Atomverhandlungen mit Iran:Keine Lösung, aber ein historischer Schritt

Atomverhandlungen mit Iran: Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif (links) und Frankreichs Außenminister Laurent Fabius in Genf

Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif (links) und Frankreichs Außenminister Laurent Fabius in Genf

(Foto: AFP)

Es wird noch lange dauern, bis der Westen den Beteuerungen des Regimes in Teheran guten Gewissens glauben kann. Doch die Einigung bei den Atomverhandlungen ist ein erster Schritt. Nun müssen die Beteiligten eine abschließende Lösung finden. Dieser Prozess wird schwierig. Er wird beiden Seiten Zugeständnisse abverlangen, die weh tun.

Eine Analyse von Paul-Anton Krüger, Genf

Die Außenminister haben wieder überzogen, bis in den Morgen des fünften Tages haben sie in Genf über ein Abkommen mit Iran im Atomstreit gerungen. Doch diesmal steht am Ende ein erster Durchbruch. Es ist längst noch nicht die Lösung des seit zehn Jahren währenden Konfliktes, aber es ist dennoch ein historischer Schritt, der noch vor einem halben Jahr undenkbar zu sein schien.

Beide Seiten haben sich entscheiden, der Diplomatie den Vorzug zu geben über die Konfrontation. Beide Seiten haben dafür Zugeständnisse gemacht, die von den Hardlinern in Teheran, Washington und nicht zuletzt in Israel bekrittelt werden. Doch dieser Deal ist nahe an dem, was sich in einem ersten Schritt erzielen ließ: Er stoppt die Eskalation. Er macht alle Beteiligten sicherer, auch Israel. Und er schafft eine Atmosphäre, in der sich womöglich der seit mehr als 30 Jahren bestehende Konflikt zwischen Iran und dem Westen zumindest in ein Verhältnis überführen lässt, mit dem beide Seiten leben können.

Iran hat eingewilligt, sein Atomprogramm für sechs Monate auf dem Stand von heute einzufrieren. Die Islamische Republik verzichtet darauf, Uran auf 20 Prozent anzureichern, sie verzichtet darauf, weitere Uranvorräte anzuhäufen. Und sie verzichtet auf die entscheidenden Schritte, einen Schwerwasser-Reaktor in Arak fertigzustellen, der - einmal in Betrieb - Plutonium produzieren würde. Damit würde sich Iran ein zweiter Weg zur Bombe eröffnen.

Rohani muss über jeden zusätzlichen Dollar froh sein

Die Iraner bekommen dafür einen begrenzten Nachlass bei den Sanktionen; sie werden auf etwa 4,2 Milliarden Dollar an Guthaben aus Ölverkäufen zugreifen können, die wegen der Sanktionen im Ausland eingefroren sind. Der Handel mit Edelmetallen wird zugelassen, was der Regierung von Präsident Hassan Rohani erlaubt, Gold in Devisen umzuwandeln, mit dem einige asiatische Länder zuletzt für ihre Öleinkäufe bezahlt haben. Dazu darf Iran petrochemische Produkte exportieren. Die Sanktionen gegen den Öl- und Finanzsektor dagegen bleiben unverändert bestehen.

Die Summe ist gemessen an dem wirtschaftlichen Schaden durch die Sanktionen nicht üppig, aber angesichts der maroden Wirtschaftslage muss Rohani über jeden zusätzlichen Dollar froh sein.

Der Durchbruch ist letztlich möglich gewesen, weil sowohl die Regierung von US-Präsident Barack Obama als auch Iran bereit waren, ein politisches Risiko einzugehen. US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Kollege Mohammed Dschawad Sarif haben durch ihr persönliches Engagement dazu beigetragen, dies möglich zu machen. Und auch die oft gescholtene EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und ihr Team haben dank ihrer gekonnten Verhandlungsführung ein gerüttelt Maß Anteil an diesem Erfolg.

Zugeständnisse, die weh tun

Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der das Ergebnis als einen der Höhepunkte seiner Amtszeit in Erinnerung behalten kann, sprach von einem Wendepunkt im Atomstreit. Zugleich mahnte er die Regierung in Teheran, das Abkommen transparent und überprüfbar umzusetzen und die Verhandlungen mit Blick auf eine abschließende Lösung fortzusetzen.

Darum wird es in den kommenden Monaten nun gehen. Wie schwierig dieser Prozess vermutlich wird, lässt sich daran ablesen, dass die Außenminister zwei Mal binnen vierzehn Tagen nach Genf einfliegen mussten, um eine Einigung auf den ersten Schritt zu erzielen. Dieser Takt wird sich kaum aufrechterhalten lassen, die Fragen aber, die nun anstehen, sind deutlich schwieriger. Sie werden von beiden Seiten Zugeständnisse verlangen, die weh tun. Aber solange auch diese Gespräche dazu beitragen zu verhindern, dass Iran dem Bau von Atomwaffen näherkommt, ist damit allen Seiten gedient.

Es wird noch lange dauern, bis man den Beteuerungen des Regimes in Teheran guten Gewissens glauben kann, dass sein Nuklearprogramm allein friedlichen Zwecken dient. Doch der erste Schritt dazu ist gemacht. Und alle anderen Optionen - von einem sturen Festhalten an allen Sanktionen bis hin zu einem Militärschlag - haben weniger Aussicht auf Erfolg.

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