Reform des Strafrechts:Warum Mord nicht gleich Mord ist

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Eine Frau bringt nach einem Ehe-Martyrium nachts den Haustyrannen um. Obwohl es nicht schuldangemessen ist, bleibt dem Gericht kaum eine Wahl: Lebenslange Haft für einen Mord aus "Heimtücke". Der Druck auf die Regierung wächst, endlich eine Reform der Nazi-Gesetzestexte anzupacken.

Von Heribert Prantl

Jeder weiß, was dem Mörder droht: Er "wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft". So steht es in Paragraf 211 des Strafgesetzbuchs. Wer aber ist ein Mörder? Jeder, der einen anderen tötet? Was unterscheidet den Mord vom Totschlag? Das ist beileibe nicht so klar, wie man das von Taten glauben möchte, die im Zentrum des Strafrechts stehen. Die Wahrheit ist: Der Kern des Strafrechts besteht aus problematischen Gummi- und Emotionsformeln, die auf das Jahr 1941, also auf die Nazis, zurückgehen.

Der einzige Unterschied im Gesetzestext von damals und heute ist der, dass der Mord nicht mehr mit der Todesstrafe, sondern mit lebenslanger Haft bestraft wird. Die heutige Rechtsprechung zum Mord orientiert sich immer noch, wie zu NS-Zeiten, am Leitbegriff der "niedrigen Beweggründe", der einen Tätertyp beschreibt - den Typ des Mörders, wie ihn sich die Nazi-Juristen vorstellten und mit Wörtern wie "heimtückisch" und "aus niedrigen Beweggründen" beschrieben.

Der Druck auf den Gesetzgeber, endlich eine Reform anzupacken, wächst: Der Deutsche Anwaltverein hat soeben Vorschläge vorgelegt. Er will den Mordparagrafen abschaffen und durch einen umfassenden Tatbestand der "Tötung" ersetzen, der dann verschiedene Freiheitsstrafen bis hin zu lebenslanger Haft ermöglichen soll. Auch die schleswig-holsteinische Justizministerin Anke Spoorendonk hat eine Reforminitiative im Bundesrat angekündigt. Damit würde angepackt, was die Strafrechtsprofessoren seit Jahrzehnten ziemlich einhellig fordern. Thomas Fischer, Senatsvorsitzender am Bundesgerichtshof und Autor des wichtigsten Strafrechts-Kommentars, wundert sich, warum der Mordparagraf sich überhaupt so lange halten konnte und spricht von einer "braunen Schleimspur". Die Reform des Tötungsstrafrechts könnte zur ersten Aufgabe für den neuen Bundesjustizminister Heiko Maas werden.

Laien halten den Totschlag für eine Tötung im Affekt und den Mord für eine genau überlegte und planvolle Tötung. Das ist gar nicht dumm, genau dies galt nämlich bis 1941. Aber die Juristen zitieren belehrend den seit damals geltenden Paragrafen 211, an dem freilich wild herumdefiniert werden muss, um ihn rechtsstaatlich brauchbar zu machen. Handwerkszeug der Juristen ist dabei nicht selten das Synonymlexikon. Um aus einem Totschläger einen Mörder zu machen, hilft es, die Tat mit möglichst vielen hässlichen Adjektiven zu beschreiben: "verwerflich", "verächtlich", "auf tiefster Stufe stehend" und dergleichen mehr. Mittels solch gesinnungsstarker Wörter macht die Strafe einen drastischen Sprung: Für "Totschlag" gilt derzeit ein Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren, auf "Mord" steht lebenslang als absolut-exklusive Strafe.

Das geltende Recht hat allerdings große Schwierigkeiten, Tötungshandlungen im sozialen Nahbereich gerecht zu behandeln: Soll eine Frau, die nach einem Ehe-Martyrium den Haustyrannen nachts umgebracht hat, wirklich mit lebenslanger Haft wegen "Heimtücke" bestraft werden? Die geltenden Beschreibungen dessen, was als "Mord" gilt und daher "lebenslang" nach sich zieht, lassen kaum eine Wahl; das ist nicht schuldangemessen. Das Zentrum des Strafrechts braucht zentrale Reformen.

© SZ vom 21.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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