Denkmal für Sarajewo-Attentäter:Österreichs Kaiser-Enkel hinterfragt EU-Tauglichkeit Serbiens

Lesezeit: 3 min

Attentat auf Franz Ferdinand im Sommer 1914 in Sarajewo: Serbien will dem Mörder des österreichischen Thronfolgers ein Denkmal setzen (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

100 Jahre nach dem Mord an Österreichs Thronfolger Franz Ferdinand will Serbien den Attentäter mit Denkmälern ehren - und gleichzeitig in die Europäische Union. Österreichische Beobachter blicken aufmerksam nach Belgrad.

Von Oliver Das Gupta und Florian Hassel, Belgrad

Zu den schönsten Orten Belgrads zählt der Kalemegdan-Park. Touristen können dort Festungsanlagen aus osmanischer Zeit besuchen oder den Ausblick auf den Zusammenfluss von Donau und Save genießen. Bald soll der Park eine weitere Attraktion bieten: ein neues Denkmal für einen angeblichen Helden. Für Gavrilo Princip, der vor 100 Jahren in Sarajewo den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand ermordete. Das Attentat am 28. Juni 1914 löste den Ersten Weltkrieg aus.

Beschlossen hat den Bau Serbiens starker Mann, Vizepremier Aleksandar Vučić. Ein identisches Denkmal soll zudem in Ost-Sarajewo aufgestellt werden. Es ist eine zutiefst symbolische Entscheidung. Eine Entscheidung, die zeigt, dass Serbien zwar politisch in die Europäische Union strebt, aber nicht begriffen hat, dass Europa nicht nur Fördertöpfe für den Straßenbau bedeutet, sondern zum Beispiel auch einen aufgeklärten Umgang mit der Geschichte.

Heimische Medien verkündeten die Nachricht von den Denkmälern just, nachdem in Brüssel Serbiens Verhandlungen über einen EU-Beitritt feierlich begonnen hatten. Dabei war die Annäherung auch von Österreich, dem alten Rivalen Serbiens um die Vorherrschaft auf dem Balkan, begrüßt worden. Der neue österreichische Außenminister Sebastian Kurz gratulierte Belgrad und sprach davon, dass der Schritt "hochverdient" sei.

Österreichs Botschaft zwischen den Zeilen

Ob das Lob des jungen Ministers auch erfolgt wäre, wenn die Pläne für die Monumente schon vorher publik geworden wären? Möglicherweise ja. So wie Kurz wenige Wochen zuvor eine öffentliche Schmähung durch einen serbischen Politiker unkommentiert ließ, zeigt er sich auch bislang wortkarg, was die Ehrung für den Mörder des Erzherzogs betrifft.

Lehren aus dem Ersten Weltkrieg
:Die Geschichte, unsere exzentrische Lehrerin

Ereignisse der Vergangenheit hallen nach, aber sie wiederholen sich nicht unbedingt. Wir müssen uns die Mühe machen, eigene Schlüsse zu ziehen.

Ein Gastbeitrag von Christopher Clark

In seinem Ministerium blickt man aufmerksam nach Serbien, will aber die Situation nicht verschärfen. "Die Errichtung eines nationalen Denkmals und die Interpretation seiner Symbolik steht jedem Staat frei", erklärt das österreichische Außenamt auf Anfrage von SZ.de. Zwischen den Zeilen gibt es allerdings eine Botschaft an Belgrad: Gerade das Gedenkjahr 2014 solle zu einer "gemeinsamen europäischen Betrachtung" der Umbrüche des vorigen Jahrhunderts beitragen - und zu einer "Betonung der gemeinsamen Perspektiven der europäischen Einigung". Die unausgesprochene Frage, die daran anschließt lautet: Passt das Geschichtsbild der Serben zu dieser gemeinsamen Perspektive?

In dieselbe Kerbe haut Karl von Habsburg, Oberhaupt der ehemaligen Herrscherfamilie von Österreich-Ungarn, zu dem auch der in Sarajewo ermordete Thronfolger gehörte. Europa solle "sehr ernst" über den Beginn des Krieges mit seinen Millionen Toten nachdenken, sagt der Enkel des letzten Kaisers zu SZ.de. Einen Mörder mit einem Denkmal zu feiern, das lasse einen schon stutzen. Habsburg hinterfragt die EU-Tauglichkeit Belgrads: "Welche Botschaft will Serbien damit der EU, mit der es in Beitrittsverhandlungen ist, senden?"

Dass ausgerechnet das Attentat auf Franz Ferdinand und seine Frau den Weltenbrand auslöste, enthält eine besondere Tragik. Der Erzherzog war nicht nur ein Kriegsgegner, sondern plante für seine Zeit als Kaiser auch Reformen und mehr Rechte für nationale Minderheiten, zumal für Slawen. Damit stellte er jedoch eine Bedrohung für die serbischen Nationalisten und ihren Anspruch auf die Rolle als südslawische Befreier dar.

Otto von Habsburg
:Der unerwünschte Thronfolger

Otto von Habsburg wäre seinem Vater als Kaiser auf dem Thron der Donaumonarchie gefolgt - wenn es diese nach dem Ersten Weltkrieg noch gegeben hätte. Seine Herrschaftsansprüche gab er allerdings erst 1961 auf. Ein Leben in Bildern.

Von Oliver Das Gupta.

Der Attentäter Princip, Sohn bettelarmer serbischer Bauern in Bosnien und 19 Jahre jung, war ein naiver Möchtegernrevolutionär. Alles andere als naiv war dagegen Dragutin Dimitrijević, genannt Apis, Chef des serbischen Militärgeheimdienstes und Kopf der mächtigen Geheimorganisation "Vereinigung oder Tod!" (Schwarze Hand). Dimitrijević kannte keine Skrupel - schon 1903 führte er die Ermordung des damaligen serbischen Königs an - und hatte nur ein Ziel: die Expansion Serbiens überall dorthin, wo Serben lebten, auch wo sie, wie im damals von Wien annektierten Bosnien, nur eine Minderheit waren.

Staatsnah organisierter Terrorismus

Auch vor der Ermordung des reformfreudigen Erzherzogs schreckte er nicht zurück. Dimitrijević ließ, offenbar mit Wissen der Regierung, Princip und andere junge Männer anwerben, in Belgrad mit Pistolen und Sprengstoff versehen und nach Sarajewo schicken.

Josef Hader im Gespräch (2014)
:"Das Blöde ist, ich will auch geliebt werden"

Ein mäanderndes Interview über die vermeintliche Kriegsbegeisterung 1914, einen "teuflischen Schachzug" von Papst Franziskus, gesunde Hypochondrie und die fatale Profilneurose des österreichischen Kaisers Franz Joseph I.

Von Oliver Das Gupta

Solche Hintergründe, die es rechtfertigen, beim Sarajewo-Attentat von staatlichem, zumindest staatsnah organisiertem Terrorismus zu sprechen, sind in Serbien noch immer tabu. Wie zu jugoslawischer Zeit wird der Mörder Princip als Einzelgänger und Freiheitskämpfer gegen ein angeblich böses Regime und einen angeblichen Tyrannen dargestellt. Eine breite Aufarbeitung der Vergangenheit mit allen Licht- und Schattenseiten fehlt in Serbien noch immer.

Schon Serbiens frühere Regierungen fanden nicht den Mut, sich den dunklen Seiten ihrer Geschichte zu stellen (ebensowenig übrigens wie die Regierungen im Nachbarland Kroatien). Der nun beginnende Dialog mit Europa könnte für Serbien eine Chance sein, sich mit einigen Wunden der Vergangenheit zu befassen.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: