Wohnungsmarkt München:Frau, ledig, mit Kind, sucht - vergeblich

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Die Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt ist angespannt. (Foto: Robert Haas)

"Ein Makler hat mich schon am Telefon abgewimmelt, als er gehört hat, dass nur ich mit zwei Kindern einziehen will": Der Wohnungsmangel in München trifft Alleinerziehende und junge Mütter besonders hart. Makler verlangen überzogene Sicherheiten. Nun schlagen Hilfsdienste Alarm.

Von Thomas Anlauf

Sie verdient gut, verfügt über Rücklagen, hat einen festen Arbeitsvertrag bei einer Umweltorganisation - und doch hat Erika B. ein Problem: Die 50-Jährige erzieht ihre 15-jährigen Zwillinge ohne den Vater. Auf dem Münchner Wohnungsmarkt hat sie selbst über Makler kaum eine Chance, eine bezahlbare Unterkunft für ihre kleine Familie zu finden.

"Ein Makler hat mich schon am Telefon abgewimmelt, als er gehört hat, dass nur ich mit zwei Kindern einziehen will", sagt die Biologin. Seit neun Monaten ist die Gautingerin auf Wohnungssuche im Raum München. Doch was sie auf dem Immobilienmarkt erlebt, ist für Erika B. entwürdigend. "Ich fühle mich wie ein Mensch dritter Klasse", sagt sie. Die angespannte Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt trifft nun mit voller Härte auch diejenigen, die es im Alltag ohnehin nicht leicht haben: alleinerziehende Mütter und schwangere Frauen.

"Alleinerziehende haben es mittlerweile sehr schwer auf dem Markt", sagt Anja Franz vom Münchner Mieterverein. Wer Kinder hat, wird von vielen Maklern und Vermietern bereits im Vorfeld ausgesiebt. "Die nehmen doch lieber einen alleinstehenden Arzt als eine vierköpfige Familie", sagt Franz. Die "Zickigkeit" der Vermieter steige angesichts des angespannten Münchner Wohnungsmarkts zunehmend: "Allein die Tatsache, was sie an Kriterien fordern und teilweise gar nicht dürfen, ist absurd."

Zum Beispiel von Erika B.: Ein Münchner Makler verlangte von ihr neben der Schufa-Auskunft, einer Kopie des unbefristeten Arbeitsvertrags, Gehaltsnachweisen der vergangenen Monate sowie Kontoauszügen über regelmäßige Unterhaltszahlungen auch noch eine Bestätigung ihrer Bank, dass die Unterhaltszahlungen regelmäßig kommen und dass sie über Kapitalvermögen verfügt; außerdem eine Bürgschaft ihres 80-jährigen Vaters mitsamt einer Einkommensbestätigung des Rentners, dass er auch über ausreichend Einkommen verfügt, um überhaupt für seine 50-jährige Tochter zu bürgen.

"Bei Privatvermietern kaum noch eine Chance"

Solche überzogenen Sicherheiten können nur die wenigsten Frauen geben. Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) in München schlägt mittlerweile Alarm. Er unterhält in der Stadt drei Übergangseinrichtungen für wohnungslose Frauen, in denen diese bis zu sechs Monate lang wohnen können. "Bis vor ein paar Jahren bekamen Frauen, die aktiv suchten, schnell eine Wohnung", sagt Beate Ritzinger, die eines der Häuser in München leitet. "Unsere Klientinnen haben bei Privatvermietern kaum noch eine Chance, besonders alleinerziehende Mütter und Frauen in Notsituationen sind betroffen", hat SkF-Geschäftsführerin Karin E. Müller festgestellt.

Aber auch viele Familien, die von Arbeitslosengeld II, also Hartz IV leben, wenden sich vermehrt an den Sozialdienst. Da ist zum Beispiel eine 38-jährige Deutsche, die mit ihrem italienischen Mann und vier Kindern in einer Zweieinhalbzimmer-Wohnung leben muss. "Der Vermieter hat der Familie im April wegen Überbelegung gekündigt, der Wohnungsantrag läuft seit Februar dieses Jahres", erzählt Elisabeth Tyroller, die das Ehepaar beim SkF betreut. Bis jetzt hätten die beiden nur einen Wohnungsvorschlag von der Stadt bekommen, seien aber vom Vermieter abgelehnt worden. Oder da ist der Fall der 20-jährigen Marokkanerin, die von ihrem irakischen Mann das erste Kind erwartet. Sie leben in München in einem Einzimmer-Appartement, das kaum beheizbar und extrem verschimmelt ist - die Frau leidet mittlerweile unter Atemnot und anderen gesundheitlichen Problemen.

Alleinerziehende bekommen nach Angaben von Andreas Danassy vom Münchner Sozialreferat vier sogenannte Vorrangpunkte, "was in jedem Fall zur Einstufung in die höchste Dringlichkeitsstufe führt". Das sei die Voraussetzung für die Vermittlung einer Sozialwohnung, ebenso, dass die betroffene Frau normalerweise seit mindestens fünf Jahren in München gemeldet ist. Wer in einem Mutter-Kind-Heim oder im sogenannten Notunterbringungssystem - also Notquartieren, Pensionen und Einrichtungen von Sozialverbänden - untergebracht sei, könne nach drei Jahren auf eine Sozialwohnung hoffen, Bewohnerinnen von Frauenhäusern nach einem Jahr.

In München sind derzeit laut Sozialreferat 880 alleinerziehende Frauen für eine Sozialwohnung "dringlich vorgemerkt", davon seien 140 wohnungslos. Alarmierend sind auch die absoluten Zahlen: 8500 Haushalte sind derzeit in der Dringlichkeitsstufe 1, allerdings werden jährlich nur etwa 2700 Sozialwohnungen in München frei.

"Die Situation ist so schwierig geworden, dass die Umzüge aus Einrichtungen wie Frauenhäusern oder Mutter-Kind-Heimen in Wohnungen des freien Wohnungsmarkts sehr zurückgegangen ist", heißt es im Amt für Wohnen. Nicht nur der Sozialdienst katholischer Frauen fordert deshalb von der Politik, bei Alleinerziehenden zu handeln. "Wir benötigen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum, wenn der Erfolg der fachlichen Arbeit nicht ins Leere laufen soll. Hier besteht sozialpolitischer Handlungsbedarf", so SkF-Geschäftsführerin Müller.

© SZ vom 30.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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