Verteidigungsminister Thomas de Maizière:Wieder im Spiel

Koalitionsverhandlungen von Union und SPD

Verhandelt, als wäre nichts gewesen: Minister Thomas de Maizière.

(Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

In der "Euro Hawk"-Affäre wirkte Thomas de Maizière wie ein Minister auf Abruf. Doch seine Aussichten darauf, Verteidigungsminister zu bleiben, haben sich gebessert - und das nicht nur mangels Alternativen.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Am Ende sollte Thomas de Maizière noch etwas zur Arbeitsatmosphäre sagen, zu Fortschritten und zum Stand der Verhandlungen. Er sagte: "Wenn wir das hier nicht hinkriegten, fachlich und menschlich, dann kriegen andere das erst recht nicht hin." Da konnte Frank-Walter Steinmeier sich nur anschließen: "Das ist ein wunderbares Schlusswort."

Am Freitag vergangener Woche war das, der geschäftsführende Verteidigungsminister von der CDU stand mit dem SPD-Fraktionschef vor der Presse, gerade war eine weitere Runde der Koalitionsverhandlungen zu Ende gegangen, genauer: der Arbeitsgruppe für Auswärtiges, Verteidigung, Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte. Was de Maizière zur Konstruktivität der Gruppe zu sagen hatte, leuchtete ein: Er und Steinmeier, das musste ja zusammenpassen, Aktenfresser der eine wie der andere, detailversessen, Männer der Administration durch und durch, von preußischer Disziplin. . . Moment mal. War da nicht was? Doch, da war was.

Es ist noch nicht lange her, da wollte für den Verteidigungsminister kaum noch jemand solche Zuschreibungen verwenden. Stattdessen hatte sich der zuvor medial als eine Art Ersatzkanzler gehandelte de Maizière bei der Erklärung des Debakels mit der Aufklärungsdrohne Euro Hawk in derart viele Widersprüche verstrickt, dass nicht mehr nur Hinterbänkler der Opposition einen Rücktritt für angemessen gehalten hätten. Dabei ging es kaum noch um das geplatzte Projekt an sich, sondern vor allem um die Frage, wann de Maizière von dessen gravierenden Problemen wusste.

Hier hatte er sich mit der Behauptung, erst ganz am Schluss davon erfahren zu haben, zu weit aus dem Fenster gelehnt. Doch er blieb, allen Anwürfen zum Trotz, im Amt - und nach seinem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss Ende Juli war die Sache erst mal ausgestanden. Das Bild des untadeligen Staatsdieners aber war dahin. Und nun? Verhandelt de Maizière mit SPD und CSU über sein Fachgebiet, als wäre nichts gewesen. Und könnte am Ende sogar sein Ministerium behalten.

Das ist zwar überhaupt nicht ausgemacht, doch es ist auch nicht ganz unwahrscheinlich, und allein das ist nach der Affäre erstaunlich genug. Auf deren Höhepunkt waren viele in Berlin überzeugt, dass die Kanzlerin de Maizière zwar bis zur Wahl stützen wolle, aber kaum darüber hinaus. Auch für den Posten des Nato-Generalsekretärs wurde sein Name gehandelt, und es ist tatsächlich keineswegs gesagt, dass er sein Amt behält. Aber er selbst erweckt, auch wenn er zu solchen Fragen derzeit schweigt, den Eindruck, dass er das will.

Zumindest registrierten die SPD-Unterhändler am Freitag vergangener Woche genau, mit welcher Akribie de Maizière sich auch einzelnen Formulierungen widmete. Auf der Tagesordnung standen wesentliche Teile der Verteidigungspolitik, etwa die Bundeswehrreform, und von sozialdemokratischer Seite wurde hinterher berichtet, da habe einer offensichtlich im Bewusstsein verhandelt, das alles hinterher auch verantworten und umsetzen zu müssen. Solche Einschätzungen muss man zwar immer ein bisschen mit Vorsicht genießen, schließlich sagen umgekehrt Unionsleute über Steinmeier, der rede wie der frühere und künftige Außenminister. Beide verstehen einfach einiges von ihrem jeweiligen Thema. Trotzdem spricht auch noch mehr dafür, dass de Maizière wieder Verteidigungsminister werden könnte.

"Mit diesem Ministerium ist doch kein Blumentopf zu gewinnen"

Da ist vor allem die Gegenfrage: Wer sollte es denn sonst werden? Zwar wird immer wieder berichtet, SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks hege Ambitionen, doch ansonsten hält sich die Zahl der sozialdemokratischen Interessenten in sehr engen Grenzen. Ein SPD-Mitglied der Verhandlungsgruppe Außen und Verteidigung sagt: "Ob wir uns mit Auslandseinsätzen, der Bundeswehrreform und Drohneneinsätzen profilieren könnten, wage ich zu bezweifeln. Mit diesem Ministerium ist doch kein Blumentopf zu gewinnen." Zudem lauern überall neue Probleme mit Rüstungsprojekten. So musste de Maizière kürzlich berichten, dass der Schützenpanzer Puma, den man der Truppe eigentlich recht bald zur Verfügung stellen will, noch bei weitem nicht das hält, was man sich von ihm versprochen hat. Auch um das Sturmgewehr G 36 gibt es ständig Ärger.

Auf Seiten der Union wiederum hat sich niemand als Nachfolger aufgedrängt. Damit sie das Ministerium besetzen kann, müsste die SPD das Auswärtige Amt übernehmen - so funktioniert die sogenannte Spiegelung von Ressorts, nach der auch Ministerien wie die für Inneres und Justiz auf verschiedene Seiten verteilt werden.

In der Arbeitsgruppe jedenfalls ging es bislang zügig voran, de Maizière schätzte Ende vergangener Woche, man sei zu drei Vierteln durch - wobei man womöglich noch schneller sein könnte, aber wohl nicht den Eindruck erwecken will, man sei sich allzu schnell einig geworden. Selbst beim vorher so umstrittenen Thema Drohnen deutet sich eine Einigung an. So könnten sich Union und SPD laut Verhandlungskreisen wohl darauf verständigen, sich gemeinsam für die Entwicklung einer europäischen Drohne auszusprechen - und damit den Streit darüber, ob sie bewaffnet sein soll oder nicht, noch ein bisschen aufschieben.

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