Als Kollegin und als lesbisch lebende, schwangere Frau bin ich von Sibylle Lewitscharoffs Äußerungen geschockt, ist mein Kind doch auf eine Weise entstanden, die sie als "abartig", "widerwärtig", "abscheulich" verteufelt: Ein Frauenpaar und ein schwuler Mann gründen eine Familie, freuen sich auf ein Kind, um das sie sich gemeinsam kümmern wollen.
Ich schätze Sibylle Lewitscharoff als Autorin, ihre Sprachmacht, ihren Wortwitz, sogar ihre Streitbarkeit, die sich bisweilen in kruden konservativen Theorien geäußert hat. Was sie jedoch am letzten Sonntag in Dresden verlautbart hat, lässt sich nicht mehr unter verschrobener Originalität verbuchen - auch wenn es alle Merkmale des Grotesken aufweist: Das biblische Onanieverbot leuchte ihr ein, einzig und allein der - unter welchen Umständen auch immer - vollzogene Geschlechtsakt sei der legitime Ursprung menschlichen Lebens und anderweitig gezeugte Kinder "Halbwesen", denen sie nicht einmal die volle Menschenwürde zugestehen möchte.
Der Abscheu, so gibt sie selber zu, übersteige in diesem Punkt ihre Vernunft. Genau die vernunftslose Verachtung ist der Ursprung für Hass auf alles Andere und Abweichende, für Rassismus und Homophobie.
Wenn Menschen, aus welchen Gründen auch immer, die vollumfängliche Würde abgesprochen wird, ist das nicht mehr die Kultivierung eines Ressentiments, sondern eine ungeheuerliche Hetze, die einem absurden, biologistischen, faschistoiden Natürlichkeitsideal huldigt. Wer aber die Abweichungen ausgrenzt, wird der Vielfalt der Schöpfung nicht gerecht.
Judith Schalansky, geboren 1980, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin.