Olympia in Russland:Wie russische Medien Sotschi präsentieren

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Am Rande eines Wettkampfs in Sotschi wird die russische Flagge geschwenkt. (Foto: Getty Images)

Eine reine Putin-Show sind diese Winterspiele unter Palmen auch im Austragungsland nicht. Zu viel offensichtliche Politik würde nur polarisieren. Das größte Anliegen des russischen Fernsehens: gute Stimmung.

Von Julian Hans, Moskau

Man könnte sie die Sotschi-Einstellung nennen: In den Pausen zwischen den Wettkämpfen schaltet das Fernsehen nach draußen, die Kamera filmt von tief unten, irgendwo aus Kniehöhe hinauf in die Gesichter einer Gruppe von Fans. Sie jubeln, erzählen, dass sie von weit her angereist sind und dass sie den russischen Olympia-Teilnehmern "nur das Allerbeste" und "nur Siege" wünschen. Aus dieser Perspektive lässt sich schwer erkennen, ob außer dem guten Dutzend Fans im Bild noch viele von ihrer Art in Sotschi oder Krasnaja Poljana unterwegs sind, der Zuschauer kann weder über sie hinweg noch zwischen ihnen hindurchsehen, weil sie sich so eng vor der Kamera drängen.

Das ist das größte Anliegen des russischen Fernsehens: Es soll gute Stimmung rüberkommen. Letztlich ist sie noch wichtiger als Medaillen für die russischen Sportler (die tragen allerdings nicht unwesentlich zur Stimmung bei). Und hier trifft sich auch das Anliegen der Veranstalter mit den Wünschen des Internationalen Olympischen Komitees, das angeregt hat, leere Plätze auf den Tribünen doch mit Freiwilligen zu füllen, wegen der Bilder.

Momente der Winterspiele
:Schunkeln mit Putin

Im Österreicher-Haus feiert sogar Russlands Präsident mit viel Bier. Shaun White muss das Verlieren erst noch lernen. Der größte Gegner der deutschen Rodler ist im eigenen Lager zu finden. Und DOSB-Präsident Alfons Hörmann macht bei jeder Gelegenheit ein Foto von sich. Besondere Momente der ersten Olympia-Woche.

Von Carsten Eberts, Krasnaja Poljana

Eine reine Putin-Show sind die Winterspiele unter Palmen nicht, eher so etwas wie sein Geschenk an sein Volk und die Welt, wenngleich sein Volk natürlich für die über 30 Milliarden Euro, die das Spektakel gekostet hat, wird aufkommen müssen. Natürlich gibt es diese Momente wie am vergangenen Sonntag im Sportpalast "Eisberg": Die 15-jährige Julia Lipnizkaja hatte gerade mit ihrem Auftritt für die Mannschaft der russischen Eiskunstläufer das erste Gold geholt und Wladimir Putin, im roten Overall, erhob sich von seinem Platz auf der Tribüne und applaudierte ausdauernd. Da taten es ihm die anderen Zuschauer gleich und der Kommentator des Staatsfernsehens sagte: "Wenn der Präsident des Landes aufsteht, stehen alle auf".

Sport und Politik längst vermischt

Doch zu viel offensichtliche Politik würde nur polarisieren, die Spiele sollen ja gerade das Gegenteil bewirken: vereinen über die politischen Lager hinweg. In den russischen Medien funktioniert das auch, das staatlich gelenkte Fernsehen ist mit seiner Begeisterung nicht allein. Die Wirtschaftszeitung Kommersant schmückte kurz vor der Eröffnung mehrere Titelseiten mit Bildern vom Fackellauf und Vorfreude, die etwas aus dem sonst eher trocken-seriösen Auftritt des Blatts herausfallen; es gehört Alischer Usmanow, dem reichsten Mann des Landes und Putin-treuen Oligarchen. Aber selbst die dem Kreml gegenüber stets kritische Nowaja Gaseta, in der Sport sonst kaum eine Rolle spielt, hat bereits zwei Ausgaben komplett Olympia gewidmet, mit Artikeln über die Geschichte des Sports im Land und Porträts bedeutender sowjetischer Sportler.

Die Vermischung von Sport und Politik hat in Russland lange vor Sotschi stattgefunden. Viele Abgeordnete der Kreml-Partei Einiges Russland sind ehemalige Sportler, darunter der Boxer Nikolai Walujew oder die Sportgymnastin Alina Kabajewa, der ein romantisches Verhältnis zu Putin nachgesagt wird. Die letzten vier Träger der olympischen Fahne auf der Eröffnungszeremonie waren alle Mitglieder der Regierungspartei.

Schärferer Ton angesagt

Einen interessanten Nebeneffekt hat Olympia auf die Nachrichten: Sie beginnen nicht mehr zwangsläufig mit "Putin hat besucht, angeordnet, eröffnet", sondern auch mal mit den russischen Medaillengewinnern. Langfristiger könnte sich aber eine Personalie auswirken, die in Moskauer Medienkreisen kolportiert wird: Für Konstantin Ernst, den deutschstämmige Generaldirektor des Ersten Kanals und Verantwortlichen für Eröffnungs- und Schlussfeier, könnten diese gleichzeitig seine Abschiedsveranstaltung werden. Er gilt zwar als systemtreu und ist angesehen für seine Professionalität, in jüngster Zeit ist aber ein schärferer Ton angesagt, wie ihn etwa die Sender NTW und Rossija pflegen. Dort begnügt man sich nicht damit, die Taten des Präsidenten auszubreiten und die offizielle Position des Kremls zu verlautbaren, sondern inszeniert auch mal auf eigene Faust, zum Beispiel den angeblichen Protest aufgebrachter Bürger gegen Nichtregierungsorganisationen.

Viele, die wegen solcher Manipulationen vom Fernsehen abgewandt haben, schalten jetzt zu Olympia wieder ein. Das staatliche Meinungsforschungsinstitut Wziom hat ermittelt, dass 26 Prozent der Russen alle Übertragungen im russischen Fernsehen anschauen wollen, 37 Prozent immerhin ausgewählte. Umfragen darüber, wie sich die Olympischen Spiele auf das Ansehen Russlands und des Präsidenten auswirken, sollen erst nach der Abschlussfeier am 23. Februar veröffentlicht werden. Stefan Lwow, ein Sprecher von Wziom, ließ aber bereits durchblicken, dass Sotschi Putin tatsächlich den erwarteten Aufschwung bringen könnte. Der New York Times verriet er, Putins Ratings zeigten eine "Dynamik", wie sie nur sehr selten zu beobachten sei.

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