Fall Tebartz-van Elst:Verrat am Glauben

Spannung vor Urteil über Tebartz-van Elst

Die Irrenden, das sind die anderen: Franz-Peter Tebartz-van Elst in seinem Bischofs-Gewand.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Bischof Tebartz-van Elst kann keinen Fehler zugeben. Das ist der Schlüssel zu der ganzen Geschichte. Wer so denkt, geht davon aus, dass er auch keine Fehler macht. Die Irrenden, das sind die anderen. In Limburg hat sich gezeigt, wohin dieses Denken führen kann.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

Es gibt eine Geschichte über den gewesenen Bischof von Limburg, die viel über Franz-Peter Tebartz-van Elst erzählt: Herr Bischof, soll ihm einer geraten haben, geben Sie doch zu, dass sie Fehler gemacht haben. Doch der soll geantwortet haben: Ein Bischof kann keinen Fehler zugeben.

Franz-Peter Tebartz-van Elst ist nicht daran gescheitert, dass ihm die Kosten für den Bau seiner Residenz über den Kopf gewachsen sind, nicht daran, dass er sich ein schönes Badezimmer wünschte und eine teure Vorrichtung für Adventskränze. Er ist auch nicht daran gescheitert, dass er an Eides statt die Unwahrheit gesagt hat. Dies alles sind nur Symptome. Der Bischof ist gescheitert, weil er sein Amt missverstand, aber auch missbrauchte. Er glaubte, als Mann Gottes den irdischen Regeln enthoben zu sein. Seine geistlichen Probleme - die Selbstbezogenheit, die strukturelle Unwahrhaftigkeit - sind größer als die finanziellen. Dem hat Papst Franziskus nun Einhalt geboten. Dies ist mehr als eine Personalentscheidung, es ist eine Richtungsentscheidung.

Ein Bischof kann keinen Fehler zugeben, das ist der Schlüssel zu der ganzen Geschichte. Wer so denkt, geht davon aus, dass er auch keine Fehler macht, weil er ja von Gott geweiht ist und in der Traditionsfolge einer Kirche steht, die insgesamt unfehlbar ist. Was er tut, ist qua Amt geheiligt, möge die unverständige Welt dies noch so anders sehen. Im September 2012, da grummelte es in Limburg schon gewaltig, hat Tebartz-van Elst vor den Bischöfen eine bemerkenswerte Predigt gehalten, in der sich alles dies findet: Die katholische Kirche ist bedroht von den Stürmen der Zeit - nur darf sie sich nicht irre machen lassen und muss mutig ihren Weg weitergehen. Die Irrenden, das sind die Anderen.

In Limburg hat sich gezeigt, wohin dieses Denken führen kann. Unter Tebartz-van Elst entstand ein System des Innen-Außen-Denkens, getrieben von der Angst vor Offenheit und vor den Gläubigen, die vielleicht kritische Fragen stellen würden. Deshalb mussten die wahren Kosten des Baus auf dem Domberg geheim gehalten werden, musste die Finanzkontrolle umgangen werden, mussten moralisch zweifelhafte Geschäfte getätigt werden wie die Aufhebung des St. Georgswerks, für das einst fromme Katholiken für arme Familien gespendet hatten. Die eine Lüge gebar die nächste, bis sie zum täglichen Leben gehörte bis hin zum Streit, auf welchem Polstersitz der Bischof wohl nach Indien geflogen war und ob in seinem Teich nun Goldfische oder Koi-Karpfen schwammen. Und der eine Mitwisser setzte den anderen unter Druck, ja nichts nach außen zu verraten.

Hier lügt einer

Das alles mag auch in anderen Institutionen geschehen. In einer Kirche aber, die Liebe, Demut, Bescheidenheit und die Bereitschaft zur Umkehr predigt, ist dies Verrat am Glauben. Das haben die Menschen gespürt, die sich über den Limburger Bischof empört und aufgeregt haben: Hier lügt einer. Hier macht einer seine Kirche, ihre Botschaft und sich selbst unglaubwürdig. Dass zur gleichen Zeit in Rom der neue Papst Bescheidenheit und Demut vorlebte, ließ dies nur noch deutlicher werden. Deshalb war die Rückkehr des Bischofs nach Limburg am Ende unvorstellbar: Es hätte einen Aufstand selbst der treuesten Gläubigen gegeben.

Es hat quälend lange gedauert, bis der Papst entschieden hat. Letztlich ist es aber richtig, dass er den Schnellschuss vermieden hat; niemand kann ihm nun mangelnde Gründlichkeit vorwerfen. Und was auch immer man Franz-Peter Tebartz-van Elst vorwerfen mag: Er, der durchaus tragisch in eine eigene Weltwahrnehmung verstrickt ist, hatte Anspruch auf ein faires Verfahren. Die Entscheidung des Papstes ist allerdings auch eine Ohrfeige für den dritten Mann im Vatikan, für Gerhard Ludwig Müller, den Präfekten der Glaubenskongregation, der bis zuletzt von einer Medienkampagne gegen den Bischof sprach. Er hat Tebartz-van Elst immer weiter getrieben, zu seinem Instrument gemacht - auch Müller geht davon aus, dass ein Bischof qua Amt keine Fehler macht.

Das ist die eigentliche Brisanz der Entscheidung von Papst Franziskus: Er hat nicht einfach eine Personalie entschieden, er hat einem Bischofs- und Kirchenbild eine Absage erteilt. Ein Bischof darf nicht selbstherrlich sein, und lügen und verschwenden sollte er auch nicht. Ein Bischof soll führen und leiten, er soll Unbequemes sagen und auch strittige Entscheidungen treffen. Aber er muss den Geruch der Schafe tragen, wie Franziskus es formuliert hat. Was dies für die Amts- und Lebensführung eines Bischofs heißt, könnte eine spannende Debatte für die katholische Kirche werden, gerade in Deutschland: Sechs Bischofssitze sind derzeit leer.

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