit finanziellen Sorgen tragen", heißt es in der Studie. Und selbst im Job stellen die sozialen Faktoren wie mangelnde Anerkennung oder Streit mit Kollegen das größere Gesundheitsrisiko dar.

  • Bewegen Sie sich.

Klar, Sport ist mit der beste Ausgleich bei Stress. Aber wer hat nach einem anstrengenden Arbeitstag noch Lust, in die Laufschuhe zu schlüpfen? Einfacher umzusetzen sind da die Anti-Stresstipps von Claudia Croos-Müller, Fachärztin für Neurologie, Nervenheilkunde und Psychotherapie:

Kopf hoch: Klingt zu einfach, um eine Wirkung zu haben - aber dass die Körperhaltung den Gemütszustand beeinflusst, ist neurophysiologisch nachweisbar. Bei Stress lassen wir häufig den Kopf hängen, im wahrsten Sinne des Wortes. "Die Nerven im Bereich der Halswirbelsäule mit direkter Verbindung zum Gehirn melden diese "Durchhänger-Position" den Bereichen des Gehirns, die für Emotionen zuständig sind. Und da ist mit einem gesenkten Kopf ein Stimmungstief assoziiert und mit einem erhobenen Kopf eben ein Stimmungshoch", erklärt die Anti-Stress-Expertin in ihrem Buch.

Brust raus: Stress kann nicht nur aufs Gemüt drücken. Auch der Körper sackt wie unter einem Gewicht zusammen, die Schultern sind eingefallen. Doch dadurch "sinkt das Brustbein ein, die Brustwirbelsäule krümmt sich nach vorn, die Rippen ziehen sich zusammen, der Brustkorb wird eng und für die Lunge und für das Atmen ist kaum noch Raum." Wer nicht aufrecht dasteht, verringert außerdem seine Körpergröße - was zusätzlich das körperliche Wohlbefinden einschränkt. Dieses negative Körpergefühl wird dem Gehirn signalisiert und dort wiederum "zu schlechter Stimmung verarbeitet".

Arme schwingen: Die Schultergelenke sind Kugelgelenke, die einen großen Bewegungsspielraum ermöglichen - gleichzeitig fordert der Körper diesen aber auch ein. Hängen die Schultern ständig herunter, werden die Arme schwer. Dadurch fühle man sich nicht nur körperlich schwunglos, "sondern auch mental und emotional", so Croos-Müller. Beim Schwingen sind die Arme hingegen leicht, der Brustkorb wird geweitet, das Atmen geht leichter. Das Gehirn verarbeitet dieses körperliche Wohlbefinden zu einer positiven Gemütslage - man fühlt sich leicht und beschwingt.

Wie sich das emotionale Wohlbefinden über den Körper regulieren lässt, erklärt Claudia Croos-Müller in ihrem Buch "Kopf hoch - das kleine Überlebensbuch".

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