Bambi-Verleihung in Berlin:"Das war der Echo"

Verblüffend: Miley Cyrus ist eine echte Sängerin, Andrea Berg muss weinen. Pep Guardiola und Bill Gates werden auf dem roten Teppich verschmäht, weil kleine Männer wie Robbie Williams oder Oliver Pocher ihnen den Rang ablaufen. Und zum Schluss verhaspelt sich auch noch die perfektionierteste aller Entertainerinnen. Das war - dann doch - der Bambi.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Üblicherweise ist der Bambi eine gähnend lahme Veranstaltung. Untote des Showgeschäfts übergeben güldene Statuetten an Kollegen, die mal noch nicht ganz so untot, mal noch viel untoter sind. Selbstbeweihräucherung, die die Außenwelt nicht braucht. So lauteten - in aller gebotenen Kürze - bisherige Kritiken der alljährlichen Bambi-Verleihung im TV. Und sie lagen damit meist nicht allzu daneben. Trotzdem ist der Bambi nicht totzukriegen und gewinnt eher noch an Bedeutung. Deshalb: ein Besuch in Berlin, wo der Bambi zum 65. Mal verliehen wird. Ist so eine Preisverleihung spannender, wenn man selbst dabei ist?

In der Tat. Das liegt unter anderem daran, dass man einzelne Stars und solche, die dafür gehalten werden, hier in ihrem ureigenstem Lebensraum besichtigen kann, für den nicht wenige von ihnen allerlei Qualen auf sich nehmen: auf dem roten Teppich. Allein schon die Studie darüber, wer sich wie den Fans hinter den Absperrgittern gegenüber verhält, könnte ganze Seiten füllen.

Wie Promis um die Gunst der Fans buhlen

Geiger und Schönling David Garrett kommt früh, um sich ausgiebig um fast jeden einzelnen vor allem weiblichen Fan zu kümmern, und sei dieser noch so weit vom Eingang des Stage Theatre am Potsdamer Platz entfernt, wo Garrett eigentlich einlaufen soll. Im Gegensatz zu allen anderen Promis kümmern er und Oliver Pocher - der sich sogar noch mehr Mühe gibt, den Fans gerecht zu werden, unter anderem, indem er auf ein VIP-Auto springt - sich auch um ein Groupie im Rollstuhl.

Der dritte Blondschopf an diesem Abend, der die beiden sogar noch toppt im Rennen um die Gunst der in der Kälte wartenden Fans, ist Matthias Schweighöfer. Er trägt zum schwarzen Anzug Turnschuhe, um noch schneller zwischen den Fankurven in einem Affenzahn hin und her sprinten zu können. Um nach einer halben Stunde, man glaubt ihn schon längst im Bambi-Saal, noch einmal im Dauerlauf herausgerannt zu kommen, um weit hinter der Absperrung einen einzelnen Fan zu umarmen. Die hinter den Gittern in der Kälte Wartenden danken es ihm mit Jubelchören - ihn kennen hier auch alle. Schließlich ist er ein Berliner. Anbiederei auf beiden Seiten.

Wer wem den Rang abläuft

Den schmalen, bebrillten Mann mit dem schüchternen Lächeln hingegen beachtet kein einziger: Bill Gates hat das Pech, gleich nach Robbie Williams aus der Limousine zu steigen. Da hat er keine Chance, auch nur irgendeine Art von Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen - geschweige denn, als reichster Mann der Welt im Schatten des Entertainers auch nur erkannt zu werden. Ähnlich ergeht es Pep Guardiola. Normalerweise muss sich der FC-Bayern-Trainer in der Öffentlichkeit nicht gerade über fehlende Aufmerksamkeit beschweren. Hier allerdings laufen ihm andere den Rang ab - Pep läuft erstaunt und völlig unbehelligt über den roten Teppich.

Absoluter Höhepunkt für die Berliner Fans: Miley Cyrus. Vor ihrem kürzlichen Fast-nackt-Auftritt bei den MTV Awards hätten viele hier wohl kaum gewusst, wer sie ist. Doch jetzt ist alles anders. Die Presse hatte seit Tagen darüber spekuliert, welche Art von "Skandal" sich der ehemalige Teenie-Star wohl diesmal leisten würde. Und die hysterischen Schreie, die sind bei weitem am lautesten und längsten, als sie aus dem Wagen steigt - und ausgiebig Autogramme gibt. Entgegen allen Erwartungen: im eleganten schwarzen Abendkleid. Sie sieht darin sogar gediegener aus als Victoria Beckham, die den Bambi für ihre Designkünste entgegennimmt, dafür aber in ihrer Eigenkreation kaum laufen kann.

Später auf der Bühne wird Miley Cyrus das Kleid gegen ein neongelbes Outfit mit bauchfreiem Top und Hotpants getauscht haben, die Schultern verstärkt. Und siehe da: Miley Cyrus kann richtig singen. Ihr Auftritt wird an diesem Abend der einzige sein, der musikalisch von Weltrang ist. Das hätte man so auch nicht erwartet.

Ein bisschen mehr Schwung

Ebenfalls im schultergestärkten Outfit erscheint Helene Fischer. Der aktuelle Superstar des deutschen Schlagers huscht auf dem roten Teppich noch zierlich in schillerndem Mausgrau zwischen den Kameras hindurch, um als Sängerin später in glitzerndem Feuerrot zu erscheinen und als Moderatorin in strahlendem Weiß mit üppigem Ausschnitt. Als Letztere verhaspelt sie sich leider ganz zum Schluss: "Meine Damen und Herren, das war der Echo 2013", werden die letzten Worte der live übertragenen Veranstaltung sein. Doch nach drei Stunden Show und einem Lebenswerk-Bambi für Udo Jürgens fällt das kaum noch jemandem auf. Ausgerechnet ihr, dem perfektinoniertesten aller Schlagersternchen, wird dieser kleine Fauxpas weniger egal sein als dem Publikum.

Weniger perfekt, dafür nicht minder erfolgreich ist eine Kollegin, der man das von außen so wohl nie zugetraut hätte: Andrea Berg, ebenfalls Schlagerstar, ebenfalls mit einem Bambi geehrt, ist allerdings nun schon so lange im Geschäft und dabei so unglaublich hartnäckig, dass ihre Fans gar nicht mehr anders können, als sie mit zehn Millionen verkauften Platten zur absoluten Königin der Schlagerwelt zu machen. Auf der Bühne trägt sie anstelle der üblichen schwarzen Lederstiefel ein romantisches blaues Kleid, das ihr ihre Plattenfirma spendiert hat und das auch viel besser zu ihrem Herzschmerz-Song passt. Dazu weint sie gleich mehrfach - unter anderem vor Rührung über den Preis.

Im Saal herrscht Konsenslaune

Doch auch für Nicht-Schlager-Fans hat der Bambi ein paar Preisträger parat, insgesamt sind es 17 an der Zahl. Das Gegenteil von heiler Welt lieferten Cindy aus Marzahn mit einem rührend unappetitlichen Auftritt und Olaf Schubert mit einem schreiend komischen Abriss über Kindererziehung. Leider bekam den Preis für die beste Comedy-Darstellung, im Netz abgestimmt von den Zuschauern und schön beißend moderiert von Barbara Schöneberger (die auch nicht vor Witzen auf Kosten Anwesender zurückschreckt), dann doch Puppenspieler Sascha Grammel. Mit einer eher unlustigen Bauchredner-Nummer, über die aber dann auch Hannah Herzsprung im Publikum herzlich lachen konnte. Schräger Humor ist eben weniger konsensfähig als derjenige, der niemandem wehtut.

Überhaupt ist der Bambi ausgerichtet am ganz großen Konsens, an möglichst massenkompatiblen Messages und Stars. Deshalb wurde auch unter anderem diesmal der Erfinder des "Tatort" ausgezeichnet, Gunther Witte. Zu einem Zeitpunkt, da es kaum noch eine Stadt in Deutschland gibt, auf die nicht irgendwelche neuen Ermittler gehetzt würden, da hat Bambi gemerkt, dass es sich doch um eine ganz passable Serie handeln muss. Bravo.

Immerhin: Nadja Uhl bekam den Bambi als beste Schauspielerin für ihren Film über Kinderprostitution ("Operation Zucker") und Tom Schilling wurde einmal mehr für "Oh Boy" geehrt, außerdem für "Unsere Mütter, unsere Väter" mit dem Bambi für den besten Hauptdarsteller. Schilling ist ohne Frage einer der herausragendsten Schauspieler des deutschen Films. Das ist er allerdings schon seit mindestens zehn Jahren. Merkwürdig, dass er ausgerechnet in diesem Jahr, wo er auch schon mit dem Deutschen und dem Bayerischen Filmpreis sowie dem Bayerischen Fernsehpreis geehrt wurde, auch noch den Bambi erhalten muss. Schließlich hätten mit Heino Ferch und Sebastian Koch durchaus weitere würdige Preisträger zur Auswahl gestanden. Schilling sah das ähnlich und entschuldigte sich in seiner Dankesrede fast dafür, Schauspieler geworden zu sein. Seine Mutter habe ihn dazu gedrängt.

Die Party danach

Nach der Show feierten die Bambi-Gäste die "Nacht der Stars" - aber nicht allzu lange. Denn Interviews waren nur bis kurz vor eins erlaubt, und danach machten sich mit den Journalisten auch die meisten Stars und Sternchen auf den Heimweg. Danach konnte dann die richtige Party starten - auf der Tanzfläche. Zwar ohne "Stars", höchstens noch ein Guido Cantz schob sich discofoxmäßig übers Parkett. Doch die anderen Arbeiter rund um den Bambi, die Filmproduzenten, Tontechniker und anderweitig Eingeladene, ließen im Glitzerfummel und schwarzen Smoking noch bis tief in die Nacht die Party-Luzie raus. Und weil eben in Berlin, trug so manche Filmarbeiterin dieselbe Frisur wie Miley Cyrus - mit dem Unterschied, dass man sie hier im Gegensatz zu Miley schon seit zehn Jahren trägt.

Fazit: Der diesjährige Bambi war doch tatsächlich etwas spannender als sonst, auch für die Fernsehzuschauer. Das lag unter anderem an einem prima gelaunten Robbie Williams, dem die grauen Haare gut zu Gesichte stehen, und der mit seinem Swing doch tatsächlich für mehr Schwung sorgte. Am Ende versprach er allen, die seine neue Platte kaufen würden, frech, er werde sie alle glücklich machen - und schwanger. Noch ein bisschen weniger Konsens und noch ein wenig mehr Esprit à la Schöneberger - und aus dem Bambi könnte glatt noch eine abendfüllende Veranstaltung werden.

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