Chaos beim Hamburger SV:Magath spielt lieber Schach

Felix Magath

Zu hoch gepokert? Felix Magaths Rückkehr zum HSV ist unsicher.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Der einstige Meistertrainer teilt dem Hamburger SV über soziale Netzwerke mit, dass er für kein Amt zur Verfügung steht. Gegen Braunschweig sitzt Bert van Marwijk auf der Bank, spekuliert wird aber eine Zukunft mit Mirko Slomka

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Arjen Robben im Dress des Hamburger SV, das war wirklich ein zum Träumen anregendes Bild für die HSV-Anhänger. Der Torschütze zum 3:0 beim lässigen 5:0-Sieg des FC Bayern im Viertelfinale des DFB-Pokals hatte das HSV-Hemd übergestreift, weil er seinem niederländischen Landsmann Ola John wiederum sein Bayern-Trikot überlassen hatte. Es war wie eine Art Fata Morgana, die so gar nichts mit der Wirklichkeit des ältesten Bundesligaklubs zu tun hatte.

Das Bild ohne Robben am Morgen danach sah auf den ersten Blick aus wie immer. Trainer Bert van Marwijk leitete die Übungsstunde in einem schwarzen Trainingsanzug. Zuvor hatte ihm Sportchef Oliver Kreuzer noch einmal den Rücken gestärkt. "Bert" sitze am Samstag beim Abstiegsgipfel in Braunschweig auf der Bank, rief Kreuzer den Journalisten zu. Das hatte er am Abend zuvor auch schon gesagt, da allerdings mit dem Zusatz: "Ob ich dann noch Sportchef bin, weiß ich nicht."

Am Morgen danach waren also alle noch im Amt, der Trainer, der Manager und auch der Vorstandschef Carl Edgar Jarchow. Sie gaben ihr Bekenntnis zu van Marwijk ab, das aber schon wieder Makulatur sein kann, sollte im prestigeträchtigen Nord-Gipfel der Kellerkinder die siebte Niederlage in Serie folgen. Einer, dessen Name seit Tagen durch die Hansestadt geisterte, steht dann allerdings nicht mehr zur Verfügung.

Über Facebook, sein neues Lieblings-Medium, über das er schon zuvor seine Kommunikation forciert hatte, teilte Felix Magath, 60, am Donnerstagabend mit, dass er in gar keinem Notfall mehr zur Verfügung stehe. Als Profi hatte Magath 1983 das Siegtor im Europacup-Finale der Landesmeister gegen Juventus Turin für den HSV erzielt, Meister war er später als Trainer mit dem FC Bayern und dem VfL Wolfsburg, auch an solche Geschichten hatten sich die HSV-Nostalgiker gerne erinnert.

Nun aber war zu lesen: "Teile des Aufsichtsrates, der Vorstand sowie die Initiatoren der Gruppe HSVplus haben sich gegen mich gestellt. Wie soll man mit solchen Voraussetzungen einen Klub erfolgreich durch den Abstiegskampf führen?" Einigkeit sei bei "diesen unüberschaubaren Gruppen und Einzelinteressen" nicht herzustellen. Basta. Was nun? Vor allem, wenn es im Duell des 17. (HSV) beim 18. (Braunschweig) wieder schief geht? Schon länger geistert der Name Mirko Slomka (Ende Dezember bei Hannover 96 entlassen) durch die Hansestadt.

Auch über Thomas Schaaf wurde geredet, aber der langjährige Bremer Trainer gilt in Hamburg aufgrund der lokalen Rivalität als nicht so leicht vermittelbar. Spätestens seit dem Sonntagabend, an dem im Aufsichtsrat trotz achtstündiger Sitzung die notwendige Mehrheit für ein Magath-Engagement fehlte, wird über eine Alternative, über Slomka, über Schaaf, spekuliert. Nichts wird es nun mit dem Traum von Magath, seinen Herzensklub als Trainer und Sportchef vor dem erstmaligen Bundesliga-Abstieg zu retten und danach zum Vorstandsvorsitzenden aufzusteigen.

Große interne Differenzen

Magath war zwar am Donnerstag in Hamburg, um am Abend über das Thema "Schach macht schlau" zu referieren. Doch seine aggressive Eigen-PR mit Facebook-Einträgen und einem quasi offenen Brief vom HSV-Gönner Klaus-Michael Kühne ("Lieber Herr Magath, geben Sie sich einen Ruck") hatte selbst Magath-Befürworter im Aufsichtsrat irritiert. Offenbar gab es auch bei der Vertragsgestaltung zu große Differenzen zwischen beiden Parteien.

Zudem wurden Magaths letzte Tätigkeiten als Trainermanager auf Schalke und in Wolfsburg kritisch betrachtet. Da hatte er sich vor allem dadurch ausgezeichnet, dass er Profis im halben Dutzend ausmusterte, die er kurz vorher verpflichtet hatte. Eine teure Angelegenheit war das jeweils für seine ehemaligen Arbeitgeber.

Als größter Verlierer beim gescheiterten Magath-Deal erscheint jetzt der erst seit zweieinhalb Wochen im Amt stehende Aufsichtsratsboss Jens Meier. Der im Hauptberuf als Chef der Hafenverwaltung tätige 47-Jährige hatte heftig für die HSV-Ikone geworben und sogar die Satzungen außer Acht gelassen, indem er mit Magath verhandelte. Denn das ist operatives Geschäft, das allein dem Vorstand zusteht - doch der war so kraftlos, dass er selbst dieses Vergehen nicht stoppen konnte.

Außerdem hatte Meier bei seiner Offensive gegen van Marwijk weder im Vorstand noch in seinem Kontrollgremium die nötigen Mehrheiten bekommen. Auch die diskutierte Entlassung von Klubchef Jarchow und Sportchef Kreuzer - welche die Voraussetzung gewesen wäre, um Magath einzustellen - ist ja vorerst gescheitert. Dabei hatte Meier noch am späten Mittwochabend ein Bekenntnis zum amtierenden Vorstand und van Marwijk verweigert.

"Wir sind hier im Profifußball und nicht bei einer Kindergartenveranstaltung", sagte Meier nach dem 0:5: "Trainer und Manager müssen Druck aushalten können." Wie es aussieht, reist der HSV nun mit van Marwijk "zum wichtigsten Spiel des Jahres", so der Coach. Und wohl auch mit Regisseur Rafael van der Vaart, der gegen die Bayern nach Problemen in der linken Wade ausgewechselt wurde.

Auch Torjäger Pierre-Michel Lasogga ist nach seinem Muskelfaserriss wohl wieder so fit, dass er mitwirken kann. Zumindest Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht, der das 0:5 live erlebte, rechnet mit einem stärkeren HSV: "Ich bin überzeugt, dass Hamburg gegen uns um sein Leben rennt."

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