Sexismus in Videospielen:Frau in Not

Prinzessin Peache

Eine hilfsbedürftige Frau zu beschützen, ist Ziel vieler männlicher Helden in Computerspielen - etwa bei Super Mario, der Prinzessin Peach rettet.

(Foto: Nintendo)

In der Welt der Games kommen Frauen oft nur als "damsel in distress" vor. Spielerinnen dagegen werden beschimpft. Und wer wie Anita Sarkeesian über Sexismus in Computerspielen forscht, bekommt erst recht einen Shitstorm ab.

Von Susanne Dickel

In unserer Rubrik Spielwiese befassen wir uns mit Aspekten der Gaming-Kultur, die über die reine, klassische Rezension von einzelnen Games hinausgehen. Von Drehbuchautoren für Games bis hin zu gerappten Spiele-Rezensionen ist alles dabei. Dieses Mal: Sexismus in Computerspielen.

Es gibt viele Wege, sich für unangenehme Aufgaben zu motivieren: Die einen schwören auf das Gefühl der Befriedigung, wenn sie nach dem Frühjahrsputz die Beine hochlegen. Die anderen gönnen sich ein Stück Schokokuchen, wenn sie die Matheklausur hinter sich gebracht haben. In vielen Videospielen ist die Sache einfacher: Da lockt als Belohnung eine hübsche Frau, die der Spieler retten soll.

Das Phänomen nennt sich damsel in distress, und bezeichnet eine junge Frau in Not, die sich nicht selbst helfen kann, sondern erst von einem Mann gerettet werden muss. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Super Mario - der Held rettet regelmäßig Prinzessin Peach aus den Fängen seines Erzfeindes Bowser.

Anita Sarkeesian ist Kommunikationswissenschaftlerin und setzt sich mit weiblichen Rollenklischees in Spielen auseinander. Eine Damsel in Distress führt ihr zufolge zu einer Reduzierung von Frauen: "Frauen werden so zu Objekten, sie werden der Schatz, der gefunden werden muss, der Preis, den man gewinnen kann, oder das Ziel, das erreicht werden soll", erklärt sie in einer Videoserie, die sie über Sexismus in Videospielen produziert hat.

Neben der damsel in distress bespricht sie in der Serie weitere Klischees. Zum Beispiel die woman in the refridgerator: eine Frau, die zu Beginn der Story stirbt und so als perfekte Motivation für einen Rachefeldzug des männlichen Helden dient.

Die Filme machten Sarkeesian und ihre Webseite Feminist Frequency weltweit bekannt. Kürzlich wurde sie mit dem Game Developer's Choice Awards als Botschafterin für Videospiele ausgezeichnet.

"Natürlich ist nicht jedes Spiel, das die damsel in distress benutzt, automatisch sexistisch", sagt die Feministin. "Aber wenn so ein Stereotyp immer wieder verwendet wird, kann das dazu führen, dass eine sehr paternalistische Haltung gegenüber Frauen normal erscheint." Nicht nur in alten Spielen tauchen solche Klischees auf: In Max Payne 3 aus dem Jahr 2012 zum Beispiel muss Max die Frau seines Arbeitgebers finden und befreien.

Über Sarkeesians Videos lässt sich streiten. Zum Beispiel erwähnt sie männliche Klischees in Computerspielen überhaupt nicht und gibt nur wenige Gegenbeispiele für gute Darstellungen von weiblichen Charakteren. Solche Argumente verschwinden aber unter einer Masse hasserfüllter Kommentare. 2011 startete Sarkeesian eine Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter, um ihre Videos zu finanzieren. Ihr Ziel: 6000 Dollar. Sie bekam 150 000 Dollar - und einen Shitstorm. In ihren Wikipedia-Eintrag wurden Pornobilder eingebunden, sie bekam Morddrohungen. Ein User entwickelte sogar ein "Spiel", bei dem man Sarkeesian ins Gesicht schlägt. Inzwischen sind die Kommentare unter ihren Videos abgeschaltet.

Der Ansatz von Sarkeesian ist der einer Forscherin. SIe sucht nach Beispielen und analysiert sie. Ihre Videoreihe zeigt, wie Programmierer und Designer Frauen ihre Rolle in Computerspielen darstellen: sexistisch. Aber dass Männer, die einfach nur spielen wollen, sexistisch sein können, zeigt sich bei einem Blick auf einen Blog, in dem die Erfahrungen von Spielerinnen gesammelt werden.

Fett, hässlich oder nuttig

"Bitte krieg' Krebs und stirb!" Wenn Grace solche Nachrichten in ihrem Postfach findet, freut sie sich. Anders als Sarkeesian widmet sie sich nicht dem Umgang mit den Frauen auf dem Bildschirm, sondern mit denen, die die Spiele spielen. Denn Spielerinnen bekommen von männlichen Spielern regelmäßig Beleidigungen und Drohungen geschickt. Grace und drei weitere Frauen machten das öffentlich: Knapp zwei Jahre lang sammelten sie die Aussagen auf ihrer Seite Fat, ugly or slutty. Der Name bezieht sich auf die Eigenschaften, die die Absender Spielerinnen am häufigsten zuschreiben: fett, hässlich oder nuttig.

Grace ärgert sich nicht über die Nachrichten, sie findet sie lustig: "Das ist so absurd: Da spielt jemand ein Spiel, checkt die anderen Gamer aus, tippt mühsam einen Text zusammen und schickt ihn in den Äther. Ein riesiger Aufwand, ohne dass er weiß, was damit passiert." Manche Beleidigungen sind durchaus kreativ: In Graces Favorit droht der Absender, eine Zeitmaschine zu bauen, um ein Dinosaurierei zu holen, das Tier großzuziehen und es auf die Spielerin loszulassen.

Männer, die auf ihre Seite kämen, seien über solche Aussagen oft entsetzt und entschuldigten sich für ihre Geschlechtsgenossen, weil sie mit solch einem Ausmaß nicht gerechnet hätten, erzählt Grace. Dabei sei es kein Wunder, dass sie davon nichts geahnt hätten: "Wir haben allen gesagt, dass man nicht über sexuelle Belästigung in Games sprechen soll. Jahrelang hieß es: Don't feed the trolls! Nicht drauf reagieren, nicht drüber reden. Also konnte auch keiner davon wissen."

Möglicherweise funktioniert der humorvolle Weg von "Fat, ugly or slutty" besser. Zumindest bekommt Grace nur selten Beleidigungen, die sich gegen die so benannte Seite selbst richten. "Ich wundere mich da selbst drüber", sagt sie. "Vielleicht trauen sie sich nicht, weil wir uns ja über sowas lustig machen." Ihren richtigen Namen will sie trotzdem nicht öffentlich lesen. Vielleicht kommt der Shitstorm ja doch noch.

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