Peer Steinbrück auf SZ-Führungstreffen 2013:Dann muss Helmut Schmidt noch mal ran

Scheitert eine Koalition mit der Union an den SPD-Mitgliedern? Peer Steinbrück wird ganz bange, wenn er sich das vorstellen muss. An Selbstbewusstsein aber hat der Ex-Kanzlerkandidat trotz seiner Wahlniederlage nichts eingebüßt. Auf die Frage, ob er der richtige Kandidat gewesen sein, hat er eine klare Antwort.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es war ja nur ein Scherz. Aber einer, der so manchem Genossen einen Schreck in die Glieder fahren lassen dürfte. Was ist eigentlich, wenn die Mitglieder der SPD den möglichen Koalitionsvertrag mit der Union ablehnen? Peer Steinbrück sitzt auf dem Podium des Führungstreffens der Süddeutschen Zeitung im Berliner Hotel Adlon. Seine Antwort kommt prompt und ist kurz und präzise: "Ein Desaster!"

Ob er das mal ausführen möchte, fragt SZ-Chefredakteur Kurt Kister nach. Jetzt überlegt Steinbrück. Wahrscheinlich, ob er die Frage nicht besser umschiffen sollte. Macht er aber nicht. Der SPD-Mann entscheidet sich für einen Scherz: "Sagen wir so: Dann müsste Helmut Schmidt noch mal antreten."

Steinbrück erntet dafür Lacher aus dem Saal, doch der Ernst der Lage für die SPD wird in diesem Moment deutlich. Wenn sich Sozialdemokraten und Union in der kommenden Woche auf einen Koalitionsvertrag einigen, ihn die SPD-Mitglieder aber ablehnen, dann ist die bisherige SPD-Spitze wohl passé. Die Zustimmung, das weiß die Parteiführung, ist noch lange nicht sicher. Oder, wie Steinbrück jüngst der Zeit sagte: "Der Fisch ist noch nicht gebürstet."

Es ist nicht so, dass Steinbrück die große Koalition verteidigen würde. Er wollte sie schon im Wahlkampf nicht. Ob die große Koalition erfolgreich werde, hänge nicht vom Koalitionsvertrag ab, sagt er an diesem Vormittag. Sondern davon, ob sie in der Lage sei, die großen Reformen anzugehen.

Seine Kernthemen sind andere als die der Koalition

Steinbrücks Kernthemen heißen Europa, demografischer Wandel, bezahlbare Energiesicherung, digitale Revolution. Alles Themen, die nach bisherigem Stand im kommenden Koalitionsvertrag nicht die allergrößte Rolle spielen werden.

Der Mindestlohn taucht auf Steinbrücks Liste nicht auf. Auch wenn er ihn als Kanzler sicher ebenfalls durchgesetzt hätte. Dafür verteidigt er die Forderung nach Steuererhöhungen. Die Investitionsquote in Deutschland sei zu gering. Es sei eine "Lebenslüge" zu glauben, dass vor dem Hintergrund der Defizite in Bildung und Infrastruktur die Ablehnung von Steuerhöhungen aufrechtzuerhalten ist.

Steinbrück hat für Rot-Grün gekämpft. Und ist dabei gescheitert. Mit schwachen 25,7 Prozent ist die SPD aus der Wahl herausgekommen. Ein Ergebnis, für das nicht wenige Steinbrück verantwortlich machen. Vortragshonorare, Kanzlergehalt, Stinkefinger im SZ-Magazin. Die Liste der Irritationen, die Steinbrück hinterlassen hat, ist lang.

Der richtige Kandidat? "Selbstverständlich!"

Kister fragt: "Waren Sie der richtige Kandidat?" Steinbrück zögert nicht eine Sekunde: "Selbstverständlich!" Und setzt hinterher: "Wer denn sonst, Herr Kister?" Steinbrück grinst.

Statt selbstkritischer Bemerkungen gibt er lieber den SPD-Funktionären noch einen mit. Parteiaktivitas nennt er sie, weil ohne sie keine Organisationsstruktur und Kampagnenfähigkeit aufzubauen ist. Aber die Funktionäre folgten "einer eigenen Logik", sagt Steinbrück. Sie lebten von der "Bestätigung durch sich selbst". Ihnen sei die Bestätigung durch die Partei wichtiger als "die Begegnung mit den Wählerinnen und Wählern".

Das erinnert doch wieder stark an den alten Steinbrück, der seine Parteifreunde auch schon mal als "Heulsusen" bezeichnete.

Kein Ministerposten

Die Wahlniederlage sei vor allem der fehlenden Wechselstimmung zuzuschreiben, lässt Steinbrück durchblicken. Und deshalb geht es jetzt eben in die große Koalition. Ohne ihn. Obwohl er hier im Adlon - dem Applaus nach zu urteilen - aus dem Stand eine 99,9-Prozent-Mehrheit hätte, die ihn wieder als Finanzminister unter Merkel sehen möchte.

Darauf angesprochen, winkt Steinbrück ab. "Irgendwann muss man für sich entscheiden, dass ein Deckel auf den Topf muss." Das sei auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Er könne nicht nach der Wahl etwas anderes als vorher sagen.

Natürlich nage die Wahlniederlage an ihm, sagt er. Aber "meine Seelenlage ist ganz stabil. Auch schon am Wahlabend." Er sei jetzt befreiter. Habe mehr Zeit. Und könne offener reden. Die Parteifreunde dürfen sich schon mal auf einiges gefasst machen.

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