Schwarz-Grün in Hessen:Die Revolution frisst ihre Kinder

Landesmitgliederversammlung Grüne Bremen

Wahlkampfgeschenke der Grünen: Die Partei hat sich selbst entkernt.

(Foto: dpa)

Nicht nur grüne Veteranen bezeichnen Schwarz-Grün in Hessen gerne als Zeitenwende. Doch das Einzige, das sich verändert hat, sind die Grünen selbst. Sie reden sich die CDU schön - ausgerechnet die männerbündisch verschlossene, biedere hessische Union. Die Grünen haben sich politisch selbst entkernt und stehen in Hessen mit leeren Händen da.

Ein Kommentar von Jens Schneider

Wenn Hessens seit Jahren beliebtester Politiker so richtig loslegte, und das tat er gern, dann ließ er an den Regierenden von der CDU kein gutes Haar. Der Grüne Tarek Al-Wazir war sein ganzes politisches Leben lang ein Oppositioneller, bisher. In dieser Rolle bescheinigte er dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier, dass er rechtskonservativ und ohne politische Grundsätze sei. Deutlich fiel das Urteil über dessen Energiepolitik aus: In Hessen finde die Energiewende nicht statt, befand der Grüne. Es sei deutschlandweit Schlusslicht.

Jetzt hat CDU-Ministerpräsident Bouffier ein Ziel: Bis zum Jahr 2050 soll das Land komplett auf grünen Strom umgestellt sein. Wie das erreicht werden soll, ist nicht recht klar. Aber dafür ist bis 2050 ja noch lange hin. Wenn der Grüne Tarek Al-Wazir so richtig loslegen könnte, dürfte von diesem Konzept der künftig Regierenden wenig übrig bleiben. Es ist eine Einladung zum Spott. Aber er darf nicht, im Gegenteil: Er wird diesen lächerlich bescheidenen Vorsatz als den seinen vertreten müssen; er wird wohl Minister in der ersten schwarz-grünen Koalition in einem Flächenland.

Man schiebt auf, beruft Kommissionen, verspricht

Seine Partei wollte viel früher umstellen, die 2050 entsprechen der Linie der CDU. Dies ist ein Beispiel für die erbärmlichen Beschlüsse der künftigen hessischen Regierung. Was bisher verkündet wurde, ist (neben einem rigiden Sparkurs) ein Katalog von einigen kleinen Schritten und vielen Absichtserklärungen: Man schiebt auf, beruft Kommissionen, verspricht.

Das schwarz-grüne Experiment wird gern als Zeitenwende bezeichnet, auch von manch grünen Veteranen. Ihnen gefällt der Gedanke, jetzt mit den Repräsentanten jener Welt zu koalieren, gegen die sie einst als Bürgerschreck von bürgerlicher Herkunft rebellierten. Sie reden sich die CDU schön - ausgerechnet die männerbündisch verschlossene, biedere hessische Union. Sie habe sich gewandelt und geöffnet. Tatsächlich gibt sich die CDU sogar in Hessen gern mal modern.

Wirklich gewandelt aber haben sich die Grünen - so weit, dass sie jetzt am Ende sind, sie haben sich politisch selbst entkernt. Darin liegt die Zeitenwende. Hessens Grüne stehen mit leeren Händen da. Die Bürger rund um den Frankfurter Großflughafen müssen sich veralbert fühlen, wenn sie an grüne Wahlkampf-Versprechen zum Lärmschutz zurück denken. So ist die Koalition eine Karikatur des versprochenen Politikwechsels. Und die Grünen stehen als Karikatur dessen da, was diese Partei einmal ausmachte und wofür sie einst gegründet wurde.

Bruch mit falschen Sachzwängen

Sie wurde gegründet, um eine grundsätzlich andere Politik zu erreichen, gegen die Logik des gnadenlosen Wachstums zulasten der Schöpfung. Die Grünen standen für den Bruch mit falschen Sachzwängen. Ihnen ging es um eine Umkehr in der Energie- und Umweltpolitik, um eine tolerante, offene Gesellschaft, in der Bürger Entscheidungen mitbestimmen können. Zu Recht haben sie sich bald auf die Idee eingelassen, in Regierungen mitzugestalten. Diese schweren Entscheidungen waren immer von einem Grundsatz bestimmt: Mit dem Einstieg in die Regierung musste ein erkennbarer, großer Schritt verbunden sein, hin zu ihren großen Zielen. Andernfalls gab es keinen Grund fürs Mitregieren.

Solch große Schritte gab es bei den ersten rot-grünen Bündnissen, erst recht mit der Regierung im Bund, auch beim ersten schwarz-grünen Bündnis auf Länderebene, 2008 in Hamburg. Manchmal scheiterten die Grünen, blieben aber ihrem Ziel treu. In Hessen ist da nichts zu erkennen. Für die paar Krümel Verbesserung braucht man die Grünen nicht; das kann die CDU alleine. Die Grünen haben sich zum Ornament für den modernen bürgerlichen Lebensstil reduziert. Sie trennen den Müll, um dann das Altglas mit dem SUV zum Container zu fahren.

Nicht mal bei den Ministerämtern haben sie viel erreicht, nur zwei Posten werden ihnen zugestanden. Das sollte aber jene nicht trösten, die ihnen vorwerfen, wegen der Ämter in die Regierung zu gehen. Es ist zu wenig für eine Partei von diesem Anspruch. In diesem Bündnis kann man sich nicht mal ausmalen, woran die Koalition zerbrechen sollte. Das ist kein Indiz für eine grüne Handschrift. All jene, die sich gegen den Lauf der Dinge stellen wollen, werden sich neue Ansprechpartner suchen müssen, ob es nun um den Flughafen geht oder die Energiewende.

Die Grünen haben den Charme des Widerständigen endgültig verloren. So frisst die grüne Revolution der letzten dreißig Jahre ihre Kinder, sie gibt ihnen ein bisschen Macht. Tarek Al-Wazir sollte man um diese Macht nicht beneiden. Er wird vom Jäger zum Gejagten werden. Er wird die Politik der CDU vertreten müssen. Und er hat zu wenig, womit er sich verteidigen könnte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: