Ausbau der Ganztagsschulen:Wenig Geld, wenig Platz, wenig Wille

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Was nützt es berufstätigen Eltern, wenn die Ganztagsschulen um 15.30 Uhr schließen? Stadt und Freistaat arbeiten seit Jahren am Ausbau der Schulen, nun stellt sich heraus: Die Eltern zeigen bisher kaum Interesse.

Von Melanie Staudinger

Die Stadt will ihn, das bayerische Kultusministerium sowieso und auch die Oberbürgermeisterkandidaten. Nur viele Eltern, die wollen ihn nicht so recht: den Ausbau der Ganztagsbetreuung, vor allem im Grundschulbereich. Insbesondere soll es künftig mehr gebundene Ganztagsklassen geben, in denen sich Lern- und Spielphasen vormittags und nachmittags abwechseln. Doch gerade berufstätigen Eltern bringt eine Unterrichtszeit bis 15.30 Uhr und freitags gar nur bis 13 Uhr kaum etwas. Auch die fehlende Betreuung in den Ferien bereitet Schwierigkeiten. Grundschulrektoren plädieren daher für individuelle Lösungen statt eines einheitlichen Konzepts für alle.

Im Bildungsbereich zeigt sich besonders, dass Wahlkampf ist. Vor ein paar Monaten noch priesen das Kultusministerium und das Münchner Bildungsreferat stets ihre gute Zusammenarbeit. Inzwischen ist das Klima von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) fordert von der Stadt mehr Engagement beim Ganztagsausbau; sein Staatssekretär Georg Eisenreich (CSU) versteht nicht, warum München nur einzelne Klassen, aber keine kompletten Ganztagsschulen einrichtet.

Der Wille des Ministeriums sei bisher nicht klar kommuniziert worden, kontert Stadtschulrat Rainer Schweppe. An Münchens Schulen lösen diese Diskussionen eher Verunsicherung aus. Von den 132 öffentlichen Grundschulen bieten derzeit 42 Einrichtungen insgesamt 123 gebundene Ganztagsklassen an. 13 weitere sind geplant. Einzelne Schulen machen gute Erfahrungen mit dem Ganztag, doch nicht alle sind davon überzeugt, dass der sogenannte rhythmisierte Unterricht der richtige Weg für sie ist - und vor allem nicht der einzige.

"Bei uns gibt es nur ganz wenige Nachfragen", sagt Barbara Hoffmann, Leiterin der Grundschule an der Gerastraße - etwa zwei bis drei pro Schuljahr. Bisher gibt es an der zweizügigen Schule in Moosach eine Mittagsbetreuung. Wenn der Umbau des Schulzentrums abgeschlossen ist, eröffnet ein städtisches Tagesheim. "Dieses Angebot kam bei unseren Eltern sehr gut an, weil es bis 17 Uhr geht und auch die Ferienbetreuung sicherstellt", sagt Hoffmann. Eine zusätzliche Ganztagsklasse erscheine ihr als schwierig: "Da müssten wir die Eltern wahrscheinlich hineinzwingen."

Auch Claudia Wiessner, Rektorin der Haidhauser Flurschule, hält das Ganztagskonzept für noch nicht ausgereift. Auch hier bevorzugten Eltern den Hort - wegen der längeren Öffnungszeiten und des Ortswechsels. "Die Kinder sind nicht ständig im Klassenzimmer, sondern freuen sich, wenn sie nach Schulschluss in den Hort gehen", sagt Wiessner. Zudem fehle in ihrer Schule der Platz für Ganztagsklassen. Über Unterricht am Nachmittag wolle sie daher erst nachdenken, wenn die geplante Erweiterung ihrer Schule abgeschlossen sei: "Bisher aber gibt es in meinem Kollegium noch kein großes Interesse."

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Die Schulen, die bereits gebundene Ganztagsklassen anbieten, machen jedoch durchaus gute Erfahrungen, was vor allem am Engagement von Rektoren und Lehrern liegt. An der Fritz-Lutz-Grundschule in Zamdorf wird es im kommenden Schuljahr einen kompletten Zug bis zur vierten Klasse geben. "Der Bedarf ist gut abgedeckt", berichtet Schulleiterin Gerhild Wortmann. Sie befürchtet Schwierigkeiten mit den Eltern, böte sie nur Ganztagsklassen an. "Manche wollen, dass ihr Kind mittags heimgeht", sagt Wortmann. Mehr Ganztagsklassen könnte sie ohnehin nicht einrichten: "Die Raumnot ist gravierend." Wenn Klassen zur besseren Förderung geteilt würden, müssten Gruppen im Lehrerzimmer unterrichtet werden.

Einer der Ganztags-Vorreiter ist die Burmesterschule. Hier gibt es mittlerweile zwei Parallelklassen mit Unterricht bis in den Nachmittag. Rektorin Dorothea Wilhelm kann die zögerliche Haltung mancher Kollegen verstehen. "Als wir anfingen, haben wir uns alleine gefühlt", sagt sie über die erste Ganztagsklasse, die im Herbst 2009 startete. Sie musste qualitativ hochwertige externe Partner finden, die einzelne Stunden übernehmen. Vom Kultusministerium gibt es zwar extra Lehrerstunden.

Die aber reichen nicht aus, um den Stundenplan aufzufüllen. "Auch das Geld war zu wenig", sagt Wilhelm. Sie musste Sponsoren suchen - eine Aufgabe, die in der Ausbildung nicht vermittelt wird. Heute aber sei sie froh, den Schritt gewagt zu haben. "Unsere Kinder machen großartige Fortschritte", sagt Wilhelm. Ohne zusätzliche Angebote wie einen Hort oder die Ferienbetreuung des Kreisjugendrings funktioniere es aber nicht.

© SZ vom 04.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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