Wenn Freunde zu Kollegen werden:Verfluchte Nähe

Unterstützung im Büro oder Konkurrenz um die guten Posten? Wenn der Kumpel zum Arbeitskollegen wird, verändert sich die Beziehung - das ist nicht immer von Vorteil.

Was privat klappt, kann beruflich ganz schön schiefgehen. Wenn Freunde zu Kollegen werden, ist das oft eine Belastungsprobe - privat wie beruflich. Das Zusammenspiel funktioniert aber, wenn beide Seiten ein paar Regeln beachten. "Auf jeden Fall sollte man offen mit der Situation umgehen und dem Chef sagen, dass man mit dem neuen Kollegen befreundet ist", rät Susanne Rausch von der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung in Berlin.

Entspannung bei klaren Verhältnissen

Klare Verhältnisse sorgen auch zwischen den befreundeten Kollegen für Entspannung. "Wenn man ein Rollenbewusstsein schafft und Regeln aufstellt, etwa wie man sich in Konfliktsituationen verhält, dann kann das Zusammenarbeiten sehr gut funktionieren", sagt Hans-Georg Huber, Diplom-Psychologe und Coach aus Freiburg.

Passiert beispielsweise dem neuen Kollegen ein Missgeschick, empfindet der Freund einerseits wahrscheinlich Mitgefühl. Andererseits ist er vielleicht auch sauer, weil ihn der Fehler bei seiner Arbeit belastet. Solche Situationen trüben die Freundschaft dann nicht, wenn beide es schaffen, die berufliche Beziehung von der privaten zu trennen. Gewisse Fragen sollten Freunde daher unbedingt klären, bevor sie zu Kollegen werden: Müssen wir jeden Tag die Mittagspause miteinander verbringen, uns bei schwierigen Projekten helfen oder füreinander einstehen, wenn es Probleme gibt? Fast immer können diese Fragen generell mit Nein beantwortet werden.

Eigene Erfahrungen machen

"Man sollte nicht unbedingt zusammenglucken", sagt die Karriereberaterin Julia Funke aus Frankfurt. "Natürlich kann man dem Freund zeigen, wo das Papier liegt oder wie die Kaffeemaschine funktioniert." Verantwortlich für den Freund sei man aber nicht. So müsse man ihn auch nicht über die Macken der anderen Mitarbeiter aufklären. "Mit Tratsch sollte man sich zurückhalten, da muss jeder seine eigenen Erfahrungen machen." Vielleicht mag der Freund den verhassten Kollegen sogar sehr gerne.

Trotz aller Absprachen folgen die Gefühle nicht immer den aufgestellten Regeln. Deshalb kann es zwischen den Freunden und anderen Mitarbeitern zu Streit kommen. "Man darf auch mal irritiert sein und schlucken, wenn der Kollege und Freund sich anders verhält, als man es in einer privaten Beziehung erwarten würde", sagt Huber.

Schieflage mit dem Chef

Die Alarmglocken sollten aber klingeln, wenn sich das eigene Bild vom Freund verändert und man ihn in einem anderen, schlechteren Licht sieht. "Dann muss ich das unbedingt ansprechen." Viele Menschen neigen nun mal dazu, sich im Büro anders zu verhalten als zu Hause.

"Eine privat sehr liebe und ruhige Person kann im Beruf sehr ehrgeizig sein", sagt Karriereberaterin Rausch. So wird einem der gute Freund im Berufsleben vielleicht sogar unsympathisch. Schwierig wird es auch, wenn ein Freund der Vorgesetzte ist. Immerhin muss ein Chef delegieren und auch mal ein Machtwort sprechen, während Freunde gleichberechtigt sind. Aber auch diese Schieflage lässt sich ausgleichen, wenn der befreundete Chef gute Führungsqualitäten besitzt. "Auch als Chef kann man auf Augenhöhe mit seinem Team kommunizieren", sagt Coach Huber.

Die eigene Reputation steht auf dem Spiel

Susanne Rausch sieht vor allem dann Probleme, wenn es um Umstrukturierungen und Kündigungen im Betrieb geht: "Da kommt man schnell in einen Loyalitätskonflikt." Oft weiß der Vorgesetzte viel früher mehr als die restliche Belegschaft. Aber selbst vor Freunden muss er in dieser Situation stillhalten. Das wird schnell als Vertrauensbruch ausgelegt. "Auch hier gilt: Man muss offen darüber reden, dass man nicht anders handeln kann und dass das die Freundschaft nicht belasten soll", sagt Rausch.

Wenn man seinem Chef den Freund für einen Job empfiehlt, sollte man sich über seine Kompetenzen sicher sein. "Man muss voll und ganz von ihm überzeugt sein und dem Freund mit der Empfehlung nicht nur persönlich gefallen wollen", sagt Karriereberaterin Funke. Denn letztlich steht mit der Empfehlung auch die eigene Reputation auf dem Spiel. Stellt sich der Freund als inkompetenter Kollege heraus, könne das den eigenen Job belasten.

Freude am Morgen

Psychologe Huber sieht in der Zusammenarbeit von Freunden aber auch Positives: "Man freut sich morgens auf den Freund im Büro. Und das stabilisiert und immunisiert gegen die Widrigkeiten des Berufslebens."

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