Krise beim VfB Stuttgart:Bis zum Ende der Romantik

VfB Stuttgart v Hertha BSC - Bundesliga

Durfte sich sieben Niederlagen in Serie erlauben, aber auch die achte? Stuttgart-Coach Thomas Schneider.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der VfB Stuttgart steckt in einem Dilemma: Die Identität durch den Trainer oder die sportliche Zukunft in der ersten Bundesliga erhalten? Nach sieben Niederlagen hält der VfB an Trainer Schneider fest - und ringt mit sich, ob er das auch nach einer achten tun sollte.

Von Christof Kneer

Fredi Bobic hat gelernt, dass es sich lohnt, dem Trainer zu vertrauen. Er hat einmal für die Bolton Wanderers gespielt, ein gutes Dutzend Jahre ist das jetzt her, der Verein steckte im Abstiegskampf, als Bobic in der Winterpause kam. "Aber die haben total die Ruhe bewahrt", sagt Bobic, "am Ende haben wir mit dem Trainer die Klasse gehalten." Von Bolton aus zog er weiter Richtung Hannover, er geriet von einem Abstiegskampf in den nächsten, und wieder war es der amtierende Trainer (Ralf Rangnick), der die Mannschaft rettete.

Fredi Bobic hat aber auch gelernt, dass es sich lohnt, dem Trainer nicht zu vertrauen. Er war dabei, als der VfB Stuttgart ein paar Jahre zuvor nur die Klasse hielt, weil derselbe Rangnick sechs Spieltage vor Schluss vorzeitig das Traineramt übernahm. Er war dabei, als Hertha BSC in höchster Not Huub Stevens entließ, um sich anschließend vom angeblichen Rosenzüchter Hans Meyer erlösen zu lassen. Und vor allem war Fredi Bobic in jener kolossal kurzweiligen Saison dabei, als die Dortmunder erst Michael Skibbe durch Bernd Krauss und dann Bernd Krauss durch das Duo Udo Lattek/Matthias Sammer ersetzten. Manchmal geht der Trend eben zum Drittcoach, wie aktuell auch beim HSV, wo Mirko Slomka auf Bert van Marwijk folgte, der auf Thorsten Fink gefolgt war.

Kaum einer hat die Auswirkungen von Trainerwechseln so gründlich studiert wie Fredi Bobic. Ihm macht keiner was vor, er weiß es am besten: Trainerwechsel bringen nichts. Es sei denn, sie bringen was.

Der Trend in Stuttgart geht zum Zweitcoach

Vielleicht kann es den aktuellen VfB Stuttgart ein bisschen beruhigen, dass er Bobic als Sportchef an seiner Seite weiß. Bobic ist eine spezielle Art von Abstiegsgespenst, er erschreckt den Abstieg. Als alternder Spieler hat er das zu seiner Marke gemacht, Bobic wurde eine Art fahrender Klassenerhaltshändler, er hat sich mal hier und mal dort anheuern lassen, und immer ging die Geschichte gut aus. "Ich glaube, dass ich in all den Jahren ein Gefühl entwickelt habe, was in der jeweiligen Situation hilft und was nicht", sagt er. Aktuell glaubt er noch an den Trend zum Zweitcoach.

Thomas Schneider, der nach dem dritten Spieltag den Erstcoach Bruno Labbadia abgelöst hatte, hat siebenmal in Serie verloren, und das große Thema in Stuttgart ist, ob er am Sonntag in Frankfurt auch noch ein achtes Mal verlieren dürfte.

Es gehört zum Jobprofil von Reportern, solche Fragen zu stellen, und es gehört zum Jobprofil von Managern, solche Fragen so zu beantworten, dass selbst gewissenslose Reporter daraus keine Schlagzeile modellieren können. Bobic weiß, dass die Frage vor dem Spiel kommen wird, er weiß auch schon, was er antwortet. Er wird sagen, dass er keine hypothetischen Fragen mag, dass es aber sein Wunsch sei, "den Weg mit dem Trainerteam erfolgreich weiterzugehen".

Der VfB Stuttgart steckt in einem Dilemma

Es ist ein Dilemma, in dem Bobic und Präsident Bernd Wahler gerade stecken. Sie haben den Verein gerade so schön auf neue, rechtschaffene Werte verpflichtet, und nun kommt ihnen womöglich ein anderer rechtschaffener Wert dazwischen. Das ist die Frage, die sich schon am Montag stellen könnte: Was ist dem VfB wichtiger - die nach wilden Jahren wiedergefundene Identität, die auf selbstgezüchteten Profis und Trainern Marke Eigenbau beruht? Oder die Verantwortung gegenüber Verein, Fans, Stadt, Land und Fluss, die unter einem Abstieg des Lieblingsklubs arg zu leiden hätten?

"Ich sehe eine Elf, die sich reinhaut"

"Entscheidend ist, was auf dem Platz passiert", sagt Bobic, hinter dieser rhetorischen Standardsituation haben alle Szenarien Platz. "Im Moment sehe ich einen Trainerstab, in dem keiner hadert oder zaudert", sagt Bobic, "und ich sehe eine Elf, die sich reinhaut." Noch versuchen Bobic und Wahler das Schicksal mit fast schon rührender Hingabe auf Linie zu zwingen, aber sie wissen, dass die Romantik Grenzen hat. "Wir denken Spiel für Spiel, müssen die Lage immer wieder neu bewerten", sagt er.

Rosenzüchter sind zurzeit nicht auf dem Markt, "den klassischen Feuerwehrmann gibt's nicht mehr", sagt Bobic. Er müsste zur Not einen Drittcoach finden, der zum Soforthelfer taugt und doch zum langfristigen Weg passt. "Den Weg verlassen wir nicht", sagt Bobic. Es müsste ein Modell Brustring sein, ein Coach, der Talente fördert und das VfB-Trikot im Idealfall nicht nur aus der Sportschau kennt. Schon werden Namen wie Zvonimir Soldo oder Krassimir Balakow gehandelt, einstige Klubhelden, wobei Balakow in Kaiserslautern in ähnlicher Lage imposant scheiterte.

Bobic, der Abstiegskampfexperte, weiß, dass es eine einfache Lösung gibt, um dem Dilemma zu entkommen. Die Mannschaft, sagt er, müsse "einfach nur in Frankfurt gewinnen".

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