Immer mehr Pflegekräfte fehlen:Alles auf der Kippe

Die Arbeit ist hart und schlecht bezahlt. Immer weniger interessieren sich darum für den Beruf des Altenpflegers. Die Freisinger Caritas und auch andere Träger warnen vor einem Zusammenbruch des Systems und fordern ein rasches Umdenken.

Von Gudrun Regelein

Die Pflegemisere spitzt sich zu. Mittlerweile macht sich der Mangel an qualifizierten Pflegekräften immer deutlicher bemerkbar. Auf derzeit 1263 offene Stellen in Bayern kommen gerade einmal 450 arbeitslose Fachkräfte, so die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Um diesen eklatanten Missstand zu begegnen, verzichten die Caritas-Altenpflegeschulen in der Erzdiözese München und Freising seit diesem Schuljahr auf das Schulgeld, 70 Euro monatlich, das Altenpflegerschüler bislang zahlen mussten. "Um mehr Menschen für die sozialen Berufe zu gewinnen, haben wir uns dazu entschieden, auf das private Schulgeld zu verzichten", sagt dazu Brigitte Beck, die Geschäftsführerin des Caritasinstituts für Bildung und Entwicklung in München. Leicht gefallen sei dieser Schritt allerdings nicht, denn berufliche Schulen in privater Trägerschaft seien nicht ausreichend refinanziert - das jährliche Defizit müsse der Caritasverband selbst tragen.

Seit Jahren hat auch die Caritas in Freising zunehmend Probleme, qualifizierte Pflegekräfte zu finden: "Das ist bei uns ein Dauerthema", bestätigt das Caritas-Kreisgeschäftsführerin Carolin Dümer. Bis Anfang des Jahres sei die Personalsituation äußerst prekär gewesen und trotz verzweifelter Suche habe man keine qualifizierten Kräfte gefunden. Das habe sich mittlerweile glücklicherweise geändert - aber die Suche und Nachbesetzung gestalte sich äußerst schwierig.

Auch bei der Arbeiterwohlfahrt in Freising ist man seit Mai auf der Suche nach einer neuen Pflegekraft, berichtet Geschäftsführer Jochen Beer. Bislang ohne Erfolg - noch immer habe es keine Rückmeldung gegeben. Zwar sei die prekäre Situation in der Pflege an sich nichts Neues, aber diese werde sich in spätestens fünf bis zehn Jahren noch einmal zuspitzen, meint Beer. Hans Schraufnagl, der Einrichtungsleiter der Heiliggeist Pflege GmbH Freising, leidet momentan zwar nicht unter Personalnot, allerdings berichtet auch er, dass sich auf Stellenausschreibungen "generell" keine Interessenten mehr melden.

Die Caritas-Geschäftsführerin befürchtet in naher Zukunft sogar einen Versorgungsnotstand in der Pflege - bei der wachsenden Zahl an pflegebedürftigen Menschen müsse dringend etwas geschehen, fordert Carolin Dümer. Bereits jetzt müsse man darum kämpfen, dass die Caritas-Sozialstation auch künftig bestehen bleiben könne. "Der Caritas-Verband schießt Geld hinein, der Landkreis Freising unterstützt uns, aber doch bleibt es wirtschaftlich schwierig."

Auch Regina Simnacher, die Pflegedienstleiterin der Sozialstation der Caritas Freising, macht sich Sorgen, wie es in der Zukunft weitergehen kann. "Der gesamte ambulante Bereich steht auf ziemlich wackeligen Beinen", meint sie. Immer mehr sei im Berufsfeld "Pflege" Unzufriedenheit zu spüren, die sich auch in einer sehr hohen Fluktuationsrate bemerkbar mache. Regina Simnacher wundert das nicht, sie erinnert sich noch sehr gut an den Beginn ihrer Berufstätigkeit, an die Euphorie, die Ideale, die sie damals hatte. "Und dann wird man mit der Realität konfrontiert, kann wegen der Rahmenbedingungen sein Schulwissen nicht umsetzten und ist zudem hohen Ansprüchen und einem extremen Zeitdruck ausgesetzt. Das ist frustrierend", sagt sie. "Wenn sich nicht bald etwas verändert, wird das ganze Pflegesystem kippen", sagt Regina Simnacher. Der Beruf müsse wieder mehr an Attraktivität gewinnen. Den Verzicht auf das Schulgeld empfindet sie dabei als "schönes Zeichen" - aber angesichts der gesamten Problematik in der Pflege "muss noch viel mehr passieren."

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