Tatort Bremen: "Brüder":Fremdheit in allen Schattierungen

Tatort; "Tatort" Brüder

Die Bremer Hauptkommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen).

(Foto: Radio Bremen/Jörg Landsberg)

Keine Lösungsangebote, wo es keine Lösungen gibt: Der Bremer "Tatort" erzählt von Menschen, gefangen in Gegnerschaft und driftet dabei manchmal ins Klischee ab.

Von Holger Gertz

Regisseur Florian Baxmeyer hat schon einige sehr vorzeigbare Folgen mit den Bremer Kommissaren Lürsen und Stedefreund gedreht, da wird nicht so furchtbar lange herumgeredet und vor allem wird nicht nochmal das zusammengefasst, was jeder schon gesehen hat. Im vergangenen Jahr gehörte die Episode "Er wird töten" zu den geheimen Favoriten der Saison. Bremenfans erinnern sich: Lürsens bärtiger Geliebter Leo Uljanoff, gespielt vom wunderbaren Antoine Monot, wurde umgebracht. Im zweiten Leben nach dem Tatort ist er übrigens das Testimonial in der Saturn-Werbung, ein bärtiges Wesen namens "Tech-Nick", das die Produkte des Hauses abnickt. Das Leben geht manchmal wunderliche Wege.

Die Bremer setzen ihren Weg entschlossen fort, der Tatort "Brüder" ist ein schnell erzählter Cop-Thriller, die Geschichte lehnt sich an die Wirklichkeit. In Bremen gibt es den Miri-Clan, eine weitverzweigte Familienbande, eingewandert aus Libanon. Viele von ihnen gelten als gewaltbereit und schwer integrierbar.

Ein Clan verbreitet Angst und Schrecken

Die Miris haben die Stadt nicht im Griff, aber sie verbreiten Angst und Schrecken, nicht zuletzt bei der Bremer Polizei. Dass Baxmeyer das Thema überhaupt verarbeitet und sich mit den zahlreichen Hütern der political correctness anlegt, ist schon mal bemerkenswert. Im Film wird eine Polizistin bei einer Auseinandersetzung mit den Mitgliedern des fiktiven Nidal-Clans ins Koma getreten, ein Polizeikollege will Rache und tut sich zusammen mit einem abtrünnigen Mitglied des Clans, einem alten Freund.

Das ist eine klare Versuchsanordnung, und Baxmeyer erzählt die Geschichte bündig runter, eine Geschichte über wechselseitige Fremdheit in allen Schattierungen. Menschen, gefangen in Gegnerschaft; jeder hält sich für das Gesetz. Die Bremer Biedermeierhaftigkeit mit Holzschildern an Wohnungstüren, auf denen steht "Hier wohnt Paul Dombrowski". Dagegengeschnitten die Nidals vor Gericht und in ewiger Gegenwart der Polizei, "Blablabla Bullenscheiße" johlen sie, "Fass mich nicht an, du Dreck", rufen sie. Die Charakterisierung der Clanmitglieder kommt manchmal etwas klischeeartig rüber, aber über weite Strecken hält der Tatort das Thema und die Spannung, und er bietet keine Lösungen an, wo es keine Lösungen gibt. Tech-Nick würde abnicken.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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