Sanierungskonzept für Kliniken:Ärzte rebellieren gegen Schrumpfkur

Klinikum Schwabing Schild

Den städtischen Kliniken droht ein Stellen- und Bettenabbau.

Weniger Betten, weniger Personal, weniger Abteilungen: Das Sanierungskonzept für die Münchner Kliniken sieht vor allem am Standort Schwabing harte Einschnitte vor. Die Ärztegewerkschaft ist empört - und der Betriebsrat will sich wehren.

Von Dominik Hutter, Sebastian Krass und Silke Lode

Gegen den harten Sanierungsplan für die städtischen Kliniken regt sich Widerstand. Die Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund attestierte den Beratern der Boston Consulting Group angesichts ihrer Vorschläge "eine geringe Kenntnis des Münchner Gesundheitsmarkts" und erklärte, für die Standorte Thalkirchner Straße und Schwabing seien "die Auswirkungen zwischen einer befürchteten Insolvenz und dieser sogenannten Sanierung" nicht mehr groß. Besonders scharf kritisierte der Marburger Bund den Plan, in Schwabing eine Poliklinik zu bilden. Betriebsratschef Christoph Emminger bezeichnete dies als "Konzept aus der Mottenkiste der jüngeren Geschichte", gemeint ist die DDR.

Der Betriebsrat des Schwabinger Krankenhauses will sich vehement dafür einsetzen, das Haus in seiner jetzigen Größe zu erhalten. Das Sanierungskonzept sei medizinisch fragwürdig, erklärte Emminger, der auch Mitglied des Aufsichtsrats ist. Er hat "massive Zweifel", dass ein derart abgespecktes Haus auf dem Gesundheitsmarkt überleben kann. Zudem drohe ein Exodus der qualifizierten Mitarbeiter. "Es wird ein unvorstellbarer Aderlass", warnte der Mediziner. "Der Betrieb wird nicht mehr funktionieren." Im Rathaus bahnt sich dagegen ein pragmatischer Kurs an. Angesichts der finanziellen Misere des Klinikums, so die parteiübergreifende Haltung, gebe es zu den Einschnitten wohl keine Alternative.

Betroffen sind vor allem Schwabing und Harlaching

Das am Dienstag von Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) vorgestellte Konzept für die Krankenhäuser in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und an der Thalkirchner Straße sieht eine radikale Schrumpfkur vor. 30 der 69 Abteilungen sollen zusammengelegt, 800 von fast 3300 Betten abgebaut werden. Federn lassen müssen vor allem Schwabing und Harlaching, die Hautklinik an der Thalkirchner Straße soll komplett nach Neuperlach umziehen.

In der "Vision 2020" der Boston Consulting Group tauchen drei Abteilungen gar nicht mehr auf: Augenmedizin, Rheumatologie sowie der Bereich Hals-Nasen-Ohren. Sie stehen nach SZ-Informationen komplett zur Disposition. Neuperlach und vor allem Bogenhausen wären die Gewinner des Konzepts, über dessen Umsetzung noch nicht entschieden ist. Der Stadtrat diskutiert die Pläne erstmals an diesem Donnerstag. Ein abschließender Beschluss wird erst Ende Mai erwartet, im dann neu gewählten Stadtrat.

Politische Vorarbeit scheint Ude nicht geleistet zu haben: Selbst Mitglieder des Aufsichtsrats erfuhren erst aus der Zeitung von den Vorschlägen der Unternehmensberater. Dominik Schirmer, für Verdi Mitglied in Udes Lenkungskreis, wurde am Dienstag von der Nachricht überrascht, dass sich der OB plötzlich betriebsbedingte Kündigungen als letztes Mittel vorstellen kann.

Kritik aus allen Richtungen

Dass die Einschnitte so gravierend ausfallen, führt die Opposition auf Misswirtschaft und Passivität der Rathaus-Mehrheit sowie Stellenvergaben nach Parteibuch zurück. Offenbar müssten nun "die Beschäftigten der Kliniken die Zeche für jahrelanges rot-grünes Klinikversagen zahlen", erklärte CSU-Fraktionschef Josef Schmid. Auch nach Einschätzung der FDP sind die notwendigen Sanierungsschritte verschleppt worden. "SPD und Grüne haben jahrelang geschlafen und bekommen nun die Quittung dafür", kritisierte Fraktionschef Michael Mattar. Einwände gegen das Konzept selbst gab es nicht. Die CSU traut sich noch kein Urteil zu. Das komplette Gutachten mit allen Prognosen und Zahlen wird erst in dreieinhalb Wochen fertig.

Ude hat jedoch klar gemacht, dass das Klinikum ohne massive Einschnitte finanziell nicht überleben kann. Zwar überweist die Stadt im Mai die nächste Rate des 2011 beschlossenen 200-Millionen-Euro-Zuschusses - mit den 60 Millionen ist der Konzern mindestens bis Mitte 2015 vor einer Insolvenz sicher. Danach allerdings sind weitere Zuschüsse in Millionenhöhe nötig. Da solche Finanzspritzen europarechtlich als Beihilfen gelten, muss die Stadt nachweisen, dass auch ein Privater eine solche Investition tätigen würde. Für diesen "Private-Investor-Test" bedarf es eines tragfähigen Konzepts, wie der Konzern in die schwarzen Zahlen kommt. Diese Funktion soll der Vorschlag von Boston Consulting übernehmen - es geht also keineswegs nur um die langfristige Perspektive, sondern ganz akut um die Abwehr der Pleite.

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