Fußball in den USA:Weniger Fans als Frauenbasketball

Real Salt Lake v Portland Timbers - Western Conference Championship - Leg 2

Brüllende Sieger: Die Spieler von Real Salt Lake feiern den Finaleinzug in der MLS

(Foto: AFP)

Fußball hat in den USA einen schweren Stand. Um nicht mit beliebteren Sportarten zu konkurrieren, finden die Spiele im Sommer und Herbst statt - und kollidieren regelmäßig mit internationalen Spielplänen. Trotzdem mag kein richtiges Interesse für das Endspiel der US-Fußballliga am Samstag aufkommen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Das folgende Szenario ist nur für Menschen, die sich für phantasievoll halten: Es ist Juli, in Deutschland findet gerade die Fußball-Europameisterschaft statt. Um 15.30 Uhr spielt die deutsche Nationalelf gegen Irland, Stefan Kießling ist nicht dabei. Okay, bis hierhin ist bis auf die Anstoßzeit noch nicht viel Vorstellungskraft nötig. Jetzt aber: Kießling bestreitet an diesem Abend dennoch eine Partie - er spielt mit Leverkusen gegen Hannover, weil die Bundesliga trotz EM weitermacht.

Es geht noch weiter: Nach der Gruppenphase nominiert Joachim Löw den Stürmer nach, Kießling wird deshalb zwei Bundesliga-Partien verpassen. Er schießt aber im Viertelfinale gegen Italien nach seiner Einwechslung zwei Tore, läuft im Halbfinale gegen die Niederlande von Beginn an auf (und trifft wieder) und ist auch beim Finalsieg gegen Spanien dabei. Ach ja: Fünf Tage später tritt Kießling wieder in der Bundesliga an - und schießt erneut ein Tor.

Verrückt, diese Geschichte? Schon, aber sie ist auch wahr - man muss nur einige Namen austauschen. Eddie Johnson ist der amerikanische Kießling, er gewann kürzlich mit der US-Nationalelf die Kontinentalmeisterschaft beim Gold Cup und spielte beinahe gleichzeitig für die Seattle Sounders in der nordamerikanischen Fußballliga Major League Soccer (MLS). Zwischen den beiden Auftritten lagen nur wenige Stunden. So geht es zu in dieser Liga, in der am Samstag das Finale der Meisterschaft zwischen Sporting Kansas City und Real Salt Lake ausgetragen wird.

Die MLS ist eine Liga, von der die Amerikaner selbst nicht so genau wissen, was sie von ihr halten sollen. Es gehört zum Selbstverständnis dieser Nation, dass die weltweit besten Akteure einer Sportart hierherkommen und in einer Liga agieren, deren Titelträger ganz selbstverständlich "World Champion" genannt wird. Einer der prägenden Akteure der MLS ist Landon Donovan, über den Hermann Gerland nach dessen Zeit beim FC Bayern im Jahr 2008 gelästert hatte, dass er nicht einmal gut genug für die zweite Mannschaft des Vereins sei.

Zunächst einmal: Die Liga floriert, finanziell wie sportlich. In dieser Spielzeit kamen mehr als sechs Millionen Menschen in die Stadien, es gibt einen Fernsehvertrag, der 26 Millionen US-Dollar wert ist, laut Forbes hat sich der Wert der 19 Vereine in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich fast verdoppelt. Zahlreiche Städte bewerben sich um Expansionsteams, David Beckham und der Basketball-Held LeBron James gehören zu den Menschen, die in einen neuen Verein investieren möchten.

Das sind die guten Nachrichten, doch skurrile Geschichten wie die über Eddie Johnson zeigen, dass es gewaltige Probleme gibt in der MLS. Vor allem aber scheinen die Liga-Verantwortlichen selbst nicht so genau zu wissen, was diese Liga nun sein soll - und was aus ihr werden wird.

Ein Problem freilich ist hausgemacht - und bewusst so gewählt. Um nicht mit anderen Sportligen NBA (Basketball), NFL (Football) und NHL (Eishockey) konkurrieren zu müssen, wird die reguläre Saison zwischen März und Oktober ausgetragen. Im Sommer gibt es in den USA nur Baseball als Konkurrenz - und genau dieser recht undynamischen Sportart (Statistiker haben errechnet, dass die Nettospielzeit einer zweieinhalb Stunden dauernden Baseballpartie bei 18 Minuten liegt) würden sie gerne den Rang ablaufen. Nur so gab es Fernsehverträge, nur so werden Partien zu Zeiten im Fernsehen gezeigt, an denen auch jemand einschalten könnte.

Auch Klinsmann ist betroffen

Das führt natürlich zu Konflikten mit dem Spielplan des Weltverbandes Fifa und dem Kontinentalverband Concacaf - nicht nur im Sommer, sondern zuletzt auch im Herbst. Da wurde die Ausscheidungsrunde mal eben für zwei Wochen unterbrochen, weil die amerikanischen Nationalelf zwei WM-Qualifikationsspiele austragen musste. Freundlicherweise hat US-Bundestrainer Jürgen Klinsmann im November dann bei den Testpielen gegen Schottland und Österreich darauf verzichtet, Akteure zu nominieren, die noch in den Playoffs vertreten waren.

Diese Playoffs werden am Samstag nach 39 Tagen beendet sein, im Finale spielen die Vereine aus Kansas City und Salt Lake City gegeneinander. Beide haben sich sportlich qualifiziert, die Liga vermarktet das Endspiel als "Hassduell". Die Klubs können sich nicht besonders gut leiden, es gab in der Vergangenheit immer wieder packende Partien, im Juli gar einige unschöne Szenen. "Zwischen beiden Mannschaften geht es immer hart zur Sache", sagt Kansas Citys Stürmer C.J. Sarong. Sein Trainer Peter Vernes kündigte bereits an, dass es diesmal ähnlich laufen könnte: "Das ist kein Jugendfußball, sondern ein Männersport. Und am Samstag werden da Männer gegen Männer spielen."

Es könnte also ein spannendes und mitreißendes Aufeinandertreffen werden. Das Interesse an diesem Endspiel in den Vereinigten Staaten ist jedoch äußerst überschaubar, die Finalisten kommen nicht aus den Metropolen Los Angeles, New York oder Chicago, sie haben auch keine Fanbasis wie etwa die Seattle Sounders. Es ist ein bisschen wie im deutschen Basketball: Regional ist die Identifikation mit den Vereinen gewaltig, doch die Liga tut sich schwer, sich national zu vermarkten.

Das zeigen auch die Einschaltquoten: Auf dem Sportsender ESPN sehen durchschnittlich 271.000 Menschen pro Partie zu, das ist ein Rückgang um 30 Prozent gegenüber der vergangenen Saison. Schlimmer noch: Es schalten weniger Menschen ein als zu Spielen der Frauen-Basketballliga WNBA. Die MLS muss sich in der kommenden Saison, der 19. ihrer Existenz, verändern, will sie von einem möglichen Zuwachs des Interesses durch die WM in Brasilien profitieren - nicht nur durch Spielerzukäufe wie etwa Miroslav Klose, der mit Los Angeles Galaxy in Verbindung gebracht wird, sondern durch ein Aufräumen des Spielplans.

Das Finale findet nun nämlich gleichzeitig mit einer bedeutenden Partie im College-Football statt, am gleichen Tag werden in der NBA neun und in der NHL gar elf Partien ausgetragen. Das ist nicht gerade förderlich für die Einschaltquoten. Die amerikanische Nationalelf dagegen pausiert. Immerhin.

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