Boomsektor Mobile Health:Apple lauscht dem Herzschlag

Boomsektor Mobile Health: Diese Unterwäsche der japanischen Firma Toray misst die Herzfrequenz des Trägers.

Diese Unterwäsche der japanischen Firma Toray misst die Herzfrequenz des Trägers.

(Foto: AFP)

Viel mehr als der Morgenlauf auf Facebook: Apple will neuerdings Infarkte vorhersagen. Andere Unternehmer träumen von Gelähmten, die wieder gehen könnten. Auf dem Markt für mobile Gesundheitsgeräte herrscht Hype-Gefahr.

Von Helmut Martin-Jung

Wenn es um den Sound in Laptops und Mobilgeräten geht, holen sich Elektronikhersteller gerne große Namen ins Haus. Fast alle tun das, warum also nicht auch Apple? In diese Kategorie schien auch zu fallen, dass der iPhone-Hersteller 2011 den Klangtüftler Tomlinson Holman engagierte. Der hat für Lucasfilm das berühmte THX-Soundsystem für Kinos erfunden. Für Apple aber arbeitet Holman, 67, wohl an einem ganz anderen Projekt, wie jetzt bekannt wurde. An der Frage, wie sich aus dem Klang menschlichen Blutes, das in den Adern an einem hochempfindlichen Sensor vorbeifließt, an seinen ganz speziellen Verwirbelungen erkennen lässt: Vorsicht, es droht ein Herzinfarkt.

Schon seit einiger Zeit geht das Gerücht, Apple arbeite an der iWatch, einer Computer-Uhr also. Die könnte den ganzen Tag auch Körperdaten ihrer Träger sammeln. Und Apple wäre nicht Apple, würde ein solches Produkt nicht darüber hinaus gehen, was andere Anbieter - zum Beispiel Sony oder Samsung - längst können. Der Wachstumsmarkt der mobilen Gesundheitsgeräte erscheint als lukrativ und aussichtsreich, vor allem weil sich ein solches Produkt optimal in Apples bestehendes System aus Handys und Tablets integrieren ließe. Dass der Konzern ernsthaft an solchen Ideen forscht, zeigen weitere Personalien. Unter anderem heuerte der frühere Nike-Berater Jay Blahnik bei Apple an, ebenso Todd Whitehurst von Senseonics, einem Hersteller von Blutzuckermessgeräten.

Auch die nächste größere Version von Apples Betriebssystem für Mobilgeräte, iOS 8, ist bestens vorbereitet auf mHealth, wie der Markt im englischen Sprachraum kurz und knapp heißt. Ein vorinstalliertes Programm - Codename Healthbook - soll künftig die Daten all der Sensoren und Messfühlern sammeln.

Seit Jahren gelten die mobilen Gesundheitsgeräte als Markt mit enormem Wachstumspotenzial, auf Mobilfunk- und Gesundheitsmessen füllen die Geräte und Programme bereits ganze Hallen. Visionäre wie der Chirurg, Pharma-Unternehmer und Milliardär Patrick Soon-Shiong reden wie Science-Fiction-Regisseure. Sie wollen gelähmte Patienten mit einer Sensor-Kappe für die Hirnströme und einem "Exoskelett", das am Körper befestigt wird, wieder zum Laufen zu bringen.

Erst Hype, dann Ernüchterung

Beim Lobbyverband der Branche, der mHealth Alliance, ist man etwas nüchterner: "Wir müssen alle mal ein bisschen runterkommen", ließ sich Geschäftsführerin Patricia Mechael 2012 in einer Studie von PriceWaterhouse Coopers (PwC) zitieren. Auf die Phase des großen Hypes folge meistens eine der Ernüchterung, danach erst gehe es dann wieder aufwärts.

Hat die nächste Aufwärtsphase nun begonnen? Auf der diesjährigen Consumer Electronics Show in Las Vegas waren so viele Fitness- und Gesundheits-Geräte zu sehen wie noch nie, drahtige Manager lassen sich gerne mit Fitness-Trackern am Handgelenk sehen. Und die vernetzte Generation findet nichts dabei, wenn ihre Handy-App den Facebook-Freunden automatisch vermeldet, dass man soeben einen Zehn-Kilometer-Lauf beendet habe - samt Zeitangabe und per GPS erfasster Karte.

Konzerne wie der Prozessorhersteller Intel oder die Computerfirma IBM haben diesen Markt längst im Visier. IBM etwa vermarktet ein System zur Analyse großer Datenmengen explizit für medizinische Anwendungen. Der Marktforschungsfirma Research and Markets zufolge wurden 2013 bereits 6,6 Milliarden Dollar für mHealth ausgegeben, 2018 sollen es bereits mehr als 20 Milliarden Dollar sein.

Auf die Anbieter kommen dabei große Herausforderungen zu. Nicht nur, dass ihre Geräte und Programme zuverlässig sein müssen, um das Vertrauen der Anwender zu gewinnen. Auch beim Datenschutz gelten viel strengere Voraussetzungen. Dass man seinen Morgenlauf absolviert hat, mag schon nicht jeder der Welt mitteilen. Wie es um den Blutdruck oder den Cholesterinspiegel steht, gewiss noch viel weniger.

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