Feiern im öffentlichen Raum:Friedensengel für München

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Auch wenn Anwohner über unhaltbare Zustände klagen: Das abendliche Treiben auf dem Gärtnerplatz (links) ist aus Sicht der Polizei und der Ordnungsbehörden nicht so dramatisch, dass ein Einschreiten nötig wäre. (Foto: Florian Peljak)

Die einen genießen ihre Sommerabende an der Isar oder am Gärtnerplatz, die anderen klagen über Müll und Ruhestörungen. Die Konflikte um die Nutzung des öffentlichen Raums nehmen von Jahr zu Jahr zu. Nun will die Stadt das Problem angehen - und eigene Mitarbeiter losschicken.

Von Sven Loerzer

Wenn es wärmer wird und viele Menschen wieder ihre Abende draußen verbringen, dann will die Stadt mit einem neuen Ansatz die dabei entstehenden Konflikte im öffentlichen Raum lösen. Ob nächtliche Geselligkeit am Gärtnerplatz, Grillfeste an der Isar oder der Partybetrieb auf der "Feierbanane" in der Sonnenstraße, ob Ärger über Jugendliche an der Gerner Brücke oder Trinkgelage an Plätzen und in Parks, in all diesen Fällen soll künftig "Allparteiliches Konfliktmanagement in München" (AKIM) helfen, einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen Interessen herbeizuführen.

Die Stadt will dazu knapp fünf Stellen schaffen. Vier davon sind für Sozialpädagogen vorgesehen, die als Team an Orten präsent sein sollen, wo es immer wieder Konflikte gibt. Das Projekt, das das Sozialreferat zusammen mit dem Gesundheits- und dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) entwickelt hat und das der Stadtrat am Donnerstag beschließen soll, kostet jährlich rund 360.000 Euro. Es orientiert sich am Wiener Vorbild "SAM" (sozial, sicher, aktiv, mobil), der mobilen sozialen Arbeit in Problemzonen des öffentlichen Raums.

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Die Streetworker, die es in München bisher schon gibt, kümmern sich jeweils nur um eine besondere Zielgruppe, wie etwa Jugendliche, Drogenabhängige oder Obdachlose. In den vergangenen Jahren nahm die Zahl von Konflikten zu, die durch spontane Versammlungen von Menschen im öffentlichen Raum entstehen. Der Gärtnerplatz ist das wohl bekannteste Beispiel.

Aber auch andernorts stören sich Anwohner, Passanten und Geschäftsleute daran, wenn Jugendliche öffentliche Plätze zu ihrem Treffpunkt machen oder sich Menschen zu Trinkgelagen an Kiosken oder in Parks treffen. Manche empfinden solche Versammlungen sogar als bedrohlich. Nach Einschätzung des KVR dürften die Konflikte weiter zunehmen: "Die Zahl der Versammlungen und Veranstaltungen geht seit Jahren kontinuierlich nach oben", berichtet die Ordnungsbehörde. "Lärmbeschwerden über Gaststätten und Freischankflächen nehmen gleichermaßen wie der Bedarf nach Sitzen im Freien und Feiern ohne Sperrstunde zu."

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Das Beispiel Gärtnerplatz zeige, "dass weder präventive und repressive Ansätze noch Hilfsangebote zu einer Lösung der Situation führen". So befänden sich die dort "von vorwiegend friedlich Feiernden verursachten Störungen" regelmäßig "unterhalb der Schwelle behördlichen Einschreitens". Ordnungsrechtlich gegen eine solche Nutzung vorzugehen, wie es sich Anwohner wünschen, sei nicht möglich. Auch die Streetworker können nicht helfen, denn ihr "Adressatenkreis" sei dort nicht anzutreffen: Sie sollen Menschen erreichen, die nicht von sich aus nach Hilfe suchen, und ihnen den Zugang eröffnen, um soziale und gesundheitliche Probleme zu bewältigen.

Das Projekt AKIM soll die Arbeit jener Streetworker um einem "allparteilichen Ansatz" ergänzen, sich also um Konfliktmanagement für alle Nutzer des öffentlichen Raums kümmern. Dabei müsse Klarheit darüber bestehen, was toleriert und was sanktioniert werden muss, betont das Sozialreferat. Vorbild dafür ist der Wiener Leitfaden "Derf i des?", der einfach und übersichtlich die Spielregeln für ein konfliktfreies Zusammenleben benennt.

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AKIM soll im Sozialreferat angesiedelt und für das gesamte Stadtgebiet zuständig sein. Aufgabe der neuen Stelle ist, eine erste Konfliktanalyse vorzunehmen und dabei grob einzuschätzen, wie und durch wen der Konflikt zu bearbeiten ist. Reicht der Einsatz von Streetworkern aus oder ist Mediation sinnvoll? Ist Deeskalation am Platz angesagt - oder eher ein Runder Tisch? AKIM erhält dazu eine 30-Stunden-Stelle. Der neue Mitarbeiter soll "erste Ansprechperson" sein und auch einen Leitfaden zur Konfliktlösung erarbeiten. Ihm zur Seite steht ein Team aus vier Sozialpädagogen, die als "neutrale Ansprechpartner vor Ort präsent sind" und in Kontakt mit Nutzern, Anwohnern und Ordnungskräften treten.

Wegen der sehr unterschiedlichen Problemlagen in den Stadtteilen sollten die neuen Mitarbeiter Erfahrung mit Jugendarbeit und Suchthilfe, möglichst aber auch mit sozialen Randgruppen im öffentlichen Raum haben. Notwendig sei auch, verschiedene Sprachen zu beherrschen. Zudem müssen sie über eine Mediationsausbildung verfügen. Wenn es nötig sein sollte, bleibt auch ein ordnungsrechtliches Einschreiten nicht ausgeschlossen. Ein Arbeitskreis mit Vertretern von Sozialreferat, Gesundheitsreferat und bei Bedarf auch KVR und Polizei soll ein abgestimmtes Vorgehen gewährleisten.

Erstes Einsatzfeld des AKIM-Teams soll in diesem Sommer der Gärtnerplatz sein. Nach Wiener Vorbild soll das Team an der Kleidung erkennbar sein und im Schichtdienst in lauen Nächten unterwegs sein, um mit allen Seiten zu sprechen.

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Zusätzlich stocken das Sozial- und das Gesundheitsreferat auch die Streetwork im Gemeinwesen um 1,5 auf vier Stellen auf. Deren Mitarbeiter kümmern sich um sogenannte Wohnungsflüchter - Menschen, die sich an öffentlichen Plätzen treffen und in der Gruppe zumeist Alkohol im Übermaß konsumieren. Rund 160.000 Euro jährlich wird es kosten, um diesen Personenkreis, der oft in Konflikt mit Anwohnern gerät - etwa am U-Bahnhof Michaelibad - besser zu betreuen. Auch an weiteren Treffs in der Grünanlage an der Karl-Lipp-Straße in Moosach und in einer Grünanlage am U-Bahnhof Harthof sollen die Streetworker dann dauerhaft tätig sein.

© SZ vom 27.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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