Geschäft mit Marihuana in den USA:Grünrausch

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Cannabusiness, Dot Bong, Marihuana AG: Der Handel mit Marihuana ist ein Milliardengeschäft, an dem viele verdienen. In den USA soll die Droge nun freigegeben werden - nicht nur für medizinische Zwecke.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt einen Markt in den Vereinigten Staaten, der sich rasant entwickelt und der ausnahmsweise nichts mit Smartphones oder sozialen Netzwerken zu tun hat. Für dieses Geschäft gibt es zahlreiche kreative Namen: Cannabusiness, Dot Bong, Marihuana AG. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts ArcView werden durch legale Verkäufe der weichen Droge in diesem Jahr 1,43 Milliarden US-Dollar umgesetzt, im kommenden Jahr sollen es gar 2,34 Milliarden Dollar sein. Das liegt daran, dass Cannabis 2014 nicht nur wie bisher in 20 Bundesstaaten als Medizin, sondern in Colorado und Washington auch als Genussmittel verkauft werden wird.

In Kalifornien sprechen sie beim Thema Marihuana in Anlehnung an den Goldrausch Mitte des 19. Jahrhunderts von einem "Grünrausch" - nicht nur wegen der Farbe der Pflanzen, sondern auch wegen der Dollar, die sich damit verdienen lassen. Hier ist der Genuss von Marihuana als Medikament seit 17 Jahren erlaubt, der Bundesstaat nimmt dadurch etwa 100 Millionen Dollar jährlich an Steuern ein. Diese Zahl soll künftig deutlich steigen, bestenfalls auf bis zu 1,5 Milliarden Dollar. Es gibt zahlreiche Gruppen, die sich dafür einsetzen, Marihuana auch in Kalifornien als Genussmittel zu legalisieren.

Die Schätzungen, wie groß der Marihuana-Markt in den USA tatsächlich ist, gehen sehr weit auseinander. Manche Studien halten die Cannabis-Industrie mittlerweile für so groß wie die für Bier (99 Milliarden Umsatz pro Jahr) oder Tabak (75 Milliarden), vorsichtigere Schätzungen gehen von 30 Milliarden Dollar aus. Ein Riesengeschäft also, unreguliert, illegal. Unversteuert.

"Wenn man die menschlichen und finanziellen Kosten der aktuellen Gesetzgebung analysiert, dann ist es an der Zeit, Marihuana zu legalisieren", sagt der stellvertretende Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom. Der Genuss von Cannabis ist in Kalifornien weitgehend akzeptiert, man bekommt die Drogen nicht nur gegen Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit verschrieben, sondern kann sie quasi an jeder Straßenecke kaufen. Laut einer aktuellen Studie sprechen sich mehr als 65 Prozent der Bewohner Kaliforniens für eine Legalisierung aus, und zwar vor allem aus recht pragmatischen Gründen: Wenn Cannabis sowieso erhältlich ist, warum sollte der Bundesstaat den Handel nicht regulieren und dadurch eine Menge Steuern einnehmen - und eine Menge Geld sparen?

Es geht bei der aktuellen Diskussion weniger um die gesellschaftlichen Folgen einer möglichen Legalisierung, sondern um Geld. Kalifornien gilt vor allem deshalb als Schlüsselstaat, weil dort zum einen sehr viel Cannabis angebaut und konsumiert wird, und zum anderen, weil dem Bundesstaat bei der Legalisierung als Medikament eine wichtige Rolle zugekommen ist. Dem Beispiel von Kalifornien folgten 19 weitere Bundesstaaten sowie die Landeshauptstadt Washington, D.C. Eine ähnliche Wirkung könnte nun die Legalisierung als Genussmittel haben.

"Als ehemaliger Bürgermeister von San Francisco kann ich Ihnen versichern, dass die Kosten für den Kampf gegen Drogen enorm sind", sagt Newsom und versichert, selbst kein Marihuana zu rauchen und den Genuss nicht unterstützen zu wollen. Es gehe ihm vielmehr darum, Kosten reduzieren und Einnahmen erhöhen zu wollen: "Dieser War on Drugs hat den amerikanischen Steuerzahler Hunderte von Milliarden US-Dollar gekostet - manche sprechen gar von mehr als einer Billion Dollar innerhalb der vergangenen 40 Jahre, und es gibt keinen Beweis dafür, dass dieser Krieg im Fall von Marihuana erfolgreich ist." In diesem Jahr hätten bereits mehr als 600.000 Menschen mindestens eine Nacht im Gefängnis verbracht aufgrund nicht-gewalttätiger Drogendelikte: "Was für eine Verschwendung. Polizisten müssen verdeckt arbeiten, dabei könnten sie sich auf schlimmere Verbrechen konzentrieren. Die Gefängnisse sind überfüllt."

Wer sich mit Newsom unterhält, der erfährt recht schnell, dass es ihm nicht nur um Geld geht, sondern um Politik ganz allgemein: "Die Politik hat versagt. Wir haben nicht den Mut, etwas zu verändern. Politiker haben eine Höllenangst davor, dass ein Gegner womöglich eine Anzeige schaltet, in der sie als weich im Kampf gegen Drogen dargestellt werden oder dass sie den Genuss von Drogen gar unterstützen würden. Sie treffen Entscheidungen, die ihr politisches Überleben sichern."

Newsom steht einem Gremium der American Civil Liberties Union (ACLU) vor, das in den kommenden Monaten die möglichen Folgen einer Legalisierung analysieren soll. Zunächst war geplant, die Einwohner bei der nächsten Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 erneut über die Legalisierung abstimmen zu lassen, doch es könnte bereits im November 2014 zur Wahl kommen. Der ACLU schwebt eine Regulierung wie etwa bei Zigaretten vor: Verkauf nur an Erwachsene, Genussverbot in öffentlichen Räumlichkeiten, eine Steuerstruktur, bei der die Einnahmen vor allem Suchtprogrammen und der Bekämpfung schlimmerer Drogen und Gewaltverbrechen zur Verfügung gestellt werden.

Freilich gibt es nicht nur Befürworter, viele halten die Initiativen zur Legalisierung für eine zynische Reaktion auf Misserfolge im Kampf gegen den illegalen Anbau und Handel der Droge. Craig Steckler, Präsident der International Association of Chiefs of Police, warnt davor, aufzugeben: "Wenn Cannabis problemlos zu kaufen sein wird, dann liegt das Zeug im Haus oder im Auto herum. Das erleichtert den Zugang für Kinder." Er fürchte, dass die Legalisierung von Cannabis nur der Anfang sei: "Wo ziehen wir die Grenze? Machen wir irgendwann alle Drogen legal? Was, wenn wir in ein paar Jahren feststellen, dass das alles keine gute Idee war?"

Steckler verweist auch auf die Probleme in Nordkalifornien. Dort, im Bezirk Humboldt, wird das nach allgemeinem Dafürhalten beste Marihuana der Welt angebaut. Beinahe jeden Tag gibt es dort Diebstähle, Raufereien und Schießereien. Bisweilen trauen sich die Polizisten nicht mehr in die Gegend, weil sich die Züchter recht aggressiv gegen Kontrollen wehren.

Zudem schlagen Naturschützer seit Monaten Alarm, dass der Anbau außer Kontrolle geraten sei und fatale Folgen für die Tierwelt haben könne. "Mindestens vier Bäche sind ausgetrocknet, bei vielen anderen wird es nicht mehr lange dauern", sagt Scott Bauer vom kalifornischen Ministerium für Naturschutz.

Experten befürchten, dass in Humboldt ein Großteil der Zucht mittlerweile von einem mexikanischen Drogenkartell kontrolliert wird, das mehr als 100.000 Pflanzen besitzt. Das wiederum ist ein Argument für Newsom, den Anbau zu legalisieren und unter staatliche Aufsicht zu stellen: "Wir erlauben, dass Drogenkartelle weltweit davon profitieren, dass es anderen Menschen schlecht geht." Diesen Satz kann man jedoch auch anders interpretieren: Wenn schon jemand viel Geld verdient, könnte das doch auch der notorisch klamme Bundesstaat Kalifornien sein.

Am 23. Dezember soll der Gesetzesvorschlag mit dem Namen "Marijuana Control, Legalization and Revenue Act 2014" genehmigt werden, dann haben die Initiatoren bis 26. Juni Zeit, eine halbe Million Unterschriften zu sammeln - im November 2014 könnte es dann zur Abstimmung kommen. Newsom würde sich gern mehr Zeit lassen und die Entwicklung in Washington und Colorado abwarten: "Wenn dort irgendetwas schiefgeht, würde das unsere Bewegung dramatisch zurückwerfen."

Bei erfreulichen Ergebnissen dort soll nicht nur in Kalifornien über eine Legalisierung von Cannabis als Genussmittel abgestimmt werden - es gibt ähnliche Initiativen in Oregon, Alaska und Rhode Island. In Florida und weiteren vier Bundesstaaten wird über Wahlen zur Legalisierung als Medikament nachgedacht. Es gibt eben einen Grünrausch in den USA, und einige Bundesstaaten würden so nur allzu gern ihre leeren Kassen füllen.

© SZ vom 29.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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