Prozess gegen Uli Hoeneß:Urteil könnte doch schon am Donnerstag fallen

Hoeneß' hinterzogene Steuersumme soll 27,2 Millionen betragen +++ Bayern-Präsident lieferte Unterlagen sehr spät +++ Zwei zusätzliche Zeugen im Prozess, trotzdem keine Verzögerung? +++

Der zweite Prozesstag im Newsblog

Am zweiten Prozesstag überschlagen sich die Ereignisse. Die leitende Steuerfahnderin, die als Zeugin geladen ist, bringt Hoeneß in Bedrängnis. Die Zahlen zur möglichen Steuerschuld des Angeklagten erreichen immer neue Höhen. Aus dem Justizpalast berichten Bastian Brinkmann und Lisa Sonnabend. In der Redaktion verfolgen Saskia Aleythe und Martin Anetzberger die Ereignisse.

Zeitplan könnte eingehalten werden: Die wichtigste Zeugin - eine Steuerfahnderin vom Finanzamt Rosenheim - hat ausgesagt, der zweite Prozesstag ist beendet. Die Verteidigung hatte keine nennenswerten Fragen zu ihrer Steuerschuld-Schätzung. Die Zeugin wurde deswegen entlassen. Somit könnte das Urteil nun wie geplant am Donnerstag nach den Plädoyers gesprochen werden. Am Mittwoch sagen noch zwei Zeugen aus: Hoeneß' Betriebsprüfer, der Auskunft über seine Einkünfte in Deutschland geben soll, und ein EDV-Mitarbeiter der Finanzverwaltung, der zu den Dateien der Vontobel-Bank in der Schweiz etwas sagen soll.

Wie sich die 27,2 Millionen zusammensetzen: Wie viel Geld hat Hoeneß hinterzogen? Die Verteidigung schätzt, es könnten um die 18 oder 19 Millionen Euro sein. Die für Hoeneß zuständige Steuerfahnderin hat nun ebenfalls eine Schätzung vorgelegt: Zu den bereits bekannten 3,5 Millionen Euro aus Kapitalerträgen kommen weitere 23,7 Millionen Euro. Das sind Einkünfte aus Spekulationsgeschäften. Die Steuerfahnderin hat sie mithilfe der Unterlagen überschlagen, die Hoeneß erst wenige Tage vor Prozessbeginn an das Finanzamt übergeben hat. Erst diese Dokumente zeigen, wie viel Hoeneß durch Wetten auf Währungen verdient hat, durch sogenannte Devisentermingeschäfte. Sollte die genaue Steuerschuld berechnet werden, bräuchte die Steuerfahndung deutlich mehr Zeit, denn die Berechnungen stützen sich bisher nur auf grobe Kontostände. Wie Hoeneß genau spekuliert hat, ist also noch nicht in die Schätzung eingeflossen. Hat Hoeneß die Währungen lange genug gehalten, könnte das Zocken nach damaliger Gesetzeslage ganz oder teilweise steuerfrei gewesen sein.

Hoeneß blickt ins Leere: Der Angeklagte schließt die Augen. Den Kopf hat er nach hinten gelehnt, so dass sich im Nacken Falten bilden. Vorne am Richterpult zeigt die Steuerfahnderin vom Finanzamt Rosenheim den Prozessbeteiligten auf, wie sie bei den Berechnungen der Steuerschuld vorgegangen ist. Hoeneß ist nicht aufgestanden, es scheint, als höre er nicht einmal richtig zu. Er blickt ins Leere. An diesem zweiten Prozesstag wirkt der Bayern-Präsident manchmal seltsam unbeteiligt - so als werde gar nicht über ihn gerichtet, sondern über einen anderen. Kein einziges Mal spricht er am zweiten Prozesstag vor Gericht. Lediglich als er in der Früh den Saal betritt und die Kameras auf ihn gerichtet sind, sagt er in Richtung der Fotografen: "Guten Morgen!"

Bank-Unterlagen gingen erst sehr spät an die Steuerfahndung: Die leitende Steuerfahnderin im Fall Hoeneß berichtet, die Steuerfahndung habe von Anfang an mehr Unterlagen von Hoeneß eingefordert, damit sie die Steuerschuld aus den Devisentermingeschäften berechnen kann. Die in der Selbstanzeige genannten Zahlen würden dabei nicht helfen. Wieder und wieder hakten Steuerfahnder und Staatsanwaltschaft demnach bei dem Angeklagten nach. Hoeneß' Steuerberater und seine Verteidigung entschuldigten sich immer wieder mit Verweis auf die Bank, die die Unterlagen nicht so schnell liefern könne. Erst am 27. Februar übergab Hoeneß alle Kontodaten an die Steuerfahndung.

Wichtige Datei schon ein Jahr auf USB-Stick: Die zuständige Fahnderin des Finanzamts Rosenheim schildert in ihrer Zeugenaussage vor Gericht, dass Hoeneß die Dateien auf einem Stick überreicht habe. Die Kontoauszüge lagen als PDF-Datei vor. Die EDV des Amts kontrollierte die Dateien und stellte fest, dass die "Grunddateien" schon am 18. Januar 2013, einen Tag nach der Selbstanzeige, erstellt wurden. Im Februar 2014 wurde die Datei erst noch einmal modifiziert und dann an die Ermittler übergeben. Was geändert wurde, sagt sie vor Gericht nicht. Nach Angaben der Zeugin gaben die Behörden Hoeneß die Gelegenheit, die Selbstanzeige nachzubessern. Erst danach leiteten sie ein Ermittlungsverfahren ein. Hoeneß' Verteidigung betont vor Gericht, dass die Bankunterlagen auf keinen Fall bereits im Januar 2013 vorgelegen hätten.

Spielsucht dürfte kaum strafmindernd wirken: Hoeneß betont vor Gericht immer wieder, bei seiner Selbstanzeige unter großem Druck gehandelt und keine Unterlagen gehabt zu haben. Die vom Angeklagten erwähnte Spielsucht könne in geringen Maße strafmildernd wirken, "wenn es wirklich psychologische Einschränkungen gegeben hat", sagt Klaus Höchstetter, Anwalt für Steuerstrafrecht in München. Die Verteidigung habe aber bislang kein entsprechendes Gutachten vorgelegt, zu einer Spielsucht gehörten feste psychologische Kriterien. Hinzu komme, dass der Bundesgerichtshof bereits in einem Urteil entschieden hat, dass die klassische Spielsucht keine Auswirkungen auf die Begehung von Steuerhinterziehung hat und deshalb solche Erwägungen keinen Einfluss auf die Strafzumessung haben dürfen.

Hoeneß will zum Arsenal-Spiel: Der Bayern-Präsident plant am Dienstag einen Besuch des Champions-League-Spiels seines FC Bayern München. Das ließ er über seine Verteidigung mitteilen. Am Samstag hatte der 62-Jährige noch auf eine Reise mit dem Klub zum Bundesliga-Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg verzichtet. Wenn seine Bayern im Achtelfinale gegen den FC Arsenal nach dem 2:0 im Hinspiel in der heimischen Arena das Weiterkommen feiern wollen, möchte der Aufsichtsratschef auf jeden Fall dabei sein.

Linktipps zum Fall Uli Hoeneß:

Der erste Prozesstag im Newsblog

Vor 13 Jahren richtete Hoeneß ein Konto bei der Schweizer Vontobel-Bank ein: Die Chronologie des Falls.

Was genau wird Uli Hoeneß vorgeworfen? Muss er am Ende ins Gefängnis? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Prozess.

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