ITB - Reisen in der Krise:"Internet ist nicht gleich billiger"

Reiseverbands-Präsident Klaus Laepple erklärt, warum Online-Buchungen nur vermeintlich günstiger sind und womit Frühbucher rechnen können.

M. Kuntz

Klaus Laepple, 70, ist seit dem Jahr 2000 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Reiseverbandes. Er betreibt ein mittelgroßes Reisebüro in der Düsseldorfer Innenstadt an der Königsallee. Sein Schreibtisch steht hinten im Geschäft. Zum Interview kurz vor Beginn der Messe ITB bittet er auf die Galerie in einem italienischen Restaurant gleich um die Ecke. Während er antwortet, raucht der einstige Studentenfunktionär an der Kölner Universität eine Handvoll Roth-Händle-Zigaretten.

SZ: Herr Laepple, zur ITB werden 170.000 Besucher erwartet. Schauen sie nur oder reisen sie auch?

Laepple: Der ganz überwiegende Teil wird auch eine Urlaubsreise buchen.

SZ: Dann ist die Krise bald vorbei?

Laepple: 170000 Besucher - und davon allein 100.000 Fachbesucher - ist zwar eine gewaltige Zahl, aber bei acht Millionen Gästen in Berlin im Jahr sollte man sie nicht überschätzen. Wir haben ein hartes Jahr hinter uns und sicher kein leichtes vor uns. Es gibt aber Anzeichen dafür, dass 2011 auch bei uns wieder Normalität einkehrt. Dann werden wir auf den Wachstumspfad zurückfinden, den wir bis einschließlich 2008 hatten.

SZ: Was sind solche Anzeichen?

Laepple: Die Buchungen in den Reisebüros ziehen seit Jahresanfang spürbar an und mehrere jüngste Umfragen bei den Bürgern zeigen eine uneingeschränkte Reiselust der Deutschen auch für 2010.

SZ: Viele sind irritiert durch die ständigen Sonderangebote. Soll man möglichst früh oder möglichst spät buchen?

Laepple: Der Frühbucher kann enorme finanzielle Vorteile für sich herausschlagen. Das können bis zu 30 Prozent gegenüber dem Katalogpreis sein. Die sollte der Kunde nutzen, wenn er bereit ist, sich ein paar Monate im Voraus auf ein bestimmtes Ziel festzulegen. Wer sich erst eine Woche vor der Abreise entscheidet, muss nehmen, was übrig ist.

SZ: Viele Menschen informieren sich im Internet und buchen dort auch ihren Urlaub. Werden Reisebüros überflüssig?

Laepple: Reisende nutzen das Internet als Informationsmedium, buchen aber nach wie vor im Reisebüro. Rund 95 Prozent aller Pauschalreisen buchen die Deutschen im Reisebüro um die Ecke. Das belegen aktuelle Studien. Im Netz gekauft werden die sogenannten einfachen Dinge, also der Direktflug oder eine Zugfahrt. Klassische Urlaubsreisen werden nur sehr begrenzt online gebucht. Wenn doch, handelt es sich oft um ein vermeintlich besonderes Schnäppchen. Doch alles, was im Internet angeboten wird, gibt es in dieser Form auch im Reisebüro, und zwar zum gleichen Preis. Die Veranstalter der Pauschalreisen sind ja identisch. Sie haben sich zu einheitlichen Preisen in allen Vertriebskanälen verpflichtet.

SZ: Viel Beratung ist für Kreuzfahrten gefragt, schon deshalb, weil die meisten Menschen noch keine gemacht haben. Nun laufen 2010 zwölf neue Kreuzfahrtschiffe vom Stapel. Sie müssen gefüllt werden. Entwickelt sich die eher exklusive Kreuzfahrt zur Massenveranstaltung?

Laepple: Das hängt davon ab, was man unter Masse versteht. Die Kreuzfahrt hat gegen alle anderen Trends 2009 noch einmal zugelegt auf über eine Million Teilnehmer bei Hochseekreuzfahrten. Hinzu kommen einige Hunderttausende Teilnehmer bei Flusskreuzfahrten. Das ist eine Erfolgsstory, wie sie die Reiseindustrie in den vergangenen Jahren nirgendwo hatte. Allerdings werden die neuen Schiffe die Marktsituation deutlich verändern. Das Angebot erhöht sich auf einen Schlag so stark, dass noch keineswegs ausgemacht ist, ob die Nachfrage dementsprechend wachsen wird. Es sind ja auch noch weitere Schiffe im Bau.

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"Die Diskussion über Hotel-Mehrwertsteuer überrascht"

SZ: Neuerdings gibt es viel Werbung für Reisen zu tagesaktuellen Preisen. Was halten Sie davon?

Laepple: Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden. Wir können jedem Kunden eine Reise nach seinen Wünschen zusammenstellen. Tagesaktueller Preis heißt ja nicht, dass die Reise unbedingt günstiger ist. Wenn eine Ware knapp ist, steigt der Preis.

SZ: Heftig diskutiert wird die seit Jahresbeginn reduzierte Mehrwertsteuer für Übernachtungen in Hotels. Ist das ein Präsent der Politik oder eher ein Danaer-Geschenk?

Laepple: Ich bin überrascht, wie sehr man sich darüber gewundert hat, dass diese Senkung gekommen ist. Wer vor der Bundestagswahl in die Programme der Parteien CDU und FDP geschaut hat, der wusste, dass dies ein ganz zentraler Bestandteil der Koalitionsvereinbarung sein würde. Die FDP wollte die Mehrwertsteuer auch noch in der Gastronomie verringern, das erschien dem Finanzminister zu teuer. Diesen weiteren Schritt hat man nicht vollzogen, obwohl er sinnvoll gewesen wäre. In Spanien zahlt die Gastronomie fünf Prozent. Wieso haben wir 19 Prozent?

SZ: Stichwort Branchentreff - die großen Reiseveranstalter beteiligen sich seit ein paar Jahren nicht mehr an der weltweit größten Reisemesse. Was machen die Veranstalter der ITB falsch?

Laepple: Von den deutschen Reisekonzernen erwartet man einen großen ITB-Auftritt, und der kostet einen siebenstelligen Betrag. Da habe ich schon ein gewisses Verständnis dafür, dass man eine solche Beteiligung in schwierigen Zeiten überdenkt. Hinzu kommt: Das größte Entsenderland von Touristen hat die größte und internationalste Reisemesse im eigenen Land. Die ausländischen Anbieter müssen hier Flagge zeigen, denn sie umwerben auf der ITB auch den deutschen Kunden.

SZ: Gerät die ITB zur ritualisierten Alle-Jahre-wieder-Veranstaltung?

Laepple: Die Gefahr bestand vor einigen Jahren. Sie ist aber gebannt worden durch den Kongress, der jetzt parallel zur Messe läuft. Da wird eine Bestandsaufnahme gemacht, aber auch in die Zukunft geblickt. Das hat den Wert der ITB ganz deutlich gesteigert.

SZ: Herr Laepple, noch eine persönliche Frage. Sie sind jetzt 70 Jahre alt geworden und gelten als ein Mann der klaren Worte. Die Suche nach einem Nachfolger für Sie als Reise-Präsident erweist sich als schwierig. Machen Sie weiter?

Laepple: Nein, definitiv nicht. Ich habe ja erklärt, dass ich bei der Jahrestagung des DRV Ende November in Marokko nicht mehr zur Wiederwahl zur Verfügung stehe. Da eine ganze Reihe von Kollegen aus dem jetzigen Vorstand wieder kandidieren wollen, sehe ich in jedem Fall die Kontinuität gewahrt. Ich denke, dass wir es schaffen werden, einen guten Nachfolger für mich zu finden.

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