"Zwölf Stämme":Staatsanwaltschaft ermittelt gegen TV-Reporter

Klosterzimmern

Trügerische Idylle? Die Glaubensgemeinschaft der "Zwölf Stämme" lebt in Klosterzimmern bei Deiningen.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Er filmte heimlich, wie Kinder in der Glaubensgemeinschaft "Zwölf Stämme" geschlagen wurden. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den RTL-Reporter. Ihm droht im schlimmsten Fall eine empfindliche Haftstrafe.

Von Stefan Mayr

Die Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt nicht nur gegen die Eltern der ultrachristlichen Glaubensgemeinschaft Zwölf Stämme, sondern auch gegen den Reporter des TV-Senders RTL, der die Ermittlungen ausgelöst hat. Wolfram Kuhnigk hatte mit einer versteckten Kamera gefilmt, wie Eltern aus der Sekte ihre Kinder in einem verdunkelten Raum mit Ruten auf das Gesäß schlugen. Er stellte diese Aufnahmen den Behörden zur Verfügung, daraufhin wurde allen Eltern vorläufig das Sorgerecht entzogen.

40 Kinder wurden aus ihren Wohnungen in Klosterzimmern (Kreis Donau-Ries) und Wörnitz (Kreis Ansbach) genommen und an Pflegeeltern und Kinderheime übergeben. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Misshandlung von Schutzbefohlenen auf. Das Verfahren läuft bis heute. Parallel dazu ermittelt die Behörde gegen Kuhnigk - wegen des Verdachts auf "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes".

"Es gab eine Anzeige von außerhalb der Zwölf Stämme", sagt ein Sprecher der Augsburger Staatsanwaltschaft, "das Verfahren ist weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen." Film- oder Tonaufnahmen ohne Einverständnis des Aufgenommenen sind verboten, der Strafrahmen reicht von einer Geldstrafe bis zu drei Jahren Haft.

Kuhnigk hatte im Sommer 2013 zwei Wochen lang im Kreise der Sekte in Klosterzimmern inkognito gelebt und mit einer Kamerabrille und einer versteckten stationären Kamera gefilmt. Seine Reportage löste die aufsehenerregende Großrazzia in Klosterzimmern und Wörnitz aus. Seither leben bis heute etwa 30 Kinder von ihren Eltern getrennt bei Pflegefamilien oder in Heimen.

Kuhnigk will das Ermittlungsverfahren selbst nicht kommentieren. Er zeigt sich aber "überzeugt", dass seine Aufnahmen "nicht rechtswidrig" seien, weil er sie "zur Wahrnehmung übergeordneter öffentlicher Interessen" gemacht habe. RTL habe die Bilder veröffentlicht, "um die Kinder zu schützen und ihr Leid zu beenden".

Das Kindeswohl sei in diesem Fall wichtiger als das Persönlichkeitsrecht der Eltern, betont Kuhnigk. So hätten auch das Oberlandesgericht Köln und das Bundesverfassungsgericht entschieden, als die Sekte eine Ausstrahlung des Filmes verhindern wollte. Ihr Antrag auf einstweilige Verfügung wurde abgelehnt.

Wann die Augsburger Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen die Eltern abschließen wird, ist nach wie vor offen. Eine entscheidende Frage in diesem Verfahren wird sein, ob die heimlich gedrehten Filme vor Gericht verwertet werden dürfen oder nicht. Von dieser Entscheidung könnte wohl abhängen, ob man den Eltern eine konkrete Misshandlung nachweisen kann oder nicht.

Die Staatsanwaltschaft Ansbach ihrerseits hatte bereits Mitte Januar ihre Ermittlungen gegen die Eltern aus dem mittelfränkischen Wörnitz eingestellt. Die Behörde begründete diese Entscheidung mit der Tatsache, sie habe "keine ganz konkreten Anhaltspunkte für konkrete Straftaten" gehabt. Diverse Zeugen hätten zwar "schon gewisse Hinweise" gegeben, aber zu konkreten einzelnen Straftaten hätten sie keine Angaben machen können. Deshalb habe die Staatsanwaltschaft die Verfahren einstellen müssen.

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