Freilassung von 26 palästinensischen Häftlingen:Missglückte Friedensgeste

Die Freilassung von 26 palästinensischen Häftlingen hätte zur bedeutenden Geste werden können. Doch Palästinenser-Präsident Abbas und die israelische Regierung haben das System der Ablenkungen und Blockaden perfektioniert - der Friedensprozess hat angesichts dessen keine Chance.

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Geflossen sind Tränen der Freude und Tränen der Wut: Die Freilassung von 26 palästinensischen Langzeit-Gefangenen aus israelischer Haft hat auf beiden Seiten heftige Emotionen ausgelöst. Aber gerade weil dieses Thema so aufgeladen ist, wäre es bestens geeignet, um mit einer Geste des guten Willens ein positives Signal in die neuen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern zu senden.

Leider jedoch ist genau das Gegenteil der Fall: Bei der Gefangenen-Freilassung zeigt sich exemplarisch, wie sehr beide Seiten gefangen sind in ihren alten Mustern. Was als Friedenszeichen geplant war, ist deshalb wechselseitig zu einer neuer Kampfansage geworden.

Zunächst zum Schauplatz Ramallah: Freunde, Verwandte und vorneweg natürlich die politische Führung haben den Heimkehrern einen Heldenempfang bereitet. Das nächtliche Freudenfest wurde jedoch weniger für die Ex-Gefangenen und schon gar nicht fürs Volk inszeniert, sondern vor allem für die herrschende Fatah, die endlich einmal wie ein Sieger aussehen will. Präsident Mahmud Abbas hat sich deshalb auch nicht lumpen lassen und sogleich verkündet, dass es kein Abkommen mit Israel geben werde, "solange auch nur ein Gefangener hinter Gittern sitzt".

Das ist nicht nur ein großes Wort angesichts der Zahl von 5000 Palästinensern, die immer noch in israelischen Zellen schmoren. Es ist auch eine große Torheit, die Abbas als willfährigen Nachlassverwalter des unseligen Jassir Arafat zeigt. Statt die Palästinenser endlich auf notwendige Kompromisse auf dem Weg zum eigenen Staat einzustimmen, werden stets Maximalforderungen zu unverhandelbaren Fakten erklärt. Solche Rhetorik ist Opium fürs Volk, das eigentlich ganz andere Sorgen hat - fehlende Jobs, ausstehende Löhne, mangelnde Perspektiven. Aber gefährlich ist sie vor allem, weil sie jeden Pfad untergräbt, der nach vorn führen könnte.

Israel verkündet neues Siedlungsbau-Programm

Auf der anderen Seite hat auch Israels Regierung im Laufe der Verhandlungs- Jahrzehnte das System der Ablenkungen und Blockaden perfektioniert. Sie hat mit Protesten rechnen müssen gegen die Gefangenen-Freilassung - schließlich bedeutet Amnestie nicht Amnesie. Niemand kann und will vergessen, dass die entlassenen Palästinenser israelische Männer, Frauen und Kinder getötet haben. Doch statt ausreichend zu erklären, dass solche Gesten bedeutsam sind fürs große Ganze, wird der Angriff als beste Verteidigung gewählt. Um die zeternden Rechten zu besänftigen, ist noch in der Nacht der Freilassung eilig ein neues und unverschämt ausgedehntes Siedlungsbau-Programm verkündet worden.

Doch gibt es eine Logik, die von den Gräbern der Terroropfer zu den Häusern der Siedler führt? Glaubt tatsächlich jemand, dass sich der Schmerz der Hinterbliebenen mit Beton zuschütten lässt? Nein, die Maßnahme entspringt reiner Willkür. Doch auch diese Willkür hat System - und ist unter dem Strich sogar noch gefährlicher als die palästinensische Fehlsteuerung, weil der Friedensprozess nicht nur mit Worten, sondern mit Taten unterminiert wird.

Die aktuellen Verhandlungen, die in einem Jerusalemer Hinterzimmer sogar noch just am Abend der kombinierten Gefangenen-Freilassung und Siedlungsbau- Ankündigung fortgesetzt worden sind, haben angesichts solcher Obstruktion von oben keine Chance. Nötig ist zunächst ein Kurswechsel beider Führungen, die ihren Bürgern die Wahrheit schulden über den Preis des Friedens. Sie müssen aufhören, die Wunden stets aufs Neue aufzureißen, die der ewige Konflikt auf beiden Seiten hinterlassen hat. Erst dann ist die Zeit reif für einen politischen Handel: Vergebung gegen Ruhe, Land gegen Frieden - und Freiheit nicht nur für ein paar Gefangene, sondern für zwei Völker.

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