Umstrittene Stromtrasse:Wutbürger in Kulmbach

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Die Stromtrasse soll verhindert werden: Die Bürger fürchten um die Landschaft, den Wert ihrer Häuser und die Zukunft ihrer Kinder. (Foto: dpa)

Sie fühlen sich betrogen: 1000 wütende Bürger kommen in Kulmbach zur ersten Informationsveranstaltung über die Stromautobahn von Sachsen-Anhalt nach Meitingen. Der Streit fängt gerade erst an.

Von Katja Auer und Christian Sebald

Die T-Shirts sind gerade noch rechtzeitig gekommen, es hat überhaupt alles sehr schnell gehen müssen. Kaum eine Woche ist es her, dass Ruth und Reimund Gumpert erfahren haben, dass die Nord-Süd-Stromtrasse durch Riegelstein führen soll. Entlang der Autobahn 9, die den kleinen Ortsteil von Betzenstein im Landkreis Bayreuth zerschneidet. Das wollen die Gumperts verhindern. Sie haben eine Bürgerinitiative gegründet, Flugblätter gedruckt, T-Shirts bestellt. "Stoppt die Stromautobahn - keine Monstertrasse durch unser Land", steht drauf. Und es sind viele zu sehen am Dienstagabend in der Kulmbacher Stadthalle. Dorthin hat der Dortmunder Netzbetreiber Amprion zur ersten öffentlichen Informationsveranstaltung geladen. Die Riegelsteiner sind mit dem Bus gekommen. Wie die Speichersdorfer, die Creußener, die Marktredwitzer. Mehr als 1000 Menschen drängen sich in der Halle, eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn ist der Saal überfüllt. Im Foyer steht zusätzlich eine Leinwand.

Es geht um die Gleichstrompassage Süd-Ost, so nennt sich die neue etwa 450 Kilometer lange Stromautobahn, die von Sachsen-Anhalt über Hof bis nach Meitingen nördlich von Augsburg führen soll. Die bevorzugte Trasse von Amprion verläuft bis Münchberg an der A 9, um dann einen Schwenk durch das Fichtelgebirge über Marktredwitz zu machen, bis sie bei Pegnitz zur Autobahn zurückkehrt und dort weiter gen Süden führt, entweder an der Straße oder an bestehenden Stromleitungen entlang. Eine Alternative, die aber mehr technische Schwierigkeiten birgt, verläuft an der A 9 an Bayreuth vorbei. Geplant ist, dass die Trasse, die Strom aus den Windparks im Norden in den Süden bringen soll, spätestens 2022 ans Netz geht. Zu diesem Zeitpunkt wird das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abgeschaltet. "Dann fehlen in Bayern zwei Gigawatt", sagt Amprion-Projektleiter Dirk Uther.

"Ich konnte gar nicht glauben, dass so was über unsere Köpfe hinweg entschieden wird"

Ein Argument, für das Albert Hader momentan nicht empfänglich ist. Er hat sich eine rote Warnweste übergezogen und bläst in eine Trillerpfeife. "Ich konnte gar nicht glauben, dass so was über unsere Köpfe hinweg entschieden wird", sagt er. Sein Haus stehe genau in der Trasse. In Ramlesreuth bei Speichersdorf, wo jetzt schon eine Stromleitung verläuft. Das reicht, findet Hader. Er hat die gleichen Sorgen wie alle in der Halle: Sie fürchten um die Landschaft und ihre Gesundheit, um den Wert ihrer Häuser und die Zukunft ihrer Kinder. Und sie fühlen sich überrumpelt, getäuscht sogar.

Als Julia Eßer von der Bundesnetzagentur, also der Genehmigungsbehörde, ausdrücklich begrüßt, dass Amprion so früh den Dialog suche und dass nichts "im stillen Kämmerlein" geplant werde, wird sie ausgepfiffen und als Lügnerin beschimpft. Die Stimmung ist aufgeladen im Saal, da mag es auch nicht wirken, dass Projektleiter Uther betont, die Planungen seien noch in der Anfangsphase. Nicht einmal ein Antrag auf Bundesfachplanung ist gestellt. Den will Amprion demnächst einreichen, danach, vermutlich 2017, geht es ins Planfeststellungsverfahren. Vorher sollen Antragskonferenzen stattfinden und alternative Vorschläge der Bürger für den Verlauf geprüft werden. "Es ist noch nie eine Trasse so rausgekommen, wie sie in die Planung gegangen ist", sagt Uther. Es mag ihm keiner glauben.

Seit die Pläne unlängst bekannt wurden, formiert sich der Widerstand. Und der besteht nicht nur aus ein paar Krawallmachern. "Wir sind keine Wutbürger", sagt ein Gemeinderat aus Marktschorgast, aber sie machen uns zu welchen." Der Kreistag von Hof hat eine Resolution verabschiedet, der aus Bayreuth will folgen. Unterschriftenlisten liegen aus, Bürgerinitiativen gründen sich. Auch die Politiker stimmen ein. Nicht nur wegen des Kommunalwahlkampfs, der Protest ist parteiübergreifend. Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) kann das nachvollziehen. "Es gibt keinen Bürgermeister, der sich ausreichend informiert fühlt", sagt er. "Das gilt für alle, die gesamte Trasse entlang."

Der Regierung wird Missmanagement bei der Energiewende vorgeworfen

In der Kulmbacher Stadthalle stehen der Reihe nach die Bürgermeister auf, der aus Himmelkron, der aus Pegnitz. "Sie bedrohen unsere Heimat", sagt Uwe Raab und wirft der Regierung ein Missmanagement bei der Energiewende vor. Es ist ein viel gebrauchtes Argument: Warum den Strom quer durch das Land transportieren, anstatt ihn in den Regionen zu erzeugen? Das fordert auch der Bund Naturschutz. Es geht nicht um einzelne Masten. Es geht um Grundsätzliches.

Der alte Nord-Süd-Konflikt droht wieder aufzubrechen, die Franken, die schon die meisten Windräder haben, wollen nicht auch noch eine Stromtrasse, die den Strom an ihnen vorbeischickt. "Nur weil sie am Starnberger See keine Windräder aufstellen wollen", wie es einer formuliert.

Gemeindetagschef Brandl versteht den Unmut der Bürgermeister und fordert eine Beteiligung der Bürger. Andererseits sei die Trasse für das Gelingen der Energiewende dringend nötig. "Damit ist es programmiert, dass wir in den betroffenen Regionen Unmengen frustrierte Leute bekommen, die sich verschaukelt fühlen", sagt er. Er stellt die Frage, ob die bisherigen Genehmigungsverfahren für so große Vorhaben wie die Energiewende überhaupt taugen. Auch Erwin Huber, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Landtag, glaubt nicht, dass der benötigte Strom allein im Freistaat produziert werden kann. "Deshalb brauchen wir Leitungen, Leitungen, Leitungen", sagt er. "Die Süd-Ost-Passage ist ein Projekt, ohne das wir die Energiewende nicht schaffen." Huber ist überzeugt, dass der jetzige Streit erst der Anfang ist . "Die Auseinandersetzung um die Windkraft ist nichts im Vergleich zu dem Streit, der uns beim Ausbau des Stromnetzes erwartet."

Am Mittwoch informierte Amprion in Nürnberg, am 4. Februar folgt Donauwörth.

© SZ vom 30.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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