Suche nach Endlager für Nuklearmüll:Atomarer Spaltpilz

Anti-Atomkraftdemonstration vor dem Reichstag

Anti-Atomkraftdemo vor dem Reichstag im Juni 2013: Umweltschutzaktivisten sind von der Politik enttäuscht - auch von den Grünen.

(Foto: dpa)

Lange kämpften sie Seite an Seite: die Grünen und die Ökogruppen. Jetzt soll eine Kommission nach einer Alternative zum Endlager Gorleben suchen, doch Umweltverbände wie Greenpeace verweigern die Teilnahme. Für die Grünen ist das misslich.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Die Grünen und die Umweltbewegung - gerade beim Atommüll war das lange eine unverbrüchliche Allianz. Vor allem im Kampf gegen das Endlager in Gorleben passte nichts zwischen Grüne und Ökogruppen. Jetzt hingegen, wo es um die Suche nach Alternativen geht, wird die Sache schwieriger. Die Umweltbewegung will nämlich nicht mehr mitmachen, jedenfalls nicht beim konstruktiven Teil der Suche nach möglichen Orten für ein Endlager.

Den soll eine neue Kommission angehen. Zusammengesetzt aus Parlamentariern und Vertretern der Länder und aller möglichen Interessensgruppen soll sie bis zum Ende kommenden Jahres die Kriterien für ein neues Verfahren festlegen. Welche Regionen für eine Atommülldeponie infrage kommen, welchen Standards ein Endlager genügen muss, wie es sich am besten finden lässt - all das sollen die 33 Mitglieder der Kommission mit Zweidrittelmehrheit festlegen. Ihre Einsetzung ist nur noch Sache weniger Wochen. Auch für die Umweltgruppen, die schärfsten Beobachter des Verfahrens, sind zwei Sitze in der Kommission vorgesehen. Bloß: Sie wollen sie nicht einnehmen.

Vor allem für die Grünen ist die Lage misslich

Kurz vor Weihnachten hatten sie den zuständigen Bundestagsabgeordneten ihre Absage zugestellt, samt einer Liste enttäuschter Forderungen. Es habe vor Verabschiedung des Gesetzes "keine dringend notwendige breite gesellschaftliche Debatte gegeben", der Standort Gorleben bleibe zu unrecht in der Debatte, die Finanzierung der Suche durch die Atomkonzerne sei nicht hinreichend sichergestellt. "Als Folge dieser grundlegenden Kritik werden wir derzeit keine Vertreter der Umweltverbände für die Kommission vorschlagen", heißt es in einem Brief von Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzringes (DNR). Er koordiniert die Verbände. Seitdem herrscht Funkstille.

Vor allem für die Grünen ist die Lage misslich. Sie hatten an vorderster Front für den Start einer neuen Endlagersuche gekämpft, allen voran Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Am Ende nahmen sie sogar in Kauf, dass der ungeliebte Endlager-Kandidat Gorleben nicht per se ausgeschlossen wurde. Nun müssen sie befürchten, ausgerechnet von den Anti-AKW-Verbündeten von einst unter Beschuss genommen zu werden.

"Wer jetzt noch fehlt, seid ihr, die Umweltverbände"

Wie schwierig das Verhältnis mittlerweile ist, zeigt ein Brief, der die Umweltverbände an diesem Freitag erreicht hat. Absenderin ist Sylvia Kotting-Uhl, die atompolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Inhalt ist ein Appell an die Vernunft der Atomkraftgegner. "Es liegt im Wesen eines politischen Konsenses, dass alle Seiten sich noch Verbesserungen vorstellen können", schreibt Kotting-Uhl. Vor allem Union und FDP, lange vehemente Befürworter Gorlebens, hätten weit mehr Zugeständnisse machen müssen als die Grünen. Viele hätten sich bewegt: "Wer jetzt noch fehlt, seid ihr, die Umweltverbände."

Doch die wollen davon nichts wissen. "Wir wollen nicht als Feigenblatt für ein Verfahren herhalten, das nichts taugt", sagt Jochen Stay, Kopf der Anti-Atomgruppe "Ausgestrahlt". Auch die Umwelt-Organisation Greenpeace hält an ihrem Nein fest. "Das war kein Schnellschuss, wir haben uns da lange den Kopf zerbrochen", sagt Tobias Münchmeyer, der für Greenpeace in Berlin Lobbyarbeit macht. Es fehle schlicht das nötige Vertrauen.

Ende März wollen sich die Verbände treffen, um ihre Haltung endgültig abzustecken. "Wir wollen versuchen, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen", sagt DNR-Chef Röscheisen. Ziel sei ein Katalog von Bedingungen, unter denen die Umweltgruppen vielleicht doch noch Vertreter entsenden. Allzu viel sollten sie sich aber nicht versprechen. "Eure in den Raum gestellte Bedingung für die Teilnahme - eine erneute Befassung des Gesetzes durch das Parlament mit dem Ziel der ,Verbesserung'", so Kotting-Uhl, "ist nicht erfüllbar."

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