Tipps für den Einkauf von Sojaprodukten:Milchersatz mit Mängeln

Tipps für den Einkauf von Sojaprodukten: Der Soja-Anbau wächst weltweit. Der Großteil geht allerdings ins Tierfutter ein.

Der Soja-Anbau wächst weltweit. Der Großteil geht allerdings ins Tierfutter ein.

(Foto: Weimer Carvalho/dpa)

Die Milch wird neuerdings für allerhand Unbill des Körpers verantwortlich gemacht. Wie gut, dass es Sojadrinks gibt. Dabei wird übersehen, dass die Bohne nicht minder heftige Nebenwirkungen haben kann.

Von Berit Uhlmann

Bis zu 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In dieser Serie bewerten wir weit verbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 25: Sojaprodukte.

Es war ungefähr zur Jahrtausendwende, als die Kuh Konkurrenz von der Bohne bekam: Getränke, Puddings, Joghurts auf Sojabasis wurden von viel PR begleitet auf den Markt gebracht und als die bessere Alternative zu Milchprodukten positioniert. Für die pflanzlichen Lebensmittel muss schließlich keine Kuh leiden. Dem Blähbauch und anderen lästigen Symptomen, die viele Kuhmilchtrinker zu spüren vermeinen, glaubten immer mehr Sojakonsumenten zu entkommen.

Während der Absatz der Sojaprodukte stieg, bekamen Allergologen neue Kundschaft. Plötzlich schlugen bei ihnen Menschen auf, die zum Teil heftige Unverträglichkeits-Reaktionen erlebten. Es stellte sich heraus: Auch auf Soja reagieren manche Menschen allergisch.

Gefährdet sind vor allem Birkenpollen-Allergiker, sagt Regine Treudler, Leitende Oberärztin an der Universität Leipzig. Allerdings entwickelt nicht jeder von ihnen solch eine Kreuzraktion auf Soja-Produkte, die Allergologin schätzt, dass etwa fünf Prozent aller Deutschen betroffen sind. Sicher ist, dass Erwachsene häufiger an einer Soja- als an einer Kuhmilchallergie leiden.

Während Betroffene in der Regel stärker verarbeitete und erhitzte Soja-Produkte wie Öl und Sauce recht gut vertragen, tolerieren sie Getränke, Joghurts, Tofu und Diätpulver weniger. Vor allem die Drinks können gefährlich werden, denn mit ihnen nimmt man in kurzer Zeit gleich eine größere Menge zu sich, warnt die Medizinerin. Die Folgen können Hautreaktionen, Gesichtsschwellungen, Nesselfieber und seltener ein lebensbedrohlicher anaphylaktischer Schock sein. Doch dieses Risiko ist längst nicht allgemein bekannt. Der von Fachärzten seit Jahren geforderte Warnhinweis wird bislang nicht auf die Verpackungen gedruckt, kritisiert die Expertin.

Warum Babys keine Sojamilch bekommen sollten

Die Allergiegefahr bekamen in den vergangenen Jahren auch die Eltern von Kleinkindern zu spüren. Sie kamen vom Regen in die Traufe, wenn sie wegen einer Kuhmilchallergie des Babys auf Soja-basierte Kindernahrung umstellten. Viele der Kleinen reagierten auch auf das neue Angebot allergisch.

Mittlerweile gilt, dass Säuglinge und Kleinkinder überhaupt keine Sojaprodukte erhalten sollten - und zwar unabhängig vom Allergierisiko. Das Bundesinstitut für Risikobewertung begründete die Empfehlung vor allem mit den unklaren Wirkungen der Isoflavone in der Soja-Bohne. Diese Inhaltstoffe ähneln dem weiblichen Hormon Östrogen. Tierversuche hatten Hinweise darauf ergeben, dass sich eine hohe Isoflavon-Zufuhr auf die Entwicklung der Fortpflanzungsorgane, auf das Immunsystem und die Schilddrüse auswirkt.

Bei größeren Kindern und Erwachsenen will Treudler Soja nicht verteufeln. Vor allem Veganer schätzen den hohen Eiweißgehalt. Die meisten Getränke sind mit Calcium angereichert und versorgen den Körper so auch mit dem wichtigen Milch-Inhaltsstoff. Wer die Bohnen-Produkte verträgt und mag, kann zugreifen. Er sollte allerdings skeptisch gegenüber den Heilsversprechen der Produzenten sein.

Ist Soja gut für die Gesundheit?

Wissenschaftler beobachten schon lange, dass in asiatischen Ländern weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Wechseljahresbeschwerden und Brustkrebsfälle auftreten. Könnte der hohe Soja-Konsum eine Rolle spielen? Mittlerweile gibt es eine beachtliche Forschungsliteratur - aber überwiegend unklare und widersprüchliche Ergebnisse. Viele Studien sind klein, größere Analysen wurden häufig von der Industrie finanziert und wecken Zweifel. Ein Überblick über die bisherigen Erkenntnisse:

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In diesem Bereich sind die Hoffnungen am größten. Lange Zeit dachten Forscher, dass die Isoflavone das als schädlich geltende LDL-Cholesterin senken könnten. Tatsächlich erlaubt die US-Gesundheitsbehörde FDA seit 1999, dass Soja-Produzenten mit den positiven Wirkungen auf das Herz werben dürfen. Inzwischen sind die postulierten Vorzüge für die Herzgesundheit auf geringe Größe geschrumpft. Und es sieht so aus, als ob der sehr moderate Effekt nicht durch die Isoflavone, sondern durch die schlichte Tatsache hervorgerufen wird, dass Soja-Konsumenten weniger Fleisch essen.

Wechseljahresbeschwerden

Während nur zehn bis 20 Prozent der Asiatinnen unter so unangenehmen Symptomen wie Hitzewallungen leiden, trifft es in den westlichen Ländern 70 bis 80 Prozent. Doch leider gibt es keinen Beweis dafür, dass es die Soja-Inhaltstoffe sind, die den Frauen in Fernost das Leben erleichtern. Selbst die nicht besonders strenge Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wollte nicht erlauben, dass für Soja-Produkten mit der Wirkung für die Wechseljahresbeschwerden geworben wird. Sie konstatierte außerdem, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass Sojakonsum die Gefahr von Osteoporose senkt.

Brustkrebs

Diese Erkrankung ist besonders schwer zu bewerten. Generell gilt, dass ein hohes Level an Östrogenen das Risiko für Brustkrebs steigert. Die Östrogen-ähnlichen Isoflavone des Sojas könnten sich also - zumindest theoretisch - negativ auswirken. Paradoxerweise haben Asiatinnen aber seltener Brustkrebs als Frauen in der westlichen Welt. So widersprüchlich wie diese Ausgangslage sind die Ergebnisse von Studien. Der Effekt lässt sich derzeit nicht abschließend bewerten.

Gentechnik in der Bohne

Verbunden mit der Sojabohne ist ein Wort, das vielen Verbrauchern hässlich wie kein anderes erscheint: Gentechnik. Die Technologie hat ein dermaßen schlechtes Image, dass mit ihr hergestellte Soja-Produkte kaum verkäuflich wären. Was hierzulande im Supermarkt steht, ist in aller Regel gentechnik-frei. In mehr als 1100 Lebensmittelproben aus insgesamt zehn Bundesländern wurden 2012 nur sieben Produkte gefunden, die über dem Grenzwert von 0,9 Prozent liegen. Meist handelte es sich um Importware, die außerhalb der großen Handelsketten vertrieben wurde.

Das Gentechnik-Problem stellt sich eher im Bereich der Tierhaltung. Denn 80 Prozent der gigantischen Soja-Ernte dieser Welt wird verfüttert, der Großteil davon ist gentechnisch verändert. Dafür, dass diese Praxis hiesige Verbraucher schädigt, gibt es keine klaren Hinweise. Probleme bereiten die Gentech-Pflanzen eher in den Anbaugebieten.

Vor allem in den USA und Südamerika sind die meisten der Soja-Pflanzen gentechnisch so modifiziert, dass nur sie das großzügig ausgebrachte Pflanzengift Glyphosat überstehen. Das Pestizid tötet alle umstehenden Gewächse und bedroht somit die Artenvielfalt, wie unter anderem doe Umweltorganisation BUND warnt.

Zudem könnte das Pflanzengift Ungeborenen schaden. Es gibt Hinweise darauf, dass schwangere Frauen, die mit größeren Mengen Glyphosat in Kontakt kommen, vermehrt Kinder mit Fehlbildungen zu Welt bringen.

Verbraucher, die Fleisch von Tieren ohne oder mit wenig Gentechnikfutter kaufen wollen, können auf entsprechend deklariertes oder Bio-Fleisch zurückgreifen. Günstiger aber ist, den Fleischkonsum einzuschränken. Denn in der Klimabilanz schlägt einer österreichischen Studie zufolge die Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch mit 60 bis über 200 Kilogramm Kohlendioxid zu Buche. Die gleiche Menge Tofu kommt mit 3,8 Kilogramm CO2 davon.

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