NSA-Strategiepapier:Mission absolute Abschöpfung

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Mission 2016 findet ohne ihn statt: NSA-Chef Keith Alexander wird den Geheimdienst Anfang 2014 verlassen und in den Ruhestand gehen. (Foto: Yuri Gripas/Reuters)

So stellt sich die NSA ihre Zukunft vor: In einem neuen Snowden-Dokument skizziert der amerikanische Geheimdienst, wie er künftig digitale Daten sammeln möchte. Das Programm ist eine Ansammlung von Wirtschaftsberater-Schlagworten - und dürfte dennoch für Beunruhigung sorgen.

Von Johannes Kuhn

Als hätte es ein McKinsey-Praktikant geschrieben: "Revolutionieren", "kollaborativ arbeiten", die "Mission synchronisieren", ein Umfeld für "Risikobereitschaft" schaffen - all das will die NSA eines nun veröffentlichten Strategiepapiers zufolge bis 2016 erreichen. Vor allem aber will der Geheimdienst weiterhin seiner Mission treu bleiben: Die Daten abschöpfen, die man braucht. "Von jedem, jederzeit, überall".

Es ist eine protzige Botschaft, das aus dem von den renommierten Reportern Laura Poitras und James Risen in der New York Times analysierten Dokument aus dem Februar 2012 hervorgeht. Natürlich stammt es aus dem Fundus von Edward Snowden und erwartungsgemäß ist es das Zeugnis eines Geheimdienstes, der sich längst entgrenzt hat.

Auf fünf Seiten beschreiben die unbekannten Autoren die Pläne, die auf der Erkenntnis einer rapiden Digitalisierung der Welt und einer sich stark verändernden Staaten-Architektur bis 2025 basieren. Beides hängt miteinander zusammen: Das "goldene Zeitalter der Sigint", also der automatischen Gewinnung elektronischer Signale, ist dieser Logik zufolge die größte Chance und die größte Herausforderung der NSA. Denn was die USA kann, kann theoretisch auch jeder Gegner, und dieser Gegner ist im digitalen Raum nicht mehr an Nationen gebunden oder durch militärische Macht identifzierbar. Schutz vor Cyber-Attacken und -Spionage ist deshalb ein zentrales Thema, gleichzeitig will die NSA bis 2016 die Fähigkeiten zur eigenen Informationsgewinnung noch einmal ausbauen.

Wie die Geheimdienste sich dafür rüsten möchten, wirkt auf den ersten Blick äußerst beunruhigend: Der weltweite Verschlüsselungsmarkt soll über "kommerzielle Beziehungen", den Ausbau der einigen Codeknacker-Fähigkeiten, aber auch über "Human Intelligence", also Spionage beeinflusst werden. Von solchen geschäftlichen Beziehungen, also geheimen Abkommen mit IT-Sicherheitsfirmen und Internetprovidern, berichtete der Guardian bereits im September. Das nun veröffentlichte Dokument legt nahe, dass die NSA die Verschlüsselungssysteme zur Not auch durch das Einschleusen von Spionen bei den Herstellern knacken möchte.

Vagheit eines Marketing-Papiers

Zudem wolle die Organisation "aggressiv" darauf hinwirken, die US-Gesetze zur digitalen Spionage zu ändern, heißt es. Die seien - aus der Logik der Geheimdienste kaum überraschend - für die sich ständig weiterentwickelnde digitale Kommunikation nicht ausreichend. Ungenannte US-Geheimdienstbeamte erklärten der New York Times, die Passagen bezogen sich beispielsweise darauf, dass ein ausländischer Terrorverdächtiger beim Betreten amerikanischen Bodens zunächst einmal nicht überwacht werden könnte - hierfür sei ein neuerlicher richterlicher Beschluss nötig.

Da die Formulierungen zwar kraftvoll klingen, aber doch recht allgemein gehalten sind, lässt das Dokument einige Fragen offen: Wo genau steht die NSA bei der Entschlüsselung gängiger kryptographischer Methoden? Was sind die genauen Forderungen an den Gesetzgeber? Was hat es mit den fortschrittlichen Fähigkeiten und Automatisierungen auf sich, die bei der "Beherrschung des globalen Netzwerks" helfen sollen? Auf welcher Ebene kursierte das Memorandum und was davon hat jenseits des McKinsey-Sprechs wirklich praktischen Charakter?

Zumindest eines dürfte beruhigen: Die Forderung nach einer Ausweitung der Möglichkeiten dürfte im US-Kongress derzeit auf taube Ohren stoßen. Nach den Verwerfungen durch die Snowden-Enthüllungen diskutieren einige Abgeordnete eine Einschränkung der Datensammel-Möglichkeiten, allerdings nur, wenn davon Amerikaner betroffen sind.

Seit Sonntag weilt auch US-Senator Chris Murphy für einen Beruhigungsbesuch in Berlin. Er wird am Montag Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien sowie Bundesaußenminister Westerwelle treffen. Zu der Debatte über die Schnüffel-Möglichkeiten der NSA erkärte er: "Es ist angebracht, dass wir darüber sprechen, wie das auch die Europäer betrifft."

Linktipp: Patrick Bahners hat sich in der FAZ ebenfalls Gedanken zu dem Papier gemacht.

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