"Mister Dynamit - Morgen küsst euch der Tod":Vier Teile Bourbon, ein Teil Wermut

"Mister Dynamit - Morgen küsst euch der Tod": Muss Agent Nr. 18 unter Kontrolle? 1967 spielte Lex Barker "Mister Dynamit", den besten Mann des Bundesnachrichtendienstes.

Muss Agent Nr. 18 unter Kontrolle? 1967 spielte Lex Barker "Mister Dynamit", den besten Mann des Bundesnachrichtendienstes.

(Foto: Nora-Film)

Wer ist Bob Urban? Wie der aus den "Winnetou"-Filmen bekannte Schauspieler Lex Barker einmal zum "James Bond" aus Pullach wurde und das Image des BND aufpolieren sollte.

Von Christopher Keil

Als der Nürnberger Karl-Heinz Günther 1965 das erste von 314 Taschenbüchern schrieb, in denen ein deutscher Geheimdienstagent mit den Schurken des Planeten abrechnet, hatte James Bond bereits Goldfinger erledigt, den russischen KGB vermöbelt und auch Dr. No zur Strecke gebracht. Robert Urban, sein Kollege vom Bundesnachrichtendienst, bewohnte ein Schwabinger Penthouse, fuhr Porsche, jagte am liebsten Frauen und, wenn es sich nicht verhindern ließ, irre Wissenschaftler oder Milliardäre. Ähnlichkeiten zu 007 waren beabsichtigt. Günther nannte seine Hefte-Reihe "Mister Dynamit" und verdiente mit ihr ordentlich Geld.

Dass ein Angestellter des BND eine internationale Filmkarriere machen könnte, hätte man selbst damals, mitten im Kalten Krieg, kaum für möglich gehalten. Doch der Münchner Filmproduzent Theo Maria Werner plante im Sommer 1966 Großes. Er hatte die Rechte an "Mister Dynamit - Morgen küsst euch der Tod" erworben. Für die Hauptrolle war Lex Barker verpflichtet worden, der als "Schmetterhand" an der Seite seines Freundes Winnetous gerade sehr populär war.

Bittbriefe nach Pullach

Warum Bob Urban beim BND angestellt sein sollte, erklärte Karl-Heinz Günther einmal so: "Der Hauptmarkt für solche Bücher ist Europa. Nimm einen BND-Agenten, sagte ich mir. (. . .) Über die armen Kerle in Pullach schreibt kein Schwein."

Die Hintergründe des Filmprojekts sind nun bekannt geworden, sie zeigen die Absurdität des Vorhabens. Der Produzent Theo Maria Werner erbat beim BND Unterstützung für "Morgen küsst euch der Tod". Der Taschenbuch-Held sollte schließlich Kampfjets, Hubschrauber und U-Boote steuern. Auch ein Flugzeugträger taucht in der schlichten Handlung auf. Das schwere militärische Gerät wollte der Produzent über Regierungsstellen besorgen. Werner schrieb Bittbriefe nach Pullach, in die BND-Zentrale. Er packte das Drehbuch dazu, versprach Rücksichtnahmen.

Wie der BND darauf reagierte, schildert ein Report, den die Forschungs- und Arbeitsgruppe "Geschichte des BND" jetzt vorgelegt hat. Auf 66 Seiten wertet der beim BND angestellte Historiker Bodo Hechelhammer Dokumente aus. So sei die interne Beurteilung des Vorgangs, der 1966 auch BND-Präsident Reinhard Gehlen erreichte, nahezu "euphorisch" abgefasst gewesen: "Hauptperson ist ein Agent des BND. Er macht die tollsten Sachen. (. . .) der BND kommt ganz groß raus. (. . .) Der Film wird ein Reißer. (. . .) Man kann wohl keine Einwände haben, wenn man sich nicht daran stößt, dass der BND noch mit tatsächlichen Außenaufnahmen bei solchen Sachen mitspielt."

Operation Hollywood

Nein, der Chef hatte nichts dagegen. "Im Prinzip keine Bedenken", verfügte Gehlen zackig, aber: "Keine Aufnahme in der Zentrale. Zufahrt zur Zentrale und Tore von Außen ja." Historiker Bodo Hechelhammer findet, "dass die damals durchaus weit gedacht haben". Das Interesse an der Marketingidee sei allerdings "von außen geprägt" worden. Wusste beim BND bis zur Anfrage des Filmproduzenten niemand etwas von Super-Bob und seinen Erfolgen? Bis zu 200 000 Menschen besorgten sich einzelne "Dynamit"-Ausgaben am Kiosk. An Urban, "Agent mit der Code-Nummer 18", fiel eine tiefe Treue zum Nato-Bündnis auf. Und auch er hatte seinen eigenen Drink, den "Dynamit": vier Teile Bourbon, ein Teil trockener Wermut. Vermutlich gerührt.

In den USA wird die Wahrnehmung der Geheimdienste durch Filme und Fernsehserien heute mindestens so stark geprägt wie durch die tatsächliche Arbeit. Die CIA betreibt seit 1997 ein Büro für die Filmindustrie. Über die "Operation Hollywood" informierte 1999 die Washington Post: Ein früherer Undercover-Agent prüft Drehbücher, diskutiert mit Regisseuren, Drehbuchautoren, Studiomanagern. Stoffe, die der CIA schmeicheln, die ihre hochgerüsteten Spione als gute Kerle und Helden inszenieren, werden mit Geld, Know-how und Material unterstützt.

Auf diese Weise versucht die CIA hin und wieder, ihr negatives Image zu korrigieren. Möglich wurde das, weil die Agency über ein Budget von 14 Milliarden Dollar im Jahr verfügt und sich eine große PR-Einheit leisten kann. Viele Amerikaner haben auch gar kein Problem mit den Geheimdiensten, die im Kampf gegen den Terror eine der Hauptaufgaben sehen.

Schlechte Erfahrungen mit Geheimdiensten

Die Deutschen haben andere Erfahrungen gemacht mit Geheimdiensten, erst mit der Gestapo, später mit der Stasi. Zurückhaltung und leises Auftreten zählt beim BND seit jeher zum Selbstverständnis. Um so überraschender wirkt im Rückblick der Versuch, eine Art deutschen James Bond auf die Leinwand zu bringen. Der für die Pressearbeit zuständige BND-Mitarbeiter war jedenfalls fasziniert von dieser Möglichkeit. Nach Lektüre des Drehbuches notiert er kurz und bündig: "BND = CIA".

Offenbar berauscht von der eigenen Idee hatte Filmproduzent Werner das Bundesverteidigungsministerium angeschrieben und behauptet: Die CIA habe seiner Filmcrew Hilfe zugesagt. Da kannte er die Dienste schlecht. "Mister Dynamit" wurde zum Thema bei den regelmäßigen Gesprächen zwischen BND und den amerikanischen Kollegen. CIA-Direktor Helms ließ mitteilen, von Bob Urban noch nie gehört zu haben. Das passte den deutschen Aufklärern ins Bild. Sie hatten Werner zuvor als "cleveren, skrupellosen Geschäftsmann" eingeschätzt. Deshalb durfte nicht einmal mehr auf der Zufahrt zum BND-Gelände gedreht werden.

Am Ende wurde das Projekt zu einem grandiosen Reinfall. Der in Spanien und München gedrehte Film war 1967 international ein Flop, das Publikum wollte lieber den echten James Bond sehen. Und Filmproduzent Werner wurde von Lex Barker sogar noch wegen ausstehender Gagen verklagt.

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