Homophobie-Vorwurf gegen Dirigenten:Münchner protestieren vor Gergiev-Konzert

Demo Philharmonie, Demonstration gegen künftigen russischen Chefdirigenten der Philharmoniker, Valery Gergiev. Er wird der Schwulenfeindlichkeit bezichtigt.

Zweihundert Münchner haben vor dem Gasteig demonstriert

(Foto: Florian Peljak)

"Für die Stadt nicht tragbar": Zweihundert Münchner demonstrierten vor einem seiner Konzerte gegen den russischen Dirigenten Valery Gergiev, dem designierten Chef der Münchner Philharmoniker. Dessen Äußerungen zur Homosexualität lösten auch heftige Empörung im Stadtrat aus.

Von Silke Lode und Christiane Lutz

Mehr als 200 Münchnerinnen und Münchner haben am Mittwochabend vor dem Kulturzentrum am Gasteig gegen den russischen Stardirigenten Valery Gergiev protestiert. Gergiev hatte in einem Interview Äußerungen gemacht, die als Unterstützung für ein homophobes Gesetz des russischen Präsidenten Wladimir Putin gewertet wurden. Am Mittwoch distanzierte sich Gergiev zwar von seinen Aussagen und bekannte sich zu einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Ausgrenzung und Diskriminierung. Den Demonstranten war das aber zu wenig: "Wenn sich Gergiev weiter so äußert", sagte Rita Braaz von der Rosa Liste am Abend vor dem Gasteig, "dann ist er für die Stadt nicht tragbar".

Aufzieh-Puppe Putins

Auf der einen Seite die Konzertbesucher, die zielstrebig dem Eingang Richtung Philharmonie zustrebten auf dem Weg zum von Gergiev dirigierten Abonnementkonzert mit Werken von Strawinsky, auf der anderen Seite, von der Polizei vor dem Eingang zur Bücherei platziert, die Demonstranten mit Transparenten und Regenbogenfahnen: So stellte sich die Szenerie am frühen Abend vor Konzertbeginn dar. Kunst gab es dann auch vorm Gasteig als Form des Protests: den Gefangenenchor aus der Verdi-Oper Nabucco und eine Performance, bei der Gergiev als Aufziehpuppe Putins dargestellt wurde.

Bereits am Vormittag hatten die Äußerungen des Russen, der von 2015 an Chefdirigent der Münchner Philharmoniker werden soll, im Stadtrat hohe Wellen geschlagen. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) stellte klar, dass das Thema für ihn mit Gergievs Pressekonferenz vom Dienstag nicht erledigt sei. "Für die Landeshauptstadt sind Diskriminierung und diskriminierende Aussagen absolut inakzeptabel", sagte Ude. Am Dienstag hatte Gergiev in München beteuert, Putins Gesetz nicht zu kennen und nicht zu verstehen.

Gergiev fühlt sich getroffen

Am Mittwoch übermittelte der Dirigent dann einen offenen Brief an Kulturreferent Hans-Georg Küppers, in dem er sich zur Linie der Stadt gegenüber jeder Form von Diskriminierung bekennt. "Ich unterstütze diese Haltung der Stadt München voll und ganz", heißt es wörtlich. Gergiev verweist erneut darauf, als Künstler stets nach diesen Grundsätzen gehandelt zu haben. Von den Unterstellungen fühle er sich sehr getroffen, und er schlägt seinen Kritikern daher vor, sich bei nächster Gelegenheit zu einem Gespräch zu treffen.

Ob die umstrittenen Äußerungen, die Gergievs Marinskii-Theater autorisiert haben soll, Konsequenzen für sein Engagement in München haben werden, ließ der Stadtrat offen. Ude kündigte lediglich an, er werde "beim nächsten Kontakt versuchen, Gergiev für die Haltung der Stadt zu begeistern". Vielen Stadträten geht das allerdings nicht weit genug - zumal Ude gleich zu Beginn der Debatte vor "überzogenen Erwartungen an Künstler" gewarnt hatte. "Sonst müsste sich jede italienische Sängerin von Berlusconi distanzieren und jeder Chinese vom Regime", sagte Ude.

"Teil des Systems Putin"

Thomas Niederbühl (Rosa Liste) sieht das völlig anders, er hält die Personalie Gergiev "tatsächlich für ein Problem". Mit ihm habe München "einen Putinfreund, einen russischen Staatskünstler, der uns weltweit repräsentieren soll". Das sei eine sehr unbefriedigende Situation. Noch deutlicher wurde FDP-Fraktionschef Michael Mattar, der schon vor knapp einem Jahr die Entscheidung für Gergiev nicht mitgetragen hatte. "Ich halte ihn damals wie heute für untragbar", sagte Mattar. Jeder habe sehen können, dass Gergiev "Teil des Systems Putin" sei. Udes Äußerungen bezeichnete Mattar als "teilweise nicht sehr hilfreich", da es im Fall Gergiev nicht nur um Kulturaustausch gehe. "Wir wollen jemand einstellen, der eine inakzeptable Haltung einnimmt", sagte Mattar. Kritik musste Ude sich sogar aus den eigenen Reihen anhören: Gergiev sei "kein Künstler, der hier eben mal auftritt", sagte Irene Schmitt (SPD).

Keine Position der CDU

Auch Lydia Dietrich (Grüne) sprach am Rande der Sitzung von "schwierigen und verharmlosenden" Aussagen Udes. Noch mehr ärgert sie sich jedoch über die CSU, die in der Debatte überhaupt keine Position bezog. "Wenn OB-Kandidat Josef Schmid es ernst meint, dass er sich für Homosexuelle einsetzt, dann hätte er das heute unter Beweis stellen können", sagte Dietrich. Niederbühl äußerte nach der Sitzung Verständnis dafür, dass der Stadtrat "nicht von heute auf morgen" Konsequenzen zieht. "Allerdings kann die Stadt schon erwarten, dass künstlerische Größen und städtische Repräsentanten für Menschenrechte eintreten", sagte er.

Der Vorstand der Münchner Philharmoniker und deren Intendant Paul Müller ließen auf Nachfrage ausrichten, sich erst wieder zu dem Fall zu äußern, wenn es neue Entwicklungen gebe. Und Rita Braaz von der Rosa Liste fand am Abend inmitten der Demonstration sogar noch Muße für einen "Traum", wie sie sagte: "Ich würde mir wünschen, dass Herr Gergiev aktiver Unterstützer der Rechte von Lesben und Schwulen wird" - zum Beispiel mit einem Benefizkonzert.

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