Kleiderkollektion von Tod's:Leichtfüßige Eleganz

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Tod's feiert auf der Mailänder Modewoche die klassisch-italienische Eleganz. (Foto: REUTERS)

Sind das nicht die mit den genoppten Ledermokassins? Richtig, aber jetzt macht Tod's auch edle Kleider. Designerin Alessandra Facchinetti beweist in der ersten Kollektion, wie meisterlich sie den italienischen Stil beherrscht.

Von Julia Werner, Mailand

Auf dem Boden liegt ein Teppich mit lila-blauem Muster, der jeden Laut aufsaugt. An der Decke: glänzende Fontana-Lampen. Man sitzt auf modernistischen Samtsesseln in wässrigen Türkis- und Nudetönen, die verwirrend gut zu den Fornasetti-Tabletts passen, auf denen der Champagner serviert wird. So stellt sich Alessandra Facchinetti also den Tod's-Kosmos vor. Allein schon dieses Setting ist eine Stil-Lektion, weit weg von den beigefarbenen Wohnwelten, die in Deutschland als geschmackvoll gelten. Gerade hat Facchinetti hier in Mailand ihre zweite Prêt-à-Porter-Kollektion für das Label gezeigt und wurde von den Kritikern bejubelt.

Die meisten kennen den Namen Facchinetti hauptsächlich wegen ihrer Karriere-knicks. Zum ersten Mal scheiterte sie bei Gucci als Nachfolgerin von Tom Ford, zum zweiten Mal als Nachfolgerin von Valentino. Nicht, dass sie eine reelle Chance gehabt hätte: Kein Sterblicher hätte diese schillernden Über-Designer in den Augen des Publikums ersetzen können. Schon gar nicht eine Frau, die kein Showpony ist. Jetzt, im Alter von 41 Jahren, arbeitet sie also für Tod's. Firmenpatron Diego Della Valle wollte sie unbedingt haben, als Designerin mit 360-Grad-Vision für seine Marke. Allerdings ist es keine kleine Herausforderung, für ein Label ohne eigenes Kleider-Archiv neue Codes zu erfinden. Das können nur sehr intelligente Designer - wie etwa Marc Jacobs, als er 1997 bei Louis Vuitton anfing. Und wie jetzt Facchinetti, die endlich dort angekommen ist, wo sich ihr Talent entfalten kann.

Zwei Tage nach der Show gibt sie Interviews, allerdings ist sie zum verabredeten Zeitpunkt gerade im intensiven Gespräch mit ihrem Boss. Diego Della Valle hat aus einer Schuhfabrik an der Adriaküste einen milliardenschweren Luxuskonzern geformt, zu dem Marken wie Hogan, Fay, Roger Vivier und Schiaparelli gehören. Wer so viel schafft, verlangt auch von den anderen viel. Alessandra Facchinetti saugt jedes seiner Worte auf. Sie trägt eine hochgeschlossene Jacke aus ihrer gerade gezeigten Kollektion, dazu weite Hosen und antik anmutende Diamant-Ohrringe, das Haar ist locker zusammengesteckt. Das Ganze macht einen sehr feinsinnigen Eindruck. Und das teure Outfit harmoniert mit ihrem Auftreten. Wie sie spricht, wie sie die Wimpern am Ende jeden Satzes senkt: die pure Eleganz.

Comeback des wahren und schönen Italien

Natürlich ist Berlusconi nicht an allem schuld, aber seine Fernseh-Girls mit den aufgespritzten Lippen und den sehr kurzen Röcken haben das Bild Italiens in den vergangenen Jahren geprägt und das wahre und schöne Italien ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Dabei ist sie ja nie weg gewesen, die italienische Signora, sie muss nur entdeckt und mal wieder richtig gefeiert werden. Und wer könnte das besser als eine wie Facchinetti?

"Sie ist nicht nur eine großartige Designerin, sondern auch Italienerin. Als wir uns zum ersten Mal trafen, wusste ich sofort, dass sie die Tod's-DNA zu einhundert Prozent versteht", sagt Della Valle. Facchinetti sieht es ähnlich: "Wir haben nicht sehr viel geredet und waren uns schnell einig. Das war auch ein gutes Zeichen - dass da jemand sofort Vertrauen in meine Art zu denken hatte." Wie immer, wenn sie über sich selbst spricht, wird sie am Ende des Satzes leiser.

Della Valles Entscheidung, Tod's von einer reinen Accessoire-Marke in ein Kopf-bis-Fuß-Luxuslabel zu verwandeln, kam genau zur richtigen Zeit. Dem Unternehmer liegt etwas an Italien, dem er ja auch viel zu verdanken hat: begnadete Schuh- und Leder-Handwerker zum Beispiel. Den besonderen italienischen Casual-Lifestyle, bei dem das Gute im Einfachen liegt, hat er 1978 in seine Marke übersetzt. JP Tod's, später einfach: Tod's. Ein Ledermokassin mit Gumminoppen brachte bald den Durchbruch. Die Legende besagt, Della Valle habe den Markennamen in einem Telefonbuch gefunden - und den Schuh, für Autofahrer gemacht, auf einem Flohmarkt. Bald trugen so illustre Leute wie der Fiat-Erbe Gianni Agnelli die Mocassini. Heute sind sie an den Füßen all derer zu bewundern, die das gute, leichtfüßige Dasein leben - oder leben wollen. Guter Stil ist aber nicht nur, in den richtigen Schuhen zu stecken. Wenn die Gesten nicht zur eleganten Erscheinung passen, sind teure Kleider nur eine Hülle.

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Womit wir wieder bei Alessandra Facchinetti wären, deren ganze Erscheinung Geschmack verströmt - da muss man sie eigentlich nur auf dem Samtsofa sitzen sehen. "Schnitt, Detailarbeit und Qualität sind immer meine Obsessionen gewesen", sagt sie. Beim Entwerfen habe sie sofort das Gefühl gehabt, die Geschichte schon zu kennen, die sie da erzählen sollte. Die Geschichte ist eben eine ihr bekannte: die der italienischen Klassefrau mit dem unglaublich guten Gespür für Leder und Kaschmir, das deutschen Italien-Touristinnen früher schon am Flughafen ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl in die Knochen jagte. Die Deutschen trugen ihr gar nicht leichtfüßig verdientes Geld dann in die nächste Armani-Boutique - blieben aber ohne Chancen gegen die geborenen Damen in den flachen Schuhen.

Auch darauf basiert der Erfolg italienischer Mode im Ausland. "Die Idee, diesen guten Geschmack wieder zurückbringen zu können, hat mir gefallen", sagt Facchinetti. "Ich versuche, das Universum einer Frau zu erzählen, die starke italienische Wurzeln hat, die weiß, was Qualität und Ästhetik ist und der Kultur etwas bedeutet. Auch wegen dieser Markenwerte ist Tod's ja so erfolgreich." Beziehungsweise: die Marke Italien an sich.

Um Tod's zu verstehen, muss man allerdings erst einmal Diego Della Valle verstehen. Dieser Mann ist Tod's. Er engagiert keinen Designer im Hauruckverfahren und gängelt ihn dann auch nicht - erst einmal lehnt er sich zurück und wartet, was passiert. Della Valle habe ihr viel Freiheit gelassen und hauptsächlich über die Accessoires gesprochen, sein Steckenpferd, erzählt Facchinetti. Die Kollektion selbst habe er erst eine Woche vor der Präsentation zu sehen bekommen.

Luxuriös in Leder

Die Tod's-Lady scheint nun genau die zu sein, die er haben wollte: ein bisschen weiblicher, aber subtil, nie sexbombig. Tuniken und Röcke sind aus butterweichem Leder oder schwerer Baumwolle gearbeitet, manche Röcke schwingen in der Fifties-Silhouette, sind aber so besonders im Detail, dass das nichts Nostalgisches hat. Sondern etwas sehr Zeitgemäßes. Auch den Flats wurden Details wie Fransen verpasst und den Taschen mehr Zierde. Das Branchenblatt Women's Wear Daily lobte nach dieser Show Facchinettis "luxuriöse Interpretationen von Leder".

Mode für die elegante Signora aus dem Hause Tod's. (Foto: AFP)

Die Designerin pendelt zwischen Mailand, wo sie lebt und arbeitet, und Casette d'Ete, dem hübschen Ort am Meer, wo das Tod's-Herz schlägt. Und wo Eminenzen wie Toni arbeiten, der alles über Leder weiß - auch, wie man etwas völlig Neues daraus macht. Man muss ihn nur danach fragen. Auch das ist Italien: eine Quelle der Handwerkskunst, die nur dann nicht versiegt, wenn man sie immer wieder anzapft. "Leder als Material ist für eine Tod's-Kollektion natürlich essenziell", sagt Facchinetti. "Für die Kleidung muss man es aber anders anpacken. Etwas kann aus Leder sein, aber man muss es nicht gleich auf den ersten Blick sehen. Ich mag es, Dinge aus der ursprünglichen Bestimmung herauszulösen." Ein hellblaues Ensemble aus Rock und Bluse mit Laser-Cutouts für den nächsten Winter ist so ein Beispiel: Erst aus der Nähe erkennt man, dass es nicht aus fließendem Stoff gefertigt wurde, sondern aus allerfeinstem Leder.

Das alles hat einen stolzen Preis, weshalb es die Prêt-à-Porter-Kollektion auch nur in 15 Shops weltweit geben wird, einer davon in München. Mit schneller Mode hat das alles natürlich nichts zu tun. Diese Kleider sind eher für Menschen gedacht, die sich ihre Garderobe über Jahre hinweg aufbauen, so wie Kunden von Hermès oder Loro Piana. Man müsse vor den Dingen an sich wieder mehr Respekt haben, sagt die Designerin noch mit diesem schüchternen Wimpernschlag. "Gerade in dieser Zeit des übermäßigen Konsums ist das wichtig."

Gutes Design sei für sie, wenn etwas in jedem Umfeld funktioniere und dort erst seine Form annehme - also so aussieht, als sei es exakt für diese Gelegenheit erdacht worden. Diese Kunst nennt man den italienischen Stil.

© SZ vom 08.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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