Ärztemangel auf dem Land:Verlockungen in der Pampa

Eine eigene Sekretärin für Studienanfänger: Mit spektakulären Stipendien und neuen Praxishäusern werben bayerische Gemeinden und Krankenhäuser um Mediziner. Manche Methoden sind umstritten.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat die Debatte um den Ärztemangel auf dem Land neu angestoßen. Neu ist sie aber nicht: Im Flächenstaat Bayern stehen immer mehr Praxen leer, und in den Krankenhäusern bleiben Stellen unbesetzt. Bayerns Kommunen nehmen das nicht tatenlos hin - und erst recht wollen sie nicht darauf warten, bis Berlin eine Lösung bereit hat. Der unterfränkische Weinort Iphofen zum Beispiel will jetzt ein Ärztehaus mit drei attraktiven Praxen bauen, damit die hausärztliche Versorgung seiner Bevölkerung auf Dauer gewährleistet ist. "Die beiden Hausärzte in unserer Stadt sind um die 60 Jahre alt", sagt Bürgermeister Josef Mend. "Und bei beiden wissen wir nicht, ob sie Nachfolger für ihre Praxen finden."

Suche nach attraktiven Wohnungen

Mit dem neuen Ärztehaus, da ist sich Mend sicher, wird es leichter sein, junge Ärzte zur Niederlassung in Iphofen zu bewegen. Jürgen Busse, der Geschäftsführer des Gemeindetags, teilt diese Überzeugung. Bei ihm fragen immer wieder Gemeinden an, was sie denn tun könnten, damit die Praxis ihres oft seit Jahrzehnten ansässigen Hausarztes nicht verwaist. "Aber wir Gemeinden haben da recht wenig Spielräume", sagt Busse. "Sie reduzieren sich darauf, ansiedlungswilligen Medizinern kostengünstige Praxen zur Verfügung zu stellen."

Also helfen Bürgermeister immer öfter Ärzten bei der Suche nach attraktiven Wohnungen. So wie im oberfränkischen Landkreis Lichtenfels. Doch damit nicht genug: Dort werden junge Ärzte auch damit angelockt, dass sie ihre Kinder fünf Jahre lang im krankenhauseigenen Kindergarten unterbringen können. Aber nicht nur in den Landarztpraxen fehlen Ärzte, sondern zunehmend auch in den Krankenhäusern. "Wir haben im Klinikverbund Nordoberpfalz immense Kosten, um Stellen besetzt zu bekommen", sagt der ärztliche Direktor Manfred Hausel.

Altersgrenze abgeschafft

Je weiter die Stelle entfernt ist von ausgeprägten kulturellen oder schulischen Angeboten, desto schwieriger ist es, Ärzte anzulocken, das gilt für Praxen gleichermaßen wie für Krankenhäuser. Deutlich wird das in den Kreiskrankenhäusern des Verbundes, etwa in Tirschenreuth oder Waldsassen. "Dort arbeiten sechs Ärzte in der Chirurgie - und wenn dort zwei oder drei weggehen, ist es vorstellbar, dass wir solche Häuser zusperren müssen", sagt Hausel.

Mit Headhuntern und teuren Stellenanzeigen in deutschen, österreichischen, rumänischen und tschechischen Fachblättern haben sie in Weiden in den vergangenen Jahren versucht, dem Ärztemangel zu begegnen: Jetzt beträgt die Ausländerquote unter den Klinikärzten in Weiden 20 Prozent. Auch eine Altersgrenze gibt es für viele Posten nicht mehr. Dennoch dauerte die Besetzung mancher Facharztstellen bis zu zwei Jahre.

Sekretärin für Studienanfänger

"In unserer Not haben wir überlegt, wie wir an gutes Personal kommen", sagt Personalleiter Martin Neuhaus. "Und wir kamen auf die Studienanfänger." Seit vergangenem Herbst können sich angehende Medizinstudenten direkt nach dem Abitur um ein Stipendium bewerben: In den ersten sechs Semestern gibt es 250 Euro pro Monat, vom siebten Semester an 400 Euro. Dafür verpflichten sich die jungen Leute, drei Jahre lang als Assistenzarzt zu arbeiten. Sie werden betreut von einer Sekretärin und ärztlichen Tutoren. "Wir tragen den Nachwuchs auf der Sänfte, aber dafür können wir jedes halbes Jahr ernten", freut sich Neuhaus.

Und der Nachwuchs nimmt das Angebot an. "Das ist eine tolle Sache: Ich lerne das Haus kennen, kann in den Semesterferien in allen Abteilungen jobben und habe die Sicherheit eines heimatnahen Arbeitsplatzes", freut sich Peter Schönberger. Er ist einer der zwölf Weidener Klinikstudenten und studiert derzeit im vierten Semester in Regensburg.

Einzelaktionen bringen nichts

So stolz die Weidener nun auf ihre Stipendien sind, so kritisch beurteilen sie ärztliche Funktionäre in Bayern. Max Kaplan, der Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer, warnt vor einer Überforderung der jungen Kollegen: "Von einem Studienanfänger zu verlangen, dass er sich darauf festlegt, Landarzt zu werden, ist zu viel verlangt." Juristisch könne man keinen der Stipendiaten dazu zwingen, sich nach seiner Berufsausbildung tatsächlich in der vereinbarten Region niederzulassen, sagt er.

Wolfgang Hoppenthaller, der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, steht regionalen Initiativen grundsätzlich kritisch gegenüber, insbesondere mit Blick auf den drohenden Hausärztemangel auf dem Land: "Die Einzelaktionen bringen gar nichts", sagt er. Damit könnten pfiffige Gemeinden oder Landkreise zwar die benötigten Ärzte "als Sieger im Rennen um den medizinischen Nachwuchs zu sich" locken. Das eigentliche Problem bleibe aber ungelöst: Landesweit gibt es zu wenige junge Ärzte, die die Praxen jener Hausärzte übernehmen wollen, die in den kommenden Jahren in Ruhestand gehen. Und das sind beachtlich viele, wie Kaplan - selbst Hausarzt - vorrechnet: 40 Prozent der derzeitig 9000 Hausärzte in Bayern sind 54Jahre alt und älter.

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