Familie und Karriere:"Väter können von einer Mini-Elternzeit beruflich profitieren"

Vater mit Kind

Viele Väter entscheiden sich für eine sehr kurze Elternzeit.

(Foto: dpa)

Viele junge Väter befürchten einen Karriereknick, wenn sie Elternzeit in Anspruch nehmen. Matthias Lindner vom Bundesforum Männer berichtet im Gespräch mit Süddeutsche.de über die tatsächlichen Auswirkungen der Job-Abstinenz, über Rollenbilder - und die Verantwortung der Großväter.

Von Felicitas Kock

"Zwischen Wunsch und Wirklichkeit" lautet der Untertitel einer aktuellen Studie, die das Forsa-Institut im Auftrag der Zeitschrift "Eltern" durchgeführt hat. 41 Prozent der abhängig beschäftigten Väter glauben demnach, dass sich die Elternzeit negativ auf ihre Karriere auswirken könnte. Kaum einer kann sich vorstellen, weniger zu arbeiten - dabei hätten mehr als 40 Prozent gern mehr Zeit für ihre Familie. Doch welche Folgen hat die Elternzeit tatsächlich für die Karriere von Vätern? Und mit welchen Erwartungen sehen sie sich heute konfrontiert? Matthias Lindner hat sich mit diesen Fragen beschäftigt. Der 44-Jährige war mehrere Jahre als Bereichsleiter Genderpolitik bei der Gewerkschaft Verdi tätig und hat das Bundesforum Männer mitgegründet.

Süddeutsche.de: Herr Lindner, viele junge Väter fürchten, dass ihnen die Elternzeit einen Karrieknick bescheren könnte. Eine begründete Angst?

Matthias Lindner: Das kommt ganz darauf an, wie lange die Elternzeit dauert. Nehmen Männer sich nur zwei Monate, wird das in den meisten Betrieben mittlerweile als gängige Praxis betrachtet. Oft werden die zwei Monate auch noch aufgesplittet, dann fällt kaum auf, dass der Arbeitnehmer fehlt. Väter können von so einer Mini-Elternzeit beruflich sogar profitieren.

Inwiefern?

Viele Väter stehen nach einer kurzen Elternzeit beruflich besser da als zuvor. Sie haben dadurch bewiesen, dass sie sich um ihre Familie kümmern. Sie haben Sozialkompetenz gezeigt - und erfahren dafür nicht nur Anerkennung durch die Kollegen, sondern steigen auch im Ansehen ihrer Vorgesetzten.

Die meisten Männer entscheiden sich für diese minimale Zwei-Monats-Lösung. Was passiert, wenn sich ein Vater länger um sein Kind kümmern will?

Zunächst erfahren sie einen großen persönlichen Gewinn. Die enge emotionale Bindung, die durch diese gemeinsame Zeit mit den Kindern entsteht, ist unbezahlbar. Beruflich kann es ihnen dann aber genauso ergehen wie den Müttern, die versuchen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Eine Benachteiligung bei Beförderungen oder Weiterbildungen ist nicht auszuschließen. Männer erfahren dann das, was Frauen schon seit Jahrzehnten erfahren - mit dem Unterschied, dass Männer, die wegen ihrer Kinder längere Zeit abwesend sind, gelegentlich noch gefragt werden, ob sie denn keine Frau zu Hause hätten, die sich kümmert.

Sieht man es in manchen Branchen lieber, wenn ein Mann mehrere Monate Elternzeit nimmt als in anderen?

Das kann man so nicht sagen. Bei meinen Recherchen bin ich zum Beispiel auf Fraport gestoßen, die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens. Dort gibt es viele Menschen in Berufen, bei denen man annimmt, dass ein klassisches Männlichkeitsbild eine wichtigere Rolle spielt als beispielsweise im kreativen Bereich. Doch gerade in diesem Unternehmen nehmen sehr viele Männer die Elternzeit in Anspruch. Grund dafür ist die interne Kommunikation: Bei Fraport wird für die Elternzeit geworben.

Es geht also mehr um die Unternehmenskultur als um die Branche?

Es ist auf jeden Fall gut, wenn der Chef entweder selbst mit gutem Beispiel vorangeht - oder zumindest ein offenes Ohr für Männer hat, die länger in Elternzeit gehen wollen. In diesem Zusammenhang hoffen wir auch auf die Großvätergeneration. Viele Männer in höheren Positionen haben Töchter, die unter der Doppelbelastung durch Job und Familie leiden und sich mehr Unterstützung von ihren Partnern wünschen. Im Idealfall nehmen ihre Väter das wahr - und gehen auch im eigenen Unternehmen sensibel mit dem Thema um.

Stress im Job, Stress zu Hause - viele junge Männer fühlen sich der Väterstudie zufolge überlastet. Ein Burn-out scheint da programmiert.

Das stimmt leider. Und es geht vor allem um die Erwartungshaltung, die viele Männer an sich selbst haben. Sie machen sich Druck, weil sie bestimmten Männlichkeitsvorstellungen entsprechen wollen. Als männlich gilt, wer bereit ist, alles, was er hat, in den Beruf einzubringen - und die Familie mit dem hart verdienten Geld zu versorgen. Dabei sieht der gewünschte Lebensentwurf vieler Männer überhaupt nicht so aus. Gleichzeitig wollen sie perfekte Väter sein. Das kann kaum gutgehen.

Die Doppelbelastung, die Frauen durch Karriere und Familie erleben, wird immer wieder thematisiert. Von überlasteten Männern ist dagegen selten die Rede - geraten sie ins Hintertreffen?

Ich würde hier nicht so sehr eine Trennlinie zwischen Männern und Frauen ziehen - sondern zwischen Menschen mit und ohne Pflegeverantwortung. Dabei ist es relativ egal, ob es sich um die Verantwortung für ein Kind oder einen anderen pflegebedürftigen Menschen handelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: