Geheimer Krieg:Agenten der Lüfte

Spies Released By Russia In Trade Arrive In Washington DC

Die Jets von Vision Airlines fliegen selten so leicht identifizierbar im Auftrag der CIA um die Welt. Im Juli 2010 allerdings schon. Eine Maschine steht nach einem Agentenaustausch auf dem Washington Dulles International Airport in Chantilly, Virginia

(Foto: AFP)

Prostituierte, gepanschtes Kerosin und Verschleppungen von Gefangenen: Wenn ein früherer CIA-Pilot ins Plaudern kommt, hört man von dubiosen Geheimdienstaktionen. Wie die Amerikaner Flughäfen in Deutschland nutzen.

Von John Goetz, Christopher Keil und Hans Leyendecker

Piloten haben die Welt gesehen, sie kommen rum. Piloten, die für die CIA fliegen, haben mehr gesehen - auch den Schmutz in der Welt.

Der Pilot, der in einem Hotel in Osteuropa über seine Zeit in Deutschland und die Geheimflüge der CIA spricht, die in Frankfurt begannen, ist ein Veteran. Er wurde von der CIA ausgebildet und nicht von der Air Force wie die meisten Kollegen. Das muss vor vierzig Jahren gewesen sein. Er ist erfahren, und er hat sich gut gehalten: Anfang 60, groß, schlank, lässig, nur die Gesichtszüge sind ein bisschen wächsern. Er ist ein Kerl, der schon verdammt lange dabei ist und die Spielregeln kennt: keinen Namen, ansonsten ist alles frei.

Die lustigste Geschichte?

Die mit den Prostituierten im Frankfurter Sheraton-Hotel am Flughafen, die "von der amerikanischen Regierung bezahlt wurden". Das war irgendwann 2006, als die damals von der CIA angeheuerte Vision Airlines von Frankfurt aus in einem "Air Bridge Program" viele Flüge in den Mittleren Osten machte. Einer der Bosse hatte die Prostituierten für die Männer von Vision geordert. Die hohe Rechnung wurde erst nach Las Vegas geschickt, wo die Firma ihren Sitz hat, und landete dann bei der Computer Sciences Corporation (CSC). Das Unternehmen aus Virginia ist einer der wichtigsten Vertragspartner der US-Regierung für geheimdienstliche Einsätze und hat, wie in dieser Serie schon geschildert, auch reichlich heikle Aufträge der Bundesregierung übernommen. Aber jede große Firma hat Buchhalter.

Die Buchhalter der CSC, erzählt der Pilot, hätten auf gängige Richtlinien für Reisekosten hingewiesen. Prostituierte waren da nicht vorgesehen. Die von Vision Airlines haben wohl nur gelacht. Bezahlt habe am Ende der amerikanische Steuerzahler.

Die unangenehmste Geschichte?

Vielleicht die mit dem Treibstoff in Kabul. Vision Airlines unterhielt seit Mai 2005 eine Art Shuttle von Frankfurt nach Bagdad und Kabul, erzählt der Pilot. Zwei- bis viermal wöchentlich hoben umgebaute Maschinen des Typs Boeing737 nach Afghanistan und in den Irak ab. "In Kabul war das Kerosin gepanscht." Im Irak war der Treibstoff wesentlich besser, denn er stammte von der irakischen Luftwaffe. Vision Airlines habe dort "gerne getankt - und nie bezahlt".

Gefangene und schwarzgekleidete Agenten

Episoden aus der Luft handeln normalerweise vom Durchstarten beim Anflug oder auch von merkwürdigen Zwischenfällen über den Wolken. Die Geschichten von Piloten, die im Auftrag der CIA unterwegs sind, handeln gelegentlich von Gefangenen, die bei der Landung nicht klatschen können, weil ihre Hände gefesselt sind. Oder von schwarzgekleideten Agenten einer Firma, die im Feindesland abgesetzt wurden, von schweren Kisten an Bord mit Gerät. Besonders schwere Waffen?

Im Bundestag und in einem BND-Untersuchungsausschuss haben sich die Parlamentarier in den vergangenen Jahren immer wieder auch mit CIA-Flügen beschäftigt. Im Ergebnis standen Zahlen, aber keine Haltung. Zwischen September 2001 und April 2005, rechnete man aus, seien 367 Flüge im deutschen Luftraum durchgeführt worden, die der CIA zugeordnet werden könnten. Die Identität der Passagiere sei nicht feststellbar gewesen. 309-mal seien Maschinen in Frankfurt, 24-mal in Ramstein gelandet, 33-mal sei der deutsche Luftraum nur überflogen worden.

Was ist da alles passiert?

Die allermeisten Flüge waren als "General Aviation" (Allgemeine Luftfahrt) deklariert und damit nicht erlaubnispflichtig. Was da alles passiert sei? Keine Ahnung. "Der Bundesnachrichtendienst hat sich nie als eine Instanz verstanden, die den engsten Verbündeten der Bundesrepublik überwacht", erklärte ein BND-Oberer vor dem BND-Untersuchungsausschuss.

Auch der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) war gegen Nachforschungen seiner Behörde, weil die strafrechtlichen Ermittlungen bessere Aufklärungsmöglichkeiten böten. Doch Staatsanwälte, die ermitteln wollten, liefen in Berlin gegen eine Gummiwand. Anträge auf Rechtshilfeersuchen wurden von der Regierung mit Chuzpe verhindert. Es gab nur ein paar informelle diplomatische Anfragen an die Amerikaner, die nichts brachten. Man tut ja seine Pflicht.

Mindestens in zwei Fällen, das steht fest, hat die CIA über deutschem Staatsgebiet Gefangene verschleppt. 2001 wurden zwei in Schweden entführte Verdächtige über Deutschland nach Kairo geflogen. Was hätte man da schon machen können? Im Februar 2003 allerdings wurde ein in Mailand von mehr als zwanzig CIA-Agenten gekidnappter Imam in Ramstein umgeladen, nach Ägypten verschleppt und gefoltert. Da hätte man was machen müssen.

Von der Regierung ausgebremst

Die Staatsanwaltschaft in Zweibrücken wollte etwas machen. Sie leitete gegen unbekannt ein Strafverfahren wegen Freiheitsberaubung und Nötigung ein, wurde von der Regierung ausgebremst. Noch heute ärgern sich die Strafverfolger darüber, dass sie an ordentlichen Ermittlungen mehr oder weniger gehindert wurden, während die Kollegen in Mailand die CIA-Agenten in Abwesenheit anklagten. Die CIA-Leute wurden verurteilt.

Deutschland war bei der Mailand-Operation eine wichtige Basis gewesen, das Sheraton-Hotel am Flughafen ein Sammelpunkt. Einige Spione waren über Deutschland nach Italien gefahren, andere zogen über Deutschland wieder in die USA ab.

Die CIA-Agentin Anne Jenkins beispielsweise, die das Opfer ausgespäht haben soll, gab ihren in Mailand gemieteten Wagen in Frankfurt ab und übernachtete im Sheraton-Hotel am Flughafen. Ihre Kollegin Cynthia Logan zählte zu der Einheit, die den Menschenraub organisierte. Auch sie stieg im Sheraton ab.

Über 26 deutsche Anschlüsse liefen Kontakte zu den Kidnappern oder Helfern. Siebenmal wurden sie von einer Nummer auf der Air Base in Ramstein angerufen, einmal von einer Nummer auf der Air Base in Frankfurt und einer Spedition in Frankfurt, vermutlich einer CIA-Tarnfirma. Und eine Firma, die als Rechnungsanschrift die Adresse des US-Generalkonsulats in Frankfurt angibt, war auch darunter.

Was der Pilot noch so weiß

Was weiß der Pilot über die Aktivitäten der US-Dienste in Deutschland? Natürlich kennt er das amerikanische Generalkonsulat in Frankfurt ziemlich gut, das in die Gebäude eines ehemaligen katholischen Hospitals gezogen war: "Die haben gedacht, wir fliegen Gefangenentransporte" - also Menschen, die in ein US-Geheimgefängnis geflogen wurden, um dort oft auch gefoltert zu werden. Vision Airlines, erklärt er, habe zwei Verträge gehabt. Beide seien über CSC abgewickelt worden. Bei dem einen sei es tatsächlich um Gefangenentransporte gegangen, in dem anderen sei das Air Bridge Program geregelt worden. Vision Airlines kassierte dafür Hunderte Millionen Dollar.

"Nach August 2005 flogen wir keine Renditions mehr", beteuert der Pilot. Über Frankfurt sei nur der Pendelverkehr nach Kabul und Bagdad abgewickelt worden. Wohl schon im Herbst 2006 zog Vision Airlines mit dem Air Bridge Program erst nach Washington um, dann nach Kopenhagen und Bukarest. 2011 endete die Luftbrücken-Kooperation mit der CIA.

Tarnung geht anders

Fliegergeschichten. Es war eine sehr spezielle Truppe, die da im Einsatz war. Manche trugen Cargohosen, manche Wüstenstiefel und Caps. Sie waren schlampig gekleidet und sprachen ein auffällig breites Englisch. Tarnung geht anders. Auch die Vision Airlines-Mitarbeiter versteckten sich nicht. Weil die Firma 21 Millionen Dollar an Gefahrenzulagen zwischen 2005 und 2009 unterschlug (in Kabul und Bagdad war bei jedem Start und jeder Landung mit Raketenbeschuss zu rechnen), reichten 175 Ex-Piloten und Flugbegleiter Klagen ein. Ihnen wurden fast fünf Millionen Dollar an Entschädigung zugesprochen.

Manchmal hatte es auch in Deutschland Probleme gegeben. Als Vision Airlines ausstehende Stand- und Handlinggebühren in erheblicher Höhe nicht zahlen wollte, berichtet der Pilot, soll ein Fraport-Mitarbeiter gedroht haben: Jetzt sei Schluss, die Jets blieben am Boden. Nach einem Krisengespräch mit dem US-Generalkonsulat wurde der Betrag umgehend überwiesen.

In der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung und in der SZ-Digital-App auf iPhone, iPad, Android und Windows 8: Der neunte Teil der Serie "Der geheime Krieg - die Beschlüsse des US-Geheimgerichts FISC und was sie über die NSA verraten".

Eine interaktive Karte und multimedial aufbereitete Artikel unter: www.geheimerkrieg.de

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