Steinmeier in Athen:Small-Talk und gewagte Vergleiche

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Griechenlands Premier Samaras empfängt Bundesaußenminister Steinmeier in Athen. (Foto: dpa)

Kaum ist Frank-Walter Steinmeier im Amt, reist er nach Athen. Der Außenminister will zeigen, dass ihm Griechenland am Herzen liegt. Seine Wortwahl unterscheidet sich aber wenig von der im Land unbeliebten Kanzlerin. Und seine Motivationsversuche sind ziemlich gewagt.

Von Nico Fried, Athen

Im Büro des griechischen Ministerpräsidenten fällt Frank-Walter Steinmeier am Freitagmorgen in eine tiefe Couch. Antonis Samaras fragt ihn zur Begrüßung, wann er angekommen sei. "Gestern, später Nachmittag", antwortet der deutsche Außenminister in lupenreinem Englisch. Dann habe er mit seinem griechischen Kollegen geredet und gegessen. Samaras nickt und macht einen etwas schwer verständlichen Scherz über den Zusammenhang von Arbeit und Essen.

Vor eineinhalb Jahren saß Angela Merkel da, wo jetzt Steinmeier sitzt. Damals sah sich Samaras um und sagte: "This is my office." Das ist mein Büro. Daraufhin sah sich Merkel um, machte ein anerkennendes Gesicht und sagte: "It's a nice office." Schönes Büro. Am Niveau des Small Talks im deutsch-griechischen Verhältnis wird sich offenkundig nichts verändern durch die Beteiligung der SPD an der Regierung in Berlin.

Und sonst?

Es ist diese Frage, die Frank-Walter Steinmeier durch Athen begleitet. Er hat sich entschieden, sehr früh nach seiner Amtsübernahme nach Griechenland zu reisen. So etwas wird unter außenpolitischen Auguren stets als ein Zeichen gewertet. Nur wofür? Klar, Griechenland ist wichtig, weil es gerade die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union führt. Aber das deutsch-griechische Verhältnis ist ja seit Beginn der Euro-Krise sehr viel komplizierter: Der Schuldenstaat und die Wirtschaftsmacht; der schwerkranke Patient und sein wichtigster Retter; die zwei Extreme der Euro-Krise. Steinmeiers neue Chefin ist hier nicht sonderlich beliebt. Und hat nicht die SPD stets den Eindruck erweckt, mit ihr werde manches anders?

"Vieles in der Politik ist Kommunikation", sagt Steinmeier auf die Frage, was sich denn nun mit ihm ändere. Er will diese Kommunikation verbessern, um Missverständnisse der Vergangenheit zu vermeiden. Missverständnisse, die entstanden sind, weil es manchmal am Respekt für Länder wie Griechenland und ihre Anstrengungen gefehlt habe, sagt er. Früher schimpfte Steinmeier an dieser Stelle stets auch auf Merkel und ihre Bemerkungen über die Arbeitsmentalität der Südeuropäer. Das tut er jetzt nicht mehr.

Die Kommunikation zu verbessern, das ist aus dem Munde Steinmeiers immer eine ambivalente Ankündigung. Einerseits handelt es sich natürlich um ein löbliches politisches Vorhaben. Wenn man Steinmeier dann eine Weile zuhört, denkt man andererseits: Fang am besten bei Dir selber an. Der Außenminister Steinmeier II knüpft in der Umständlichkeit seiner Sprache nahtlos an den Außenminister Steinmeier I an, wenn er zum Beispiel ökonomische Verhältnisse "adjustieren" oder "das intensive Gespräch, das hier begonnen wurde, in der weiteren Zukunft verdichten" will.

Am Freitagmittag sitzt Steinmeier in einer Schule, in der Deutsch als erste Fremdsprache gelehrt wird. Es ist eine Privatschule. Die Schüler kommen nicht aus ärmsten Verhältnissen, machen sich gleichwohl Sorgen um ihre Zukunft. Also wird Steinmeier nach der aktuellen Politik gefragt, nach Arbeitslosigkeit, nach Sparmaßnahmen. Er antwortet mit einem weiten Exkurs in die europäische Geschichte, der, wenn der Blick ins Publikum nicht täuscht, die Schüler nicht wirklich fasziniert. Sie hätten da ein paar konkrete Fragen. Später verteidigt er die Reformen der griechischen Regierung. Und in der Politik sei es nun einmal so, dass man nicht einfach den Lichtschalter umlegen könne, sondern Zeit brauche, um etwas zu verändern. Anders hätte das Merkel auch nicht gesagt.

Wie seine Kanzlerin wählt auch der Außenminister im Gespräch mit den Griechen eine Mischung aus Respekt für das Geleistete und der Mahnung, jetzt nicht nachzulassen. Und wie Merkel illustriert Steinmeier dies auch mit dem Bild vom schwierigen Weg, der schon gegangen wurde, nun aber auch zu Ende gebracht werden müsse. Sämtliche Fragen nach weiteren Konzessionen, nach Erleichterungen bei den Zinszahlungen oder gar einem weiteren Schuldenschnitt werden von Steinmeier so beantwortet wie von der Bundeskanzlerin: vage.

Noch eine weitere bemerkenswerte Parallele

Es gibt noch eine weitere bemerkenswerte Parallele. Sowohl die Kanzlerin wie auch ihr Außenminister benutzen quasi-biografische Vergleiche für ihre persönliche Einschätzung der Lage in Griechenland. Und beide Vergleiche sind ziemlich gewagt. Merkel erinnerte der Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen an die ersten Jahre in der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung. Steinmeier sagt, er wisse aus eigener Erfahrung mit der Agenda-Politik der Regierung Schröder, wie schwer es sei, die Menschen von notwendigen Reformen zu überzeugen. Rückgrat brauche man dafür, wobei der Zuhörer nicht so recht weiß, was an dieser Parallele befremdlicher ist: Der Vergleich der deutschen Wirtschaftskrise zu Zeiten der Regierung Schröder mit den gegenwärtigen Zuständen in Griechenland - oder das etwas penetrante Selbstlob, das in Steinmeiers Worten mitschwingt.

Aber natürlich meint der Außenminister seine Vergleiche nur motivierend. Reformen lohnten sich, ist seine Lektion aus der eigenen Vergangenheit. Deshalb wird er auch nicht müde, auf die ersten Erfolge hinzuweisen, die in Griechenland zu sehen seien. Die große Sorge nicht nur Steinmeiers liegt nämlich darin, dass die Europawahlen im Mai zu einer Erschlaffung der griechischen Anstrengungen führen könnten. Das gilt sowohl in der Zeit des Wahlkampfs, weil insbesondere die Sozialisten mit Umfragewerten von um die fünf Prozent fast von der Auslöschung bedroht sind. Es könnte aber auch danach zum Problem werden, wenn das Wahlergebnis die Legitimation der amtierenden Regierung weiter schwächen sollte.

Auch über solchen politischen Verschleiß einer Regierung könnte der ehemalige rot-grüne Kanzleramtsminister ja viel aus eigener Erfahrung erzählen.

© SZ vom 11.01.2014/ter - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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