Israels Rolle im Atomstreit mit Iran:Der wütende Dritte

Je näher eine mögliche Einigung im Atomstreit mit Iran rückt, desto lauter ertönen die Warnrufe des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu. Israel befürchtet bei den Gesprächen, international zunehmend isoliert zu werden. Doch Netanjahus Umgang mit US-Außenminister Kerry macht die Sache nicht besser.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Tut man so was unter Freunden: Kommt wutgeladen zu einem Treffen und verweigert sogar den Handschlag? Lässt unmittelbar davor noch einmal kräftig Dampf ab und schwärzt den anderen vor den Journalisten an? Genau so hat Premier Benjamin Netanjahu einem Bericht des israelischen Armeeradios zufolge den amerikanischen Außenminister John Kerry abgefertigt - und das lässt nur einen doppelten Schluss zu: Freunde sind die beiden nicht mehr, und der Streit um den richtigen Kurs gegenüber Iran ist zu einer ernsten Belastung im Verhältnis zwischen den USA und Israel geworden.

Der Zwischenfall vom Freitag wirft nur ein Schlaglicht auf den Konflikt, der sich trotz des vorläufigen Stillstands in den Atomgesprächen in den vergangenen Tagen noch weiter verschärft hat. Denn Israels Regierung geht nicht nur fest davon aus, dass die Amerikaner schnellstmöglich zu einer Einigung mit Iran kommen wollen. Sie ist auch davon überzeugt, dass diese Einigung ein fauler Kompromiss sein wird. Typisch für Präsident Barack Obama eben, mit dem Netanjahu vom ersten Tag an durch ein beiderseits stabiles Mistrauen verbunden ist. Die Konsequenz: Israels Premier und die Seinen machen mobil, und bis zur nächsten Verhandlungsrunde am 20. November dürfen sich die Verbündeten auf ein verbales Sperrfeuer aus Jerusalem einrichten.

Die Offensive begann bereits am Wochenende. Netanjahu telefonierte nicht nur mit Obama, sondern auch noch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem französischen Staatschef François Hollande, dem britischen Premier David Cameron und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. "Ich habe ihnen gesagt, dass das Abkommen, soweit wir es kennen, schlecht und gefährlich ist", verkündete er hinterher im Kabinett. Die Antwort seiner Gesprächspartner hat er dabei unterschlagen, aber wahrscheinlich waren sie auch weniger bedeutsam. Wichtig ist vor allem, was Israel für gefährlich hält - nämlich die Absicht, im Gegenzug für ein sechsmonatiges Einfrieren des iranischen Atomprogramms bereits jetzt einen Teil der Sanktionen zu lockern. Aus Jerusalemer Sicht gäbe die internationale Gemeinschaft damit den entscheidenden Hebel aus der Hand, um die Teheraner Führung zu einem kompletten Stopp ihres militärischen Nuklearprogramms zu bewegen.

Netanjahu sucht nach Verbündeten

Netanjahu sucht nun überall nach Verbündeten, und wenn es gegen Iran geht, kennt er auch keinerlei Berührungsängste mehr. "Es gibt viele, viele arabische Führer in der Region, die sagen, dass dies ein sehr schlechter Handel ist", erklärte er in einem Interview mit dem US-Sender CBS und fügte hinzu: "Wenn die Araber und Israelis mit einer Stimme sprechen, was nicht oft passiert, dann sollte man das beachten." Neben den solchermaßen eingemeindeten Saudis und den Golf-Arabern werden natürlich auch die üblichen Verbündeten eingespannt. In einer Rede in Jerusalem forderte er pro-israelische und jüdische Gruppen weltweit auf, Druck aufzubauen gegen einen unvorteilhaften Kompromiss mit Iran.

Und nicht zuletzt gibt es ja auch in den USA noch Kräfte, die Netanjahu immer wieder schon gegen Obama einzusetzen wusste: die Mitglieder des Kongresses. Wirtschaftsminister Naftali Bennett will noch diese Woche in die USA reisen, um Dutzende Kongressmitglieder in persönlichen Gesprächen davon zu überzeugen, dass "die Sicherheit Israels auf dem Spiel steht".

Falls alles Werben nichts nutzt, dann kann immer noch gedroht werden: Netanjahu ließ bereits wissen, dass er sich an eine Vereinbarung mit Iran nicht gebunden fühlen müsse. "Israel wird alles tun, was zu seiner Verteidigung und der Sicherheit seiner Bevölkerung nötig ist", sagte er in diesem Zusammenhang. Noch deutlicher wurde Vize-Verteidigungsminister Danny Danon: "Wenn wir keine Wahl haben, wird Israel handeln", erklärte er, "für so etwas haben wir eine Luftwaffe geschaffen."

Diplomatisches Geschick ist gefragt

Realpolitisch ist es kaum vorstellbar, dass Israel die laufenden Verhandlungen mit einem Militärschlag gegen iranische Atomanlagen torpediert. Doch allein die Drohung macht der US-Regierung das Geschäft nicht leichter. Denn ihr diplomatisches Geschick muss sie nun nicht nur im Umgang mit dem alten Gegner Iran beweisen, sondern auch mit dem engsten Verbündeten Israel. Außenminister Kerry konnte sich zumindest die Spitze nicht verkneifen, dass Israels Kritik voreilig sei. Er sei nicht sicher, ob Netanjahu schon alle Details einer Einigung mit Iran kenne, solange es die noch gar nicht gebe. "Wir sind nicht blind, und ich glaube auch nicht, dass wir dumm sind", ließ er überdies wissen.

Zur Beruhigung der Gemüter wurde eine hochrangige US-Delegation eiligst nach Jerusalem entsandt, angeführt von Wendy Sherman, die im Außenministerium mit der Causa Iran befasst ist. Sie soll die Botschaft überbringen, dass in jedem Falle die wichtigsten Sanktionen, die das Ölgeschäft und Bankwesen betreffen, weiter in Kraft bleiben. Doch das dürfte die Wogen kaum glätten. Inzwischen hat sich sogar Präsident Schimon Peres eingeschaltet. "Die USA sind unser bester Freund, und ihre Freundschaft zu uns ist tief und bedeutsam", erklärte er. Doch wenn das Staatsoberhaupt dies so betonen muss, dann scheint der Konflikt wirklich ernst zu sein.

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