Umsturz in der Ukraine:Putin braucht den Puffer

Viktor Janukowitsch trifft Wladimir Putin

Der ukrainische Präsident Janukowitsch (links) ist entmachtet - doch Wladimir Putin wird seinen Einfluss nicht aufgeben.

(Foto: dpa)

Viktor Janukowitsch ist entmachtet. Doch Russland wird seinen Einfluss auf den Nachbarn nicht ohne weiteres aufgeben. Die Ukraine darf jetzt nicht zum Frontstaat eines neuen Kalten Krieges werden. Die EU hat damit ein gewaltiges Entwicklungsprojekt geerbt.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Wenn am Sonntagabend die Olympischen Winterspiele in Sotschi zu Ende gehen, dann beginnt der zweite Teil der ukrainischen Revolution, dann wird über den Zusammenhalt des Landes entschieden und über seine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit. Denn am Ende einer atemberaubenden Woche in Kiew ist zwar der Präsident entmachtet und ein Bürgerkrieg abgewendet. Selbst die Ukrainer in den pro-russischen Regionen beginnen die Chance zu begreifen, die sich nach der Oligarchen-Herrschaft Viktor Janukowitschs bietet.

Aber die eigentlichen Gründe für die Revolution sind eben noch lange nicht beseitigt. Die nun als Heilsbringerin gefeierte Julia Timoschenko trägt viel zu viel politischen Ballast mit sich herum, als dass sie die schweren gesellschaftlichen Konflikte lindern könnte. Die Revolution hat auch nicht die wirtschaftliche Abhängigkeit der Ukraine von Russland verändert.

Putin braucht die Pufferzone

Nach Sotschi wird Wladimir Putin seinen Einfluss auf die Nachbarn geltend machen wollen. Er betrachtet die Ukraine als wichtigen, wenn nicht sogar konstitutiven Bestandteil seiner Einflusszone. Für das Land gilt indes, was schon vor dem Umsturz klar war: Die Ukraine kann nicht Frontstaat eines neuen Kalten Krieges sein. So lange Putin die Welt in Einflusszonen aufteilt, wird er die Ukraine nicht aus ihrer Pufferfunktion entlassen.

Die Europäische Union steht nun im Zentrum aller Erwartungen. Was 2009 mit den Verhandlungen über eine Partnerschaft begann, mündet nun in eine Verpflichtung. Es war das Freiheitsversprechen der EU, das die Menschen in der Ukraine auf eine bessere Zukunft hoffen ließ. Die EU steht für Rechtsstaatlichkeit, sie steht für ein Leben ohne Korruption und Oligarchenherrschaft. Die EU hat auf dem Maidan ein gewaltiges Entwicklungsprojekt geerbt.

Timoschenko ist belastet

Offenbar wird es Teil dieses Projekts sein, mit einer neuen starken Figur in der Ukraine umzugehen: Julia Timoschenko. Vielleicht entwickelt die charismatische Politikerin die Kraft, auch der russophilen Bevölkerung eine Perspektive in einer geeinten Ukraine aufzuzeigen. Aber gleichzeitig ist Timoschenko als Teil einer dubiosen Wirtschafts- und Machtelite selbst belastet. Ihr fehlt die Integrität, die eine Führungspersönlichkeit nach innen aber auch nach außen gegenüber Russland aufbringen müsste. Ihr fehlt die Glaubwürdigkeit, gegen die Macht der Oligarchen anzutreten.

Der erste Teil des Umsturzes ist vorüber. Das Volk hat sich mit beeindruckendem Mut gegen Willkür, Korruption und schlechte Führung aufgelehnt. Die eigentliche Revolution steht der Ukraine noch bevor.

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