Dritte Startbahn am Flughafen München:Ansage mit Folgen

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Der Richterspruch zur dritten Startbahn am Münchner Flughafen war für die Gegner eine deutliche Watschn. Und so direkt, dass es zu Tumulten vor Gericht kam. Das ist bemerkenswert, denn das Urteil wird in der Realität zunächst kaum Folgen haben.

Von Nina Bovensiepen

Endlich mal eine ordentliche Watschn. Endlich eine Schlappe für die Fortschrittsbehinderer und Kleingeister, die München und Oberbayern den Weg zu mehr Prosperität und Popularität versperren. Endlich ein richterlich bestätigtes: Es reicht!

Derartige Gedanken mögen manch Schadenfreudige beschlichen haben, als der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Mittwoch sein Urteil zu einer dritten Startbahn für den Münchner Flughafen verkündete. Darin wischte das Gericht die Bedenken der Gegner einer Flughafenerweiterung, über die in München und seinem schmucken Umland seit Jahren gestritten wird, in Bausch und Bogen beiseite. Der Richterspruch war derart deutlich, dass er zu Tumulten vor Gericht führte. Das ist umso bemerkenswerter, weil das Urteil in der Realität zunächst kaum Folgen haben wird: 2012 haben die Münchner per Bürgerentscheid klar gegen eine dritte Startbahn votiert, die Politik hat das Projekt seither de facto auf Eis gelegt.

Trotzdem kochen die Emotionen hoch. Und die dritte Startbahn ist nicht das einzige Projekt, bei dem das in jüngerer Zeit zu beobachten ist. Erst vor wenigen Monaten spaltete in München und Oberbayern der Bürgerentscheid über eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 Gegner und Befürworter in feindliche Lager. Die Argumentationslinien waren dabei ähnlich wie im Falle der dritten Startbahn - und sie zeigen auf, wo jetzt und in Zukunft die Probleme einer stärkeren Beteiligung von Bürgern liegen können, nicht nur vor den Toren Münchens.

Weltoffen und wachstumsfreundlich

So stellen sich die Vorkämpfer für eine dritte Startbahn, für Olympische Spiele oder ähnliche Projekte von solchen Ausmaßen gerne als weltoffen und wachstumsfreundlich dar. Olympia steht dann für ein internationales Sportereignis, das aus der ganzen Welt Publikum nach München und an den Königssee lockt, das Investitionen beflügelt, neue Infrastruktur und womöglich spektakuläre Bauten hervorbringt. Eine zusätzliche Startpiste im Erdinger Moos bedeutet mehr Flugbewegungen, also eine höhere Zahl von Passagieren und somit den weiterwährenden Aufschwung für Geschäfte und Tourismus in der Stadt, im schönen Voralpenland und in Schlössern wie Neuschwanstein. Olympia, eine zusätzliche Startbahn, vielleicht auch ein neuer Konzertsaal oder Skizirkus werden zu Antriebsmotoren beschworen für eine Region, die etwas antriebsarm geworden ist.

Tatsächlich ist es gut möglich, dass sich solche Vorhaben als Segen entpuppen. Doch wer das glaubt und wer zugleich die Bürger einbeziehen will, wie das immer mehr Politiker beteuern, der sollte für seine Argumente Belege liefern. Es sind ja nicht nur Wutbürger und Dagegen-Menschen unterwegs. Aber wer mitreden darf, der stellt eben auch Fragen. Ganz simple Fragen. Etwa: Brauchen wir eine dritte Startbahn? Wird es wirklich viel mehr Flugverkehr geben in der Zukunft? Wollen wir den hier vor unserer Haustür haben? Wollen wir immer noch mehr Wachstum? Existieren international nicht viel bedeutendere Airports, die München ohnehin den Rang ablaufen? Alles Fragen, auf die im Fall der Startbahn so widersprüchliche Prognosen präsentiert wurden, dass niemand sich ein klares Bild machen konnte. Kein Wunder, dass Bürger da eine ordentliche Watschn erteilten.

Jetzt lief es anders, und die Startbahn-Gegner unterlagen. Vermutlich hätte der Prozess vor dem Verwaltungsgerichtshof mit seinem tumultigen Ende indes nicht so polarisierend verlaufen müssen, wenn von vornherein besser aufgeklärt worden wäre. Wenn sich die Fronten nicht erst so verhärtet hätten, dass man sich wahlweise als Fortschrittsbehinderer oder Wohlstandsverfechter verunglimpft - und dem anderen die Watschn von Herzen gönnt.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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