FC Ingolstadt 04:Symbiose zwischen Fußballverein und Autokonzern

FC Ingolstadt 04 - Fortuna Düsseldorf 1:2

Ingolstadts Trainer Ralph Hasenhüttl beim 1:2 gegen Düsseldorf

(Foto: dpa)

Noch hält der Zweitligist FC Ingolstadt die Mehrheit seiner Klubanteile - doch die Macht von Sponsor Audi wächst bedenklich. Solange allerdings kein offizieller Regelverstoß vorliegt, sieht der Ligaverband keinen Grund zum Handeln.

Von Jan Reinold

Für die sogenannte 50+1-Regel rühmt sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ja gerne in ganz Europa. Dadurch würden, so heißt es, die vermeintlich so bedrohlichen spanischen, englischen oder italienischen Verhältnisse im deutschen Profifußball verhindert. Wie großzügig man die deutsche Schutzklausel, nach der es Investoren nicht erlaubt ist, die Stimmen-Mehrheit bei einem Verein zu übernehmen, aber interpretieren kann, zeigt sich derzeit beim bayrischen Zweitligisten FC Ingolstadt. Formal entspricht alles den Regularien der DFL, und dennoch ist Investor Audi beim FCI allgegenwärtig. Autokonzern und Klub sind geradezu eine Symbiose eingegangen.

Die Profiabteilung des Vereins ist, wie in vielen solcher Fälle, in eine eigene GmbH ausgegliedert. Der Stammverein besitzt 80,06 Prozent der Anteile an der FC Ingolstadt 04 Fußball GmbH, die restlichen 19,94 Prozent hielt bis vor einiger Zeit Vereinspräsident Peter Jackwerth. Wie nun kurz vor der Mitgliederversammlung im Oktober bekannt wurde, hat Jackwerth seine Anteile an Audi verkauft. Das Ganze geschah bereits im Frühjahr - nach außen wurde nichts bekanntgegeben.

Neuer Besitzer der Anteile ist laut Handelsregister die quattro GmbH, eine Audi-Tochterfirma mit Sitz in Neckarsulm. Warum der Kauf über die Tuning-Schmiede abgewickelt wurde, ist nicht klar. Audi möchte sich nicht groß dazu äußern, auf Anfrage teilt man lediglich mit: "Die quattro GmbH (...) passt mit ihrer sportlichen Ausrichtung zum FC Ingolstadt 04."

Ebenfalls zum FC Ingolstadt passt die Audi Immobilien Verwaltung GmbH. Zeitgleich mit der quattro GmbH übernahm diese weitere Tochterfirma des Autobauers 100 Prozent der Anteile an der FC Ingolstadt 04 Stadionbetreiber GmbH, der nicht nur das Stadion, sondern auch das Trainingsgelände inklusive des im Bau befindlichen Funktionsgebäudes gehört.

Jackwerth, Klub-Mitbegründer und treibende Kraft der ersten Vereinsjahre, war zuvor alleiniger Gesellschafter der Stadionbetreiber GmbH, die den 2010 eröffneten Sportpark baute und dafür ein Darlehen über 25 Millionen Euro von der Stadt aufnahm. Durch den Verkauf des Stadions an Audi ergibt sich für die Stadionbetreiber GmbH ein niedrigerer Zinssatz bei der Rückzahlung des Darlehens. Die Rede ist von einer jährlichen Ersparnis von 250 000 Euro. Peter Jackwerth bezeichnet diesen Deal daher als Notwendigkeit: "Wir haben uns vor fünf Jahren Hals über Kopf in das Projekt gestürzt und uns hoch verschuldet. Das war eine Riesenbelastung für den Verein."

Wiederwahl ohne Gegenkandidaten

Aktuell stellen sich die Besitz- und Machtverhältnisse nun so dar: Audi ist Hauptsponsor, besitzt das Stadion und das Trainingsgelände, vermietet beides an die Fußball GmbH - an der der Konzern wiederum fast 20 Prozent der Anteile hält. Außerdem kontrolliert Audi den Aufsichtsrat. In dem sechsköpfigen Kontrollgremium sitzen von Vereinsseite Jackwerth und seine beiden Vorstandskollegen Martin Wagener und Andreas Schleef.

Hinzu kommen der Aufsichtsratsvorsitzende Frank Dreves, Produktionsvorstand bei Audi, Wendelin Göbel, Generalbevollmächtigter der Audi-Mutter Volkswagen, sowie Ingolstadts Oberbürgermeister Alfred Lehmann. Da Wagener als Chefjurist bei Audi angestellt ist, sind de facto drei der sechs Aufsichtsratsmitglieder mit dem Konzern verbunden.

Zudem war Schleef 35 Jahre für den Autobauer tätig, unter anderem als Vorstand und Seat-Chef. Ob all das noch dem Geist der 50+1-Regel entspricht, darf bezweifelt werden. Solange aber kein offizieller Regelverstoß vorliegt, sieht der Ligaverband keinen Grund zum Handeln - im Gegensatz zu einem Teil der FCI-Fans.

Auf der jüngsten Mitgliederversammlung mussten sich Jackwerth und seine beiden Vorstandskollegen bei der Wiederwahl erstmals einem Gegenkandidaten stellen. Das war neu beim 2004 gegründeten Klub, der am Freitag einen Punkt (1:1) beim SC Paderborn holte. Zudem stellten die Fans einen Antrag auf Satzungsänderung, damit der Verkauf von Vereinsanteilen an Investoren wie Audi nur noch von der Mitgliederversammlung beschlossen werden kann. Beide Ansinnen scheiterten, für Jackwerth nur logisch, denn die ganze Aufregung um den Verkauf seiner Anteile kann er nicht verstehen.

Entscheidend seien schließlich nicht die Besitzverhältnisse bei der Fußball GmbH, sondern das Stimmverhältnis in der Gesellschafterversammlung, erklärt der Vereinspräsident. Solange der Verein hier gemäß der 50+1-Regel die Mehrheit halte, bleibe man Herr im eigenen Hause. Nur: Wie sollte der FCI im Zweifelsfall auf Konfrontationskurs zum omnipräsenten Investor gehen? Und was wäre, wenn Audi sein Engagement einmal überdenken sollte?

Um einen Ausstieg des Investors möglichst auszuschließen, lautet die Taktik offenbar, den Konzern so eng wie möglich an den Verein zu binden. Dass er das Stadion und seine weiteren Klub-Anteile an Audi verkauft habe, sei daher auch als taktisches Manöver zu sehen, der Verkaufspreis sei "ein Witz" gewesen, erklärt Jackwerth: "Ich wollte Audi mit einem günstigen Angebot locken."

Fest steht, dass Profifußball in Ingolstadt ohne Audi nicht möglich wäre. Der Verein wurde praktisch aus dem Boden gestampft, mittelfristig soll es in die Bundesliga gehen. Für derartig ehrgeizige Vorhaben gibt es sicher schlechtere Partner als den Weltkonzern. Trotz der Symbiose mit Audi sei man aber kein Werksklub, meint Jackwerth. Und er verspricht: "Wir werden es auch nicht sein". Die Tatsachen lassen allerdings auch eine andere Schlussfolgerung zu.

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