Diskussion um Katar:"Sie werden behandelt wie Ware"

Gewerkschaftstag der NGG

"Der Druck ist immens und wird meistens an die Arbeiter weitergegeben": DGB-Chef Michael Sommer kritisiert die Bedingungen für Gastarbeiter in Katar.

(Foto: dpa)

DGB-Chef Michael Sommer verurteilt die unmenschlichen Bedingungen für die Gastarbeiter bei den Bauten der Fußball-WM 2022 in Katar. Auch Franz Beckenbauer bekommt Kritik ab: wegen seiner verharmlosenden Aussagen.

Nach dem tödlichen Unfall beim Bau des WM-Stadions in São Paulo sind die Diskussion über die Arbeitsbedingungen im Gastgeberland der WM 2014 neu entflammt. Doch während Michael Sommer, der Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), den Arbeitsschutz in Brasilien für "in Ordnung" befindet, formulierte er in einem Interview mit dem Sportinformationsdienst harsche Kritik an Katar, dem WM-Ausrichter 2022.

Verärgert reagierte der 61-Jährige besonders auf verharmlosende Äußerungen von Franz Beckenbauer. "Wenn ich mich im Emirats-Palast umschaue, dann werde ich sie wahrscheinlich auch nicht sehen", konterte Sommer die jüngste Behauptung von Beckenbauer zum Thema Sklavenarbeit: "Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Ich weiß nicht, woher diese Berichte kommen. Ich war schon oft in Katar und habe deshalb ein anderes Bild, das, glaube ich, realistischer ist."

Sommer, der sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Katar einsetzt und auch international um Unterstützung wirbt, ergänzte: "Ich habe meinem russischen Amtskollegen empfohlen, mal mit Herrn Putin darüber zu reden. Aber warum soll der Putin besser sein als Beckenbauer, der sagt, er habe in Katar keine Zwangsarbeiter gesehen." Vermutlich liege es auch daran, dass die internationalen Arbeitsorganisatoren immer nur mit den katarischen Inspektoren reden, aber nie die Baustellen besichtigen können.

"Vielleicht ist das der Grund, warum Herr Beckenbauer niemanden gesehen hat, weil er nicht da war", so Sommer. Durch den großen Zeitdruck, unter dem die Bauten fertiggestellt werden müssen, seien immer mehr Arbeiter nötig. Das sieht Sommer als sehr großes Problem "wie man ja auch an Sotschi sieht. Das ist ein vergleichbarer Fall, denn dort gibt es den Druck des IOC. Denn alle haben noch Montreal 1976 im Hinterkopf, als die Olympischen Spiele in einem halbfertigen Stadion stattfanden. Der Druck ist immens und wird meistens an die Arbeiter weitergegeben."

Sommer vergleicht den Status der Wanderarbeiter in Katar mit "altertümlichen Leibeigenen", die "weggeworfen werden wie Dreck", wenn keine Großprojekte mehr vorhanden seien. "Sie werden behandelt wie Ware", meinte Sommer. Das Problem sei, dass diese Behandlung quasi legal sei, weil sie auf zwischenstaatlichen Abkommen berufe. In einem Gespräch mit Blatter habe er gespürt, dass auch die Fifa den wachsen Druck wahrnehme. "Denn die Menschen sind jetzt sensibilisiert für das Thema. Ohne den öffentlichen Druck kommen wir nicht weiter. Deshalb habe ich auch gesagt: Wir haben ganz langen Atem und werden weiter ganz genau auf Katar schauen. Ich bin jetzt an Katar dran, und ich will es auch durchziehen. Wir wollen zeigen, dass die Öffentlichkeit in der Lage ist, etwas durchzusetzen, etwas für die Menschen zu tun und zu bewirken."

Man könne die Fifa nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, genauso wenig wie die internationalen Konzerne. Die Katarer würden nicht nur auf die Fifa, sondern auch auf Firmen einwirken, bei denen sie als Großinvestoren tätig sind. Sommer weiter: "Aber die Fifa kann jetzt ja auch nicht so tun, als wenn die den Ball sozusagen weitergeben kann. Ich bin gerade dabei, den Ball wieder ins richtige Spielfeld zurückzuspielen."

Lob fand Sommer über die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dessen Präsidenten Wolfgang Niersbach: "Ich will ausdrücklich sagen, Niersbach hat sich da ganz sauber verhalten. Er hat mit mir geredet, er hat mir gesagt: 'Herr Sommer, ich hätte gern, dass sie jetzt keine Revolution machen, sondern lassen sie uns mal schauen, wie wir weiterkommen.' Er hat Wort gehalten. Ohne ihn wäre das Gespräch mit Blatter wohl nicht zustande gekommen. Ich kann nur sagen, der DFB hat sich in dieser Frage à la bonne heure verhalten."

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