EU-Bankenunion:Schutzwall mit Löchern

Auf dem Papier ist die Bankenunion das größte Integrationsprojekt seit Einführung des Euro. Ob sie die Steuerzahler aber tatsächlich nachhaltig schützen wird, ist fraglich. Denn dank Finanzminister Schäuble hat das Projekt zwei Haken.

Ein Kommentar von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es ist so eine Sache mit dem "Wir" und seinen grammatikalischen Ausprägungen. Wenn ein Fußballclub nach einer strapaziösen Bundesliga-Saison den Titel gewinnt, dann sagen seine Fans gern: "Wir" sind Deutscher Meister. Und wenn die Kanzlerin einer ihrer nüchternen Reden doch einmal eine gewisse pathetische Flughöhe verpassen will, dann tut sie das, indem sie Europa, die Rettung des Weltklimas oder die Freundschaft zu Amerika zu "unserem" Schicksal erhebt.

Im langen Gerangel der EU-Staaten um die Schaffung einer sogenannten Bankenunion haben Politiker von CDU und CSU zuletzt mehrfach zu Protokoll gegeben, dass "unsere" Kreditinstitute nicht für die Fehler ausländischer Geldhäuser haftbar gemacht werden dürften. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hing dieser kruden Definition "unserer" Interessen zeitweise an. Am Ende aber gab er sich einen Ruck und stimmte dem Kompromiss von Kommission, Europaparlament und Ministerrat zur Bankenunion doch noch zu. Gut so.

Das größte Integrationsprojekt seit Einführung des Euro

Worum geht es? Die EU-Staaten wollen erreichen, dass marode Banken in Zukunft nicht mehr mit Steuergeldern gerettet, sondern fusioniert oder schlicht geschlossen werden. Die Kosten tragen die Aktionäre, Gläubiger und Kunden des betroffenen Instituts. Reichen deren Beiträge nicht, kann die neue EU-Abwicklungsbehörde auf einen Fonds zugreifen, in den alle Banken des Kontinents bis Ende 2023 insgesamt 55 Milliarden Euro einzahlen müssen.

Auf dem Papier ist die Bankenunion damit das größte Integrationsprojekt seit Einführung des Euro. Ob sie die Steuerzahler aber tatsächlich nachhaltig schützen wird, muss sich erst zeigen. Zumindest in einer mehrjährigen Übergangsphase sind Zweifel angebracht. Denn aus Angst, dass die Einzahlungen deutscher Banken in Italien, Frankreich oder anderswo versickern, setzte Schäuble durch, dass alle nationalen Beiträge nur schrittweise vergemeinschaftet werden.

Droht nun etwa ein Institut in Italien zu kippen, verfügt der neue Bankenfonds womöglich nicht über genug Geld. Rom könnte dann stattdessen den Euro-Hilfsfonds ESM anzapfen. Aus deutscher Sicht hieße das: Damit "unsere" Banken nicht zahlen müssen, springen "wir" Steuerzahler ein. Paradox.

Politische Kungelgeschäfte sind weiter möglich

Und noch ein mögliches Problem hat Schäuble mitverschuldet: Er sorgte dafür, dass bei großen Abwicklungsfällen anstelle einer neutralen Instanz der EU-Finanzministerrat das letzte Wort hat. Damit öffnet er politischen Kungelgeschäften nach dem Motto "Stimmst du gegen die Schließung meiner Bank, stimme ich gegen die Schließung deiner" Tür und Tor.

Wohin mangelnde Konsequenz führt, haben die vergangenen Jahre gezeigt: Während in den USA seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 fast 500 Institute geschlossen wurden, dürfen in Europa selbst die gruseligsten Zombiebanken weiterwursteln.

So vernünftig die Bankenunion auf lange Sicht zweifellos ist: Die Probleme der europäischen Geldindustrie könnten "uns" noch eine ganze Zeit lange teuer zu stehen kommen. Uns Steuerzahler, wohlgemerkt.

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