Neuer Zwergplanet entdeckt:Forscher finden Hinweise auf unbekannte Supererde

2012 VP113 Zwergplanet in der inneren Oortschen Wolke

Die Umlaufbahnen des neu entdeckten Zwergplaneten "VP113" (rot) und von Sedna (orange) im Vergleich zum restlichen Sonnensystem (violett)

(Foto: Scott S. Sheppard / Carnegie)

Astronomen haben das bislang entfernteste Objekt des Sonnensystems ausgemacht. Der Zwergplanet trägt nach dem US-Vizepräsidenten den Spitznamen "Biden" und weist darauf hin, dass eine unbekannte Supererde den Rand des Sonnensystems hüten könnte.

Von Christoph Behrens

So sehr Astronomen auch durch Teleskope starrten, hinter dem Kuipergürtel schien das Sonnensystem aufzuhören. Diese Region hinter Neptun, 30 bis 50 Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde, galt als äußerste Grenze des Sonnensystems. Dahinter: Finsternis. Nur ein einziges Objekt, den Zwergplaneten Sedna, erspähten Astronomen vor zehn Jahren hinter dieser Grenzzone. Jetzt ist klar: Sedna ist nicht allein. Am Rande des Sonnensystems könnte es eine Vielzahl weiterer Objekte geben.

Im Fachmagazin Nature berichten Forscher heute von der Entdeckung eines neuen Zwergplaneten, der die Grenze des Sonnensystems weiter verschiebt: "2012 VP113" ist mit einem Durchmesser von rund 450 Kilometern astronomisch gesehen ein Brösel und kommt der Sonne nie näher als 80 "Astronomische Einheiten", also 80 Mal die Entfernung von der Sonne zur Erde. Zum Vergleich: Die Umlaufbahn von Mars ist nur eine halbe Astronomische Einheit von uns entfernt.

Lauert im Dunkeln eine unbekannte Supererde?

Den Astronomen Scott Sheppard und Chadwick Trujillo vom Gemini-Observatorium gelang die Entdeckung von VP113 mit dem NOAO Teleskop in Chile. Wegen des "VP" im Namen haben sie dem Himmelskörper den Spitznamen "Biden" gegeben, nach dem US-Vizepräsidenten Joe Biden.

2012 VP113 Zwergplanet in der inneren Oortschen Wolke

Biden hebt sich durch seine Bewegung deutlich von den Sternen im Hintergrund ab

(Foto: Scott S. Sheppard / Carnegie)

"Nach allem, was wir über die Architektur des Sonnensystems wissen, sollte es Sedna und VP113 eigentlich gar nicht geben", schreibt die Astronomin Megan Schwamb in einem Kommentar für Nature. Denn dieses "Niemandsland" hinter dem Kuipergürtel ist für die Planetenwissenschaftler noch ein dunkler Fleck auf der Landkarte. Es gibt noch keine überzeugende Erklärung dafür, wie sich Objekte in dieser Entfernung halten können.

Die Umlaufbahnen von Sedna und Biden bergen jedoch neue Hinweise für die Formation dieser Grenzwächter: Beide stehen in einem ähnlichen Winkel zum Rest des Sonnensystems, dies deute darauf hin, dass ein riesiger, noch unbekannter Planet die Zwergplaneten auf Kurs halte, ihre Umlaufbahnen quasi hüte. Diese "Supererde" könnte bis zu zehn Mal so groß wie die Erde sein. Der Ausdruck "Supererde" bezeichnet Planeten, die schwerer als die Erde sind, aber noch keine Gasriesen wie Uranus oder Neptun. Über Oberfläche oder Bewohnbarkeit sagt der Begriff jedoch noch nichts aus.

Sheppard und Trujillo vermuten, dass es neben Sedna und Biden bis zu 900 weitere ähnliche Himmelskörper mit einem Durchmesser von über 1000 Kilometern in der Niemandsland-Region - der "inneren Oortschen Wolke" - gibt, die hinter dem Kuipergürtel liegt. "Einige könnten so groß wie der Mars oder sogar wie die Erde sein", sagt Sheppard. Weil kaum Sonnenlicht diese entfernte Region erreiche, könne man selbst die großen Brocken nur schwerlich erspähen.

Wie Himmelskörper wie Biden an ihre Positionen gelangten, ist ebenfalls unklar. Die Astronomen haben drei Theorien dazu:

  • Ein abtrünniger Planet könnte bei der Entstehung des Sonnensystems aus dem Zentrum herausgeschleudert worden sein, und kleinere Objekte wie ein Magnet mitgerissen haben.
  • Ein benachbarter Stern übte beim Vorbeifliegen an der Sonne starke Kräfte aus und kickte einige Planeten aus ihrer Bahn.
  • Die Sonne selbst fing Zwergplaneten wie Biden von anderen Sternen ein.

Erst der Fund weiterer ähnlicher Objekte dürfte Klarheit bringen, hoffen die Forscher. Mit besserer Technologie "werden wir mehr dieser entfernten Körper im Schatten aufdecken", schreibt Schwamb, "und den Ursprung der inneren Oortschen Wolke klären."

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