Erderwärmung:Klimawandel ohne Pause

Der bisherigen Datenlage zufolge hat sich die Erde in den vergangenen Jahren nicht erwärmt. Doch dieses Bild hängt womöglich mit fehlenden Daten aus der Arktis zusammen. Und dort scheint die Temperatur sogar deutlich stärker zu steigen als im globalen Durchschnitt.

Von Christopher Schrader

Fehlende Temperaturdaten aus der Arktis erklären womöglich, warum sich die Erde in den vergangenen Jahren weniger erwärmt zu haben scheint als erwartet.

Laut Weltklimarat IPCC sind die globalen Temperaturen seit 1998 um 0,05 Grad Celsius pro Dekade gestiegen, über die gesamte Zeit seit 1951 aber um 0,12 Grad pro Dekade. Das Gremium stützt sich dabei auf Daten, die die britische Wetterbehörde Met Office und ihr amerikanisches Pendant Noaa seit Jahrzehnten in aller Welt zusammentragen.

Diese Messungen haben große Lücken: Insgesamt ein Sechstel der Welt ist nicht abgedeckt. Vor allem in der Arktis gibt es nicht genügend Thermometer, sie erwärmt sich aber allen Anzeichen zufolge deutlich schneller als der Rest des Planeten. Ein englischer und ein kanadischer Forscher zeigen jetzt, wie diese Lücke mit geschätzten Werten geschlossen werden kann - und dass die angebliche Erwärmungspause dann fast verschwindet.

Kevin Cowtan von der Universität York und Robert Way von der University of Ottawa berufen sich auf Satellitendaten. Die Späher aus dem All fliegen auch über die Arktis, messen aber nicht die benötigten Temperaturen am Boden, sondern in einiger Höhe, wo es in der Regel kälter ist. Die beiden Wissenschaftler haben darum zunächst überall dort, wo es ging, die Differenz zwischen Satelliten- und Bodentemperatur berechnet. Dann haben sie aus diesen Zahlenwerten abgeleitet, wie sehr in der Arktis die beiden Resultate voneinander abweichen könnten, um welchen Betrag sie also dort die Satellitendaten korrigieren müssten.

Das statistische Verfahren, das die Forscher angewandt haben, heißt nach seinem Erfinder Kriging und gilt als optimale Methode, solche Datenlücken zu schließen. Es stammt zwar aus den Geowissenschaften, ist aber schon in anerkannten Klimastudien verwendet worden. Um zu testen, was ihre Methode taugt, haben Cowtan und Way künstliche Lücken im Temperaturdatensatz erzeugt. Danach konnten sie vergleichen, wie sehr rekonstruierte und reale Daten abwichen. Ihr Umweg über die Satellitenmessungen lieferte deutlich bessere Resultate als andere Verfahren, die Lücken zu füllen: Die Nasa zum Beispiel schreibt der ganzen Arktis die Temperaturen zu, die an ihrem Rand herrschen.

So kamen Cowtan und Way am Ende zum Ergebnis, dass sich die Arktis achtmal so schnell erwärmt wie der Rest des Planeten; bisher hatte man eher von einem dreifachen Überschuss gesprochen. Ergänzt man den Datensatz entsprechend, kommt eine globale Erwärmung von 0,12 Grad pro Dekade heraus - exakt das, was der IPCC als Trend seit 1951 benannt hatte (Quarterly Journal of the Royal Meteorological Society, online).

Das Verfahren ist allerdings zu kompliziert, um sofort überall Anerkennung zu finden. Zweifel werden bei vielen wohl dadurch geweckt, dass die beiden Autoren keine Namen in der Klimaforschung haben. Kevin Cowtan ist theoretischer Physiker und Computerspezialist im Chemie-Department seiner Universität. Robert Way sitzt noch an seiner Doktorarbeit.

Das Team hat aber seine Zahlen und Verfahren für jeden Interessierten offengelegt. "Kein schwieriges wissenschaftliches Problem wird jemals von einer einzelnen Studie gelöst", sagt Cowtan. "Ich erwarte nicht, dass wir das letzte Wort haben, aber ich hoffe, dass wir die Diskussion voranbringen."

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