Antisemitismus in Österreich:Wenn aus Juden Duden wird

Der Bürgermeister einer österreichischen Kleinstadt schafft es, Asylbewerber, Journalisten, Juden und das Wort "aufhängen" in einem Satz zusammenzubringen. Bevor er zurücktritt, liefert der Konservative eine bizarre Erklärung ab.

Von Oliver Das Gupta

Karl Simlinger hat Gföhl international bekannt gemacht. Allerdings nicht im positiven Sinne. Seit Jahren amtiert der Landwirt als Bürgermeister des 3600-Einwohner-Ortes im niederösterreichischen Waldviertel, die sich "Kleine Stadt mit großem Herz" nennt. Zur Jahreswende tritt Bürgermeister Simlinger ab. Wegen eines Satzes. Er lautet:

"Mir gehen die Scheiß-Asylanten sowieso am Oasch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de Juden".

Gefallen sind diese Worte am 3. Dezember in einem nichtöffentlichen "Stadtrat-Jour-Fixe", in dem das Gremium über ein geplantes Asylbewerberheim debattierte. So bestätigen es die Stadträte Sabine Mai und Günter Steindl auf Nachfrage von SZ.de. Beide gehören der sozialdemokratischen SPÖ an, der Bürgermeister der konservativen ÖVP. Zweimal habe er Simlinger gefragt, ob er die Aussage ernst meine, sagt Streidl. Simlinger habe "Ja" geantwortet.

Daraufhin beschwerte sich Streidl bei Simlingers Partei und forderte den Rücktritt des Bürgermeisters. "Juden-Sager" , nennt man in Österreich solche Ausfälle, die sich die rechtspopulistische FPÖ immer wieder leistet (wie diesen hier). Simlingers Satz fand seinen Weg in die Medien.

Wie reagierte der Bürgermeister? Er stritt erst alles ab, sprach von einer Intrige. Seine bizarre Erklärung: Nicht "Juden" habe er gesagt, sondern das Wort "Duden".

Die Partei geht auf Distanz

Ungünstig nur, dass Simlinger unterschiedliche Duden-Versionen lieferte. Zur Zeitung Heute sagte er: "Das Wort Juden habe ich nie gesagt, ich habe nur aus dem Duden zitiert".

Die Tageszeitung Die Presse hingegen zitiert ihn mit den Worten: "Ich habe auf die Vorwürfe gesagt, 'Die Journalisten' - nicht Pressefritzen - 'hängen sich an etwas auf, das bereits wieder ganz anders ist. Die zitieren aus dem Duden'."

Vielleicht hat Simlinger gehofft, dass sein Ausfall in der Nachrichtenflut untergeht. Oder folgenlos bleibt, wie ähnliche "Juden-Sager", die sich seine ÖVP im Nachkriegs-Österreich geleistet hat (hier eine "Sumpfblütenlese" der Wiener Zeitung).

Doch es war zu spät. Das Komitee der österreichischen KZ-Gedenkstätte Mauthausen erstattete Anzeige. Simlingers Partei erklärte, die Aussage nicht hinzunehmen. Seine konservativen Stadtratskollegen schwiegen vor der Presse, ließen jedoch hinter vorgehaltener Hand wissen, dass sie aussagen würden, sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen.

Der Bürgermeister spricht von "der Hitze der Diskussion"

Freitagmittag gibt Simlinger auf. In einer "Presseaussendung" schließt er "mit Sicherheit" aus, die Worte "Scheiß Asylanten" und "aufhängen" gesagt zu haben. Aber er habe sich "in der Hitze der Diskussion doch zu einer Aussage verleiten lassen, die meinem Weltbild und meiner persönlichen Einstellung eklatant widerspricht". Wenn er jemanden verletzt habe, entschuldige er sich, schreibt er in der Erklärung. Zum Jahresende wolle er zurücktreten als Bürgermeister.

Minuten nach der "Aussendung" geht Karl Simlinger an sein Telefon. Juden, Duden, Pressefritzen - wie lautete denn der Satz nun wirklich, der während der Stadtratssitzung fiel?

Der Bürgermeister denkt einen Moment nach. Dann antwortet er mit fester Stimme: "Das ist alles, was ich zu sagen habe".

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